Serie A
Von Oliver Birkner
Scheißspiel des Spieltags: Andrea Ranocchia ist von Beruf ein durchschnittlich talentierter Verteidiger, der aus abstrusen Gründen eine Anstellung bei Inter Mailand fand. In dieser Saison des Inter-Armageddon fällt Ranocchias karge Klasse selbstredend nicht auf, und so erkor man den Schlacks postwendend zum Kapitän. Der Capitano besitzt seit Samstag den Nebenjob weissagender Hobby-Philosoph, denn eine Stunde vor dem Heimduell gegen Parma twitterte er: "Beginnen wir mit dem Notwendigen, um zum Möglichen überzugehen. Und plötzlich überrascht man sich dann, das Unmögliche zu erreichen." Inter übersprang die zwei Schritte des Notwendigen und Möglichen und spazierte schnurstracks zur Erleuchtung des unmöglichen Spieles. Kaum vorstellbar, dass eine apathischere Geschwindigkeitsstufe existiert. Und tatsächlich überraschend, dass die Internazionale beim 1:1 nicht einmal jenen Tabellenletzten in Verlegenheit brachte, dessen Spieler seit Monaten ohne Entlohnung für einen insolventen Klub kicken. Immerhin erhielt Inter von Parma eine nützliche Lektion in Würde und Arbeitsmoral. Trainer Roberto Mancini sah von Floskeln ab und wertete die Partie als "Scheißspiel". Und was musste erst der kleine Filippo denken? Der machte 2012 schon einmal mit dem Plakat auf sich aufmerksam: "Könnt ihr bitte heute gewinnen? Sonst werde ich in der Schule wieder aufgezogen". Damals verlor Inter 0:3 gegen Bologna. Am Samstag kehrte Filippo mit dem Spruchband zurück: "Ich habe noch sechs Jahre Schule vor mir und weiß nicht mehr, wie ich euch verteidigen soll!" Entweder Schule wechseln oder beim illuminierten Ranocchia nachhorchen.
Schande des Spieltags: Beim 1:0 über Napoli feierte die Roma den ersten Ligaheimsieg seit dem 30. November. Die Tifosi sorgten allerdings für beschämende Spruchbänder, die Anstand mit Füßen traten. "Eine traurige Angelegenheit - mit einer Beerdigung durch Bücher und Interviews Reibach zu machen" las man beispielsweise in der Südkurve auf ausgebreiteten 15 Metern. Gemeint war die Mutter von Napoli-Fan Ciro Esposito, der im letzten Mai vor dem Pokalfinale von der Pistole eines Romanista getroffen worden war, und nach fast zwei Monaten im Koma verstarb. Antonella Leardi hatte sich in der Folge gegen Gewalt im Fußball eingesetzt und kürzlich das Buch verfasst "Ciro lebt". Dessen Erlös geht komplett an zwei Krankenhäuser. "Leardi halt die Fresse", las übrigens ein weiteres Plakat. Man muss tief gesunken sein, dass sich eine derartig widerliche Idee im Kopf zusammenbraut.
Und sonst? Juventus im Champions-League-Finale? Das wäre eine kleine Sensation, doch der Weg nach Berlin ist ja noch zwei Runden entfernt. Ex-Coach Antonio Conte hielt das Husarenstück wegen magerer Transferausgaben für unwahrscheinlich und zischte: "Man kann nicht mit zehn Euro ein Sterne-Restaurant betreten." Der aktuelle Trainer Max Allegri scheint etwas optimistischer und sagte: "Damit kann man dort vielleicht kein Essen bestellen, sich aber wenigstens hinsetzen." Nötige Ressourcen könnten von Stürmer Alvaro Morata fließen. Der 22-Jährige versprach: "Ich würde eine Million Euro für den Triumph mit Juve in Berlin zahlen und ein Jahr lang gratis spielen." Das Versprechen behalten wir im Hinterkopf.
Serie A: Inter und die verzweifelten Schulkinder