Gemeinsam mit einigen Kollegen baut Mesut Özils Berater Erkut Sögüt derzeit den ersten weltweiten Spielerberater-Verband PROFAA (Professional Football Agents Association) auf. Im Interview mit SPOX und Goal spricht er über den Anlass für die Gründung, die Ziele und den aktuellen Stand der Dinge.
Außerdem gibt Sögüt Einblicke in das Berater-Geschäft: Er spricht über das Image seiner Branche und Ex-Spieler als Maskottchen, erklärt den lukrativen Job des Vereins-Beraters und nennt die wichtigsten Fähigkeiten eines Spielerberaters. Sögüt selbst will die Branche bald verlassen - sein Traum ist es, Professor in Harvard zu werden.
Herr Sögüt, Sie sind eine der treibenden Kräfte beim Aufbau des weltweiten Spielerberater-Verbandes PROFAA. Wie kam es dazu?
Erkut Sögüt: Die FIFA lädt Spielerberater aus der ganzen Welt regelmäßig zu Workshops nach Zürich ein, wo über die aktuelle Situation und Zukunft der Branche gesprochen wird. Bei diesen Treffen ist mir nach und nach bewusst geworden, dass wir nicht als Einheit auftreten und nicht aus einem Mund sprechen. Anders als zum Beispiel die Vereine mit der Vereinigung ECA oder die Spieler mit FIFPro sind wir im weltweiten Fußball-Business kein organisierter Stakeholder. Als ich das gegenüber FIFA-Mitarbeitern angesprochen habe, wurde mir von ihnen ebenfalls bestätigt, dass ihnen eine globale Organisation als Ansprechpartner fehlt. 2018 habe ich mich der Sache angenommen.
Wie sind Sie vorgegangen?
Sögüt: Gemeinsam mit meinem Spielerberater-Kollegen Paddy Dominguez, der jetzt erster PROFAA-Präsident ist, habe ich beschlossen, eine globale Organisation mit einer demokratischen Struktur, regelmäßigen Wahlen und einem Vorstand aufzubauen. Sobald das alles gewachsen ist, gehen wir zur FIFA und sagen: "Hier sind wir und wir wollen Stakeholder werden." Wir wollen für unsere Branche die gleichen Voraussetzungen schaffen, wie sie die anderen Stakeholder schon haben.
Wie stellt sich die strukturelle Situation der PROFAA aktuell dar?
Sögüt: Aktuell besteht unser Vorstand aus drei Personen. Paddy ist als Präsident für die Leitung und den Austausch mit den unterschiedlichen Verbänden zuständig. Tugrul Aras kümmert sich als Generalsekretär vor allem um die Kontakte mit den Spielerberatern. Mein Kerngebiet als Vize-Präsident ist die Ausbildung der Spielerberater. Nächsten Februar halten wir in Antalya in der Türkei unser erstes General Assembly ab. Da wollen wir den Vorstand mit je einem Menschen von jedem Kontinent erweitern, um unserem globalen Anspruch gerecht zu werden.
Warum ist Ihr persönliches Kerngebiet die Ausbildung?
Sögüt: Da kenne ich mich am besten aus, weil ich bereits seit zehn Jahren Spielerberater ausbilde. Vor vier Jahren habe ich mit "Football Agent Education" in London eine eigene Firma gegründet, mit der ich neben Wochenendseminaren ab Oktober auch einen zehnwöchigen Online-Kurs anbieten werde. Am Ende bekommen die Absolventen ein Zertifikat. Außerdem habe ich mit "How to Become a Football Agent" weltweit das einzige Buch geschrieben, das angehenden Spielerberatern den Einstieg ins Geschäft und alle wichtigen Regularien erklärt. Deshalb möchte ich mein Wissen und meine Erfahrungen den PROFAA-Mitgliedern mitgeben.
Erkut Sögüt über die Spielerberater-Ausbildung bei der PROFAA
Wie wird die PROFAA-Ausbildung konkret aussehen?
Sögüt: Mein Traum ist es, einen dreijährigen Spielerberater-Bachelor anzubieten. Das wird es irgendwann auch geben, aber so weit sind wir noch nicht. Wir werden einen Newsletter verschicken, in dem alle aktuellen Entwicklungen in der Branche erklärt und Bücher und Artikel zum Lesen empfohlen werden. Darüber hinaus soll es für Mitglieder weltweit regelmäßige, kostenlose Workshops und Zoom-Calls über bestimmte Themen geben, beispielsweise über Verträge, Medien- oder Charity-Arbeit, die Arbeit mit Trainern oder Vereinsverantwortlichen und so weiter. PROFAA soll allen Spielerberatern als permanente Anlaufstelle dienen, wo sie auf ihre Fragen fundierte Antworten bekommen.
Erkut SögütIn der Spielerberater-Ausbildung scheint es derzeit ein großes Vakuum zu geben. Wie wird man aktuell eigentlich Spielerberater?
Sögüt: Bis 2015 hat die FIFA Spielerberater-Lizenzen vergeben. Das war zwar auch nicht ideal, aber wenigstens global einheitlich und zentralisiert. Seitdem überlässt die FIFA die Lizenzierung den nationalen Verbänden - und die Verbände nehmen diese Aufgabe in unterschiedlicher Weise wahr. Wenn du in Deutschland oder England Spielerberater werden willst, registrierst du dich auf der Verbands-Website, zahlst 500 Euro und schon bist du im Geschäft. Es ist aktuell extrem einfach, Spielerberater zu werden. Aber weil es so viele gibt, gleichzeitig extrem schwer, als solcher zu arbeiten. Mittlerweile hat die FIFA gemerkt, dass das nicht funktioniert und wird die Lizenzierung wahrscheinlich ab 2021 wieder selbst übernehmen. Bei dem Prozess wollen wir auch mitreden.
Wie viele Mitglieder hat die PROFAA momentan und welche Länder sind am stärksten vertreten?
Sögüt: Derzeit haben wir etwa 100 Mitglieder, aber es werden stetig mehr. In vielen Ländern gibt es lokale Spielerberater-Verbände, die uns nach und nach geschlossen beitreten. Die meisten unserer aktuellen Mitglieder kommen aus Europa - und da erstaunlicherweise vor allem aus den skandinavischen Ländern, Süd- und Nordamerika. Wir haben aber auch schon Mitglieder aus Asien, Afrika und Australien.
Wie viel kostet eine Mitgliedschaft?
Sögüt: Bis Februar 2021 kostet sie 180 Dollar im Jahr. Mit den zusätzlichen Vorstandsmitgliedern ab dem nächsten Jahr könnte vielleicht ein neuer Betrag bestimmt werden. In Zukunft könnte auch gar keine Mitgliedschaftsgebühr mehr nötig sein.
Sind die vermeintlich berühmtesten Spielerberater Mino Raiola und Jorge Mendes bereits PROFAA-Mitglieder, beziehungsweise haben Sie mit Ihnen bereits über Ihre Pläne gesprochen?
Sögüt: Nein, bisher noch nicht.
Aber steht und fällt das Konzept einer globalen Organisation, die als Stakeholder auftreten will, nicht damit, dass die berühmtesten Vertreter dabei sind?
Sögüt: Das glaube ich nicht. Aus Sicht der FIFA sind die Qualität der Arbeit, die globale sowie demokratische Struktur und der Fokus auf die Ausbildung am wichtigsten.
Wie intensiv soll die Zusammenarbeit mit Vereinen und Spielern sein?
Sögüt: Wir wollen mit der ECA und FIFPro an einem Tisch sitzen und intensiv zusammenarbeiten. Uns ist es wichtig, herauszufinden, was sie über einzelne Spielerberater und die ganze Branche denken, welche Vorschläge sie haben und wie man nicht nur bei einzelnen Workshops, sondern auch dauerhaft gemeinsam an Lösungen arbeiten kann.
Erkut Sögüt: "Es ist lukrativer, einen Verein zu beraten"
In der öffentlichen Wahrnehmung werden Spielerberater generell eher negativ gesehen. Macht Sie das traurig?
Sögüt: Es gibt in der Branche viele Menschen, die hart arbeiten, ihren Beruf aus Leidenschaft ausüben und dabei nicht viel Geld verdienen. Deren Ruf wird kaputtgemacht von einigen wenigen Leuten, die nur schnelles Geld machen wollen. Ihr Vorgehen strahlt auf die ganze Branche aus. In Sachen öffentliche Wahrnehmung ist aber noch eine andere Sache wichtig.
Und zwar?
Sögüt: Es gibt im Fußball-Business zwei Arten von Beratern: Die, die Spieler beraten, und die, die Vereine beraten. Die zweite Art ist in der Öffentlichkeit völlig unscheinbar, obwohl dort mehr Geld fließt. Es ist lukrativer, einen Verein als einen Spieler zu beraten.
Wozu brauchen Vereine mit etlichen Angestellten externe Berater?
Sögüt: Manchmal macht es Sinn: Zum Beispiel, wenn man als Verein einen Spieler loswerden will und selbst keinen Abnehmer findet; oder wenn man einen Spieler aus einem Markt verpflichten will, in den man keine Kontakte hat. Oft ist aber weder das eine noch das andere der Fall und das ist nicht gut.
Inwiefern?
Sögüt: Ein Beispiel: Ich berate einen Spieler eines englischen Vereins, den ein Verein aus Deutschland verpflichten will. Der deutsche Verein tritt an mich heran, ich reise für Verhandlungen hin und auf einmal tauchen dort neben den Vereinsverantwortlichen zwei Berater auf, die die Interessen des deutschen Vereins vertreten. Wenn der Transfer funktioniert, bekomme ich als Provision die standardmäßigen zehn Prozent des Spielergehalts. Für Berater von Vereinen gibt es aber keine regulierte Standardverrechnung. Denen kann der Verein so viel zahlen, wie er will.
Was haben die Vereine davon?
Sögüt: Das ist eine interessante Frage, die ich mit einer Gegenfrage beantworten möchte: Angenommen, Sie sind der entsprechende Vereinsverantwortliche oder -besitzer und haben einen Sportdirektor und 50 Scouts: Warum würden Sie trotzdem zulassen, dass einfach so ohne Not Geld aus Ihrer Kasse in einen unregulierten Bereich wandert?
Vielleicht, weil Teile des Geldes über andere Wege zu mir persönlich zurückfließen?
Sögüt: Das haben Sie jetzt gesagt. (lacht)
Erkut SögütEs gibt auch Berater, die sowohl für Spieler als auch Vereine arbeiten. Die Verbindungen von Jorge Mendes' Berater-Agentur Gestifute zu den Wolverhampton Wanderers, wo etliche seiner Klienten unter Vertrag stehen, sind beispielsweise bekannt. Ist das Ihrer Meinung nach verwerflich?
Sögüt: Nicht wirklich. In England sind "dual representation agreements", bei denen man den Spieler und den aufnehmenden Verein gleichzeitig vertritt, im Vergleich zu den meisten anderen Ländern weit verbreitet und auch durch nationales Gesetz erlaubt. Hier geht es um die Phase nach dem Vertragsabschluss. Darum, dass der Berater für eine gute Zusammenarbeit zwischen Spieler und Verein sorgt. Kritischer wird es nur, wenn ein Berater bei einer Transaktion alle drei Seiten berät: den Spieler, den abgebenden und den aufnehmenden Verein. Das ist eher ein Interessenskonflikt und ich glaube, dass die FIFA das zurecht wahrscheinlich ab 2021 verbieten wird.
Wie Erkut Sögüts zu Mesut Özils Berater wurde
Was sind die fünf wichtigsten Fähigkeiten, über die ein Spielerberater Ihrer Meinung nach verfügen sollte?
Sögüt: Er sollte sich immer weiterbilden und somit entwickeln. Er sollte eine gute Menschenkenntnis haben, verschiedene Kulturen kennen und verstehen. Er sollte ehrlich und transparent arbeiten. Er sollte sich nicht von Vereinen oder deren Beratern vereinnahmen lassen. Er sollte die Interessen seines Spielers immer über seine eigenen stellen und den Spieler nicht an den Verein vermitteln, der ihm die höchste Provision zahlt, sondern an den, bei dem der Spieler die besten Aussichten hat. Diese fünf Eigenschaften muss ein guter Spielerberater haben.
Viele ehemalige Spieler arbeiten nach ihrem Karriereende als Spielerberater. Wie finden Sie das?
Sögüt: Ich habe in der Hinsicht schon gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Generell ist es von Vorteil, wenn man die Spielerseite kennt und somit aus eigener Erfahrung weiß, was Spielern wichtig ist. Der Erfolg hängt aber letztlich ausschließlich davon ab, ob sich der Ex-Spieler auch tatsächlich zum Spielerberater ausbilden lassen will. Viele Berater-Agenturen halten sich Ex-Spieler nur als Maskottchen, um junge Talente zu ködern.
Welcher aktuelle Spieler würde Ihrer Meinung nach später einen guten Spielerberater geben?
Sögüt: Mathieu Flamini. Er ist einer der schlausten Spieler, die ich kenne, kommunikativ stark, ehrlich, einfühlsam, kann gut mit Menschen umgehen, spricht viele Sprachen, erkennt Risiken früh und reagiert schnell darauf. Außerdem ist er ein Workaholic.
gettyimago images / SportimageWie sind Sie eigentlich einst zu dem Job gekommen?
Sögüt: Ich bin promovierter Jurist und habe drei Master-Abschlüsse, zwei davon in Sport-Management und -Recht und einen in internationalem Recht. Vor 15 Jahren habe ich die Spielerberater-Lizenz gemacht und damit begonnen, Agenturen bei Vertragsfragen als Hausjurist zu helfen. Dabei bin ich mit etlichen Eltern und Spielern in Kontakt gekommen. Manche davon haben mich irgendwann direkt gefragt, ob ich ihnen helfen kann. So bin ich in die Branche hereingerutscht und habe letztlich meine eigene Agentur gegründet. Ich wurde von einem Juristen zu einem Spielerberater, aber das ist auch nur ein Zwischenstopp. Mein Traum ist es, Professor in Harvard zu werden und dort Sport-Management und -Recht zu unterrichten.
Was passiert mit Ihrer Agentur, wenn Sie diesen Schritt gehen?
Sögüt: Ich habe jeden meiner Mitarbeiter mindestens zwei Jahre lang persönlich ausgebildet. Ich habe nicht das größte, aber sicher eines der besten Berater-Teams der Fußball-Welt. Wenn ich irgendwann in die USA ziehe, um dort Professor zu werden, würde meine Agentur von selbst weiterlaufen.
Ihr bekanntester Klient ist Mesut Özil. Wie kamen Sie einst mit ihm in Kontakt?
Sögüt: Als er bei Real Madrid spielte, hat sich seine Familie bei mir gemeldet und gefragt, ob ich die Mitarbeiter seiner Firma in Deutschland ausbilden könne. So wurde ich erst sein Anwalt und dann nach und nach zusammen mit seinem Bruder Mutlu Özil zu seinem Berater. Zur Anfangszeit habe ich gerade promoviert: Die eine Hälfte der Woche habe ich in der Uni-Bibliothek für meine Doktorarbeit gelernt, die andere habe ich mich um Mesut gekümmert. Ich habe ihm aber auch gleich am Anfang offen gesagt: "Ich finde es schön, für dich zu arbeiten. Aber mein Lebensziel ist es, Professor in Harvard zu werden."