Während sich der Inter-Capitano tatsächlich als Philosoph versucht und dadurch sogar Schulkinder verzweifeln lässt, wird in England ein kuchenessender Fan gefeiert. Völlig zurecht und absolut angemessen. Gefeiert wird natürlich auch in Madrid: unter anderem Gareth Bale alias LeBron James. Derweil entsteht bei Carlo Ancelotti ein ganz seltsames Kopfkino und Louis van Gaal wird angegangen.
Serie A
Von Oliver Birkner
Scheißspiel des Spieltags: Andrea Ranocchia ist von Beruf ein durchschnittlich talentierter Verteidiger, der aus abstrusen Gründen eine Anstellung bei Inter Mailand fand. In dieser Saison des Inter-Armageddon fällt Ranocchias karge Klasse selbstredend nicht auf, und so erkor man den Schlacks postwendend zum Kapitän. Der Capitano besitzt seit Samstag den Nebenjob weissagender Hobby-Philosoph, denn eine Stunde vor dem Heimduell gegen Parma twitterte er: "Beginnen wir mit dem Notwendigen, um zum Möglichen überzugehen. Und plötzlich überrascht man sich dann, das Unmögliche zu erreichen." Inter übersprang die zwei Schritte des Notwendigen und Möglichen und spazierte schnurstracks zur Erleuchtung des unmöglichen Spieles. Kaum vorstellbar, dass eine apathischere Geschwindigkeitsstufe existiert. Und tatsächlich überraschend, dass die Internazionale beim 1:1 nicht einmal jenen Tabellenletzten in Verlegenheit brachte, dessen Spieler seit Monaten ohne Entlohnung für einen insolventen Klub kicken. Immerhin erhielt Inter von Parma eine nützliche Lektion in Würde und Arbeitsmoral. Trainer Roberto Mancini sah von Floskeln ab und wertete die Partie als "Scheißspiel". Und was musste erst der kleine Filippo denken? Der machte 2012 schon einmal mit dem Plakat auf sich aufmerksam: "Könnt ihr bitte heute gewinnen? Sonst werde ich in der Schule wieder aufgezogen". Damals verlor Inter 0:3 gegen Bologna. Am Samstag kehrte Filippo mit dem Spruchband zurück: "Ich habe noch sechs Jahre Schule vor mir und weiß nicht mehr, wie ich euch verteidigen soll!" Entweder Schule wechseln oder beim illuminierten Ranocchia nachhorchen.
Schande des Spieltags: Beim 1:0 über Napoli feierte die Roma den ersten Ligaheimsieg seit dem 30. November. Die Tifosi sorgten allerdings für beschämende Spruchbänder, die Anstand mit Füßen traten. "Eine traurige Angelegenheit - mit einer Beerdigung durch Bücher und Interviews Reibach zu machen" las man beispielsweise in der Südkurve auf ausgebreiteten 15 Metern. Gemeint war die Mutter von Napoli-Fan Ciro Esposito, der im letzten Mai vor dem Pokalfinale von der Pistole eines Romanista getroffen worden war, und nach fast zwei Monaten im Koma verstarb. Antonella Leardi hatte sich in der Folge gegen Gewalt im Fußball eingesetzt und kürzlich das Buch verfasst "Ciro lebt". Dessen Erlös geht komplett an zwei Krankenhäuser. "Leardi halt die Fresse", las übrigens ein weiteres Plakat. Man muss tief gesunken sein, dass sich eine derartig widerliche Idee im Kopf zusammenbraut.
Und sonst? Juventus im Champions-League-Finale? Das wäre eine kleine Sensation, doch der Weg nach Berlin ist ja noch zwei Runden entfernt. Ex-Coach Antonio Conte hielt das Husarenstück wegen magerer Transferausgaben für unwahrscheinlich und zischte: "Man kann nicht mit zehn Euro ein Sterne-Restaurant betreten." Der aktuelle Trainer Max Allegri scheint etwas optimistischer und sagte: "Damit kann man dort vielleicht kein Essen bestellen, sich aber wenigstens hinsetzen." Nötige Ressourcen könnten von Stürmer Alvaro Morata fließen. Der 22-Jährige versprach: "Ich würde eine Million Euro für den Triumph mit Juve in Berlin zahlen und ein Jahr lang gratis spielen." Das Versprechen behalten wir im Hinterkopf.
Serie A: Inter und die verzweifelten Schulkinder
Premier League: "He's eating pie!"
Premier League
Von Frank Oschwald
Fangesang des Spieltags: Wir müssen es halt Woche für Woche neu feststellen: Die Engländer sind einfach ein lustiges Völkchen. Wenn das Spiel nicht mal mehr vor sich hin plätschert, denken die meisten nicht mal daran, gelangweilt rumzusitzen. Man kann sich auch an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Dass der Vordermann Pie isst beispielsweise. Kleine Dinge eben. So auch beim Spiel zwischen Bradford und Doncaster am vergangenen Freitag. Das Spiel war mit 3:0 längst entschieden. Euphorisiert vom Spielstand und der Tatsache, dass ihr Team sich an die Playoff-Plätze herankuschelt, sangen die Bradford-Fans ihre Freude heraus. Allerdings gab das Spiel nicht mehr wirklich viel her. Deshalb suchten sich die Anhänger eben andere Dinge, über die sie singen konnten. "He's eating Pie! He's eating Pie", brüllten die zahlreich hüpfenden und klatschenden Bradford-Fans schließlich und meinten einen Fan, der im Fanblock gerade einen echten englischen Pie genoss. Der stieg direkt mit ein, sprang fröhlich herum und deutete immer wieder auf seinen Pie. Als das dann letztlich langweilig wurde, folgte die zweite Strophe: "Has he got some Sauce?" Hatte er nicht. Doch Minuten später wurde von rechts eine Soßen-Lieferung zu ihm durchgereicht, sodass sie abschließend singen konnten: "He's got some brown."
Liebe des Spieltags: Louis van Gaal ist halt einfach ein kleiner Knuddelbär. Immer wieder überzeugt er bei öffentlichen Auftritten mit Nähe, seiner Offenherzigkeit und seiner Liebe. Umso überraschender trafen uns unter der Woche die Vorwürfe von Hristo Stoichkov. Dieser sprach in einer spanischen Zeitung über seine etwas holprige Beziehung zum Tulpengeneral. Ganz spitzfindige Leser konnten dabei zwischen den Zeilen rauslesen, dass es wohl etwas kriselt zwischen den Beiden. "Für mich ist er Abschaum. Ich habe überhaupt keinen Respekt für Louis van Gaal", so der Bulgare und plauderte weiter aus dem Nähkästchen. Offenbar soll King Louis eines Tages Stoichkovs Frau gefragt haben, warum sie denn einen solch schlechten Menschen heiratet. Diese antwortete: "Er hat den Ballon d'Or gewonnen." Vielleicht nicht die Antwort, die man von seiner Frau in einer solchen Szene hören will, aber schlagfertig war's dennoch.
Anything else: Ryan Mason ist sicherlich einer der Zukunftshoffnungen des englischen Fußballs. Bei seinem Länderspieldebüt unter der Woche legte der 23-Jährige ein Tor auf und schürte die Hoffnungen der Fans. Auch Emmanuel Frimpong sieht in Mason Talent. Er twitterte nach dem Spiel: "Ich freue mich für Ryan Mason". Doch der 23-Jährige konnte sich einen Seitenhieb auf die Spurs nicht verkneifen. "Er sollte nur aufhören, für Tottenham zu spielen. Dann kann er es weit schaffen." Die Spurs-Fans nahmen das eher mit einem Achselzucken. Karrieretipps von einer 23-Jährigen? Der in den letzten vier Jahren sechs Teams hatte? Bei dem es für Barnsley nicht gereicht hat? Und aktuell mit Ufa in der russischen Liga um den Abstieg spielt? Okay...
Serie A: Inter und die verzweifelten Schulkinder
Premier League: "He's eating pie!"
Primera Division
Von Frank Oschwald
Krimi des Spieltags: Huiuiui, was war das für eine enge Kiste zwischen Real und Granada. Letztlich schleppte sich Real mit einem Acht-Tore-Vorsprung ins Ziel und pulverisierte mal wieder einen ganzen Lastwagen voller Rekorde. Eigentlich hatten wir uns hier vorgenommen, es nicht mehr zu erwähnen, wenn Ronaldo innerhalb von 12 Minuten zwei Tore trotz einer Windgeschwindigkeit von 80 km/h erzielt und dabei der erste La-Liga-Spieler ist, der nur zu 12 Prozent den großen Zeh zum Schuss verwendet. Doch die neuen Statistiken haben es halt wieder in sich. Einmal kurz Luft holen, Synapsen aufwecken, uuuund los: Ronaldos Hattrick innerhalb von acht Minuten war der schnellste seit 1960 von Pepillo. Zudem egalisierte Ronaldo den uralten Real-Rekord von Di Stefano mit 28. Hattricks in La Liga. Ach ja, und er erzielte natürlich seinen ersten "Repoker" - fünf Hütten in einem Spiel. Er reiht sich somit in folgende illustre Runde ein: Martinez (1960), Puskas (1961), Krankl (1979), Bebeto (1995), Morientes (2002). Allesamt erzielten fünf Tore ohne einen Elfmeter. Dass Real die erste Mannschaft ist, die seit 1979 neun Tore in einem Spiel macht, sollte hier vielleicht auch kurz erwähnt sein. Jetzt reicht's aber mit dem Real-Singsang. Wir haben genug Zündstoff für die Messi/Ronaldo-Diskussion geliefert. Wobei, einer geht noch: Ohne Mathieus zwei La-Liga-Tore in dieser Saison hätte Barca zwei Punkte weniger. Ohne Messis 32 Tore ebenfalls.
LeBron des Spieltags: Dass Gareth Bale im Fußball einigermaßen geradeaus laufen kann, wissen wir eigentlich fast alle. Könnte er das nicht, würde er vermutlich nicht bei den Königlichen spielen. Doch der alte Streber Gareth, der beim Sport vermutlich bei sämtlichen Disziplinen blind immer als Erstes gewählt wurde, macht auch beim Basketball nicht die schlechteste Figur. Wobei, das ist vielleicht falsch formuliert. Er sah mit seinem Stirnband, den schmierigen Haaren und den schneeweißen Armen recht britisch aus. Doch auf dem Court trumpfte er auf. Drei von fünf Würfen versenkte der Waliser. Generell schon eine Sphäre, die kaum ein Fußballer erreicht. Doch Teufelskerl Bale schaffte das Meisterwerk von der Mittellinie des Courts. Ob er bald auch eine Pressekonferenz gibt? "I'm taking my talents to..."? Na ja, das ist ja Zukunftsmusik. Trotz der famosen Leistung rief die Aktion wieder zahlreiche Bale-Kritiker auf den Plan. Jahaaa! Drei von fünf ist ja schon nicht schlecht, meinten die. Aber könne er das auch an einem kalten, verregneten Montagabend in Stoke-on-Trent?
Algo mas? Es gibt aus Sicht eines Journalisten einfachere Dinge, als ein langes und zeitintensives Interview mit einem Real-Verantwortlichen zu erhaschen. Einem italienischen TV-Sender wurde die Ehre unter der Woche zuteil. Die Königlichen, ausgetüftelt wie sie sind, setzten Ancelotti vor die italienische Linse und erhofften sich eine fröhliche Plauderstunde über die guten, alten Zeiten beim AC Milan. Schließlich hat IHR Coach ja schon x-Mal die Champions League gewonnen und wird den Henkelpott in diesem Jahr zum x+1-sten Mal holen. Einfach ein irre toller Typ, dieser Real-Coach. Doch irgendwann drifteten die Fragen des Journalisten etwas ab. Ob Ancelotti denn schon mal Cristiano Ronaldo nackt in der Dusche gesehen habe, wollte dieser wissen. Der Trainer zeigte sich sichtlich amüsiert. Er brauche ihn nicht im Bad zu sehen, es reiche, wenn er seine fußballerischen Fähigkeiten kennt. Wir sehen das sehr, sehr ähnlich. Dennoch lässt uns die Frage nicht los, was das Ziel einer solchen Frage ist.
Serie A: Inter und die verzweifelten Schulkinder