BVB-Kaderanalyse: Youssoufa Moukoko kann nicht die Lösung für Borussia Dortmund sein

Jochen Tittmar
23. Juli 202010:21
SPOXimago images / Kirchner-Media
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Borussia Dortmund hat mit den Verpflichtungen von Thomas Meunier und Jude Bellingham die Kaderplanung für die kommende Saison abgeschlossen. Bewegung könnte es noch in einem Fall geben. Eine kleine Baustelle bleibt jedoch. Der BVB in der Kaderanalyse.

TOR

  • Personal: Roman Bürki (Vertrag bis 2023), Marwin Hitz (Vertrag bis 2021), Luca Unbehaun (Vertrag bis 2022)
  • Fragezeichen: keine
  • Kandidaten: keine

Situation: Vor etwas mehr als einem Monat hat Dortmund den Vertrag mit Stammkeeper Bürki verlängert, der Schweizer geht in seine bereits sechste Saison in Schwarzgelb. Der 29-Jährige spielte eine gute Vorsaison, bei der sich wie gewöhnlich bei ihm Licht und Schatten abwechselten. Dennoch gilt Bürki beim BVB als unumstritten.

Auch in der zweiten Torhüterreihe gibt es keine Veränderungen. Hitz, im Vorjahr immerhin auf acht Pflichtspiele gekommen (fünf Gegentore), steht als Ersatzmann parat. Der Schweizer wackelte im Vorjahr zwar ein wenig, vertritt Bürki aber meist sehr ordentlich.

Nummer drei bleibt Talent Unbehaun, dem man in Dortmund Großes zutraut. 2019 lag der 19-Jährige ein halbes Jahr mit einer Knieverletzung flach. In der vergangenen Saison kassierte er in 17 Spielen bei U19 und U23 insgesamt 30 Tore.

Laut Meldung des BVB wird aus diesem Trio künftig ein Quartett. Für die zweite Mannschaft wurde Stefan Drljaca von Hoffenheim II verpflichtet, der 21-Jährige war Stammkeeper im Kraichgau. Was dieser Transfer für die für Unbehaun so notwendige Spielpraxis heißt, ist ungewiss.

ABWEHR

  • Personal: Mats Hummels (Vertrag bis 2022), Dan-Axel Zagadou (Vertrag bis 2022), Manuel Akanji (Vertrag bis 2022), Lukasz Piszczek (Vertrag bis 2021), Thomas Meunier (Vertrag bis 2024), Mateu Morey (Vertrag bis 2024), Nico Schulz (Vertrag bis 2024), Marcel Schmelzer (Vertrag bis 2021), Marius Wolf (Vertrag bis 2023), Felix Passlack (Vertrag bis 2021)
  • Fragezeichen: Schulz, Schmelzer, Wolf, Passlack
  • Kandidaten: keine

Situation: In der Innenverteidigung gibt es im Grunde keine Änderung im Vergleich zur vergangenen Spielzeit. Durch die Leihe von Leonardo Balerdi nach Marseille stehen Trainer Lucien Favre drei Innenverteidiger zur Verfügung. Im Notfall könnte er zudem auf Emre Can zurückgreifen.

Das bedeutet, dass ein Wechsel von Akanji vom Tisch ist. Der im Vorjahr sehr wankelmütige Schweizer wurde medial immer wieder mit einem vorzeitigen Abgang in Verbindung gebracht.

Hummels bleibt gesetzt, Zagadou war in seinen Leistungen 2019/2020 stabiler als Akanji. Beide zeigten sich jedoch immer wieder fehleranfällig.

In der Rechtsverteidigung - oder im rechten Glied der Dreierkette, sollte Favre beim zuletzt so erfolgreich praktizierten System bleiben - wurde der abgewanderte Achraf Hakimi vom deutlich erfahreneren Belgier Meunier ersetzt. Der Konkurrenzkampf in diesem Bereich wird interessant werden, schließlich könnte Favre auch auf Gewohntes (Piszczek) oder Talent (Morey) setzen. Gerade Piszczek dürfte in seinem wohl letzten BVB-Jahr genug Verschnaufpausen bekommen, zumal Morey am Anfang und in seinen Einsätzen gegen Ende der vorherigen Saison vielversprechende Anlagen zeigte und endlich fit ist.

Auf der Gegenseite stehen als klassische Linksverteidiger Schulz und Schmelzer parat. Schmelzer muss man jedoch fast schon wieder streichen, da er auch im dritten Jahr unter Favre keine Rolle spielen und dazu noch aufgrund einer Knie-Operation mehrere Monate ausfallen wird. Im Sommer 2019 wollte das Urgestein den Klub unbedingt verlassen. Aus diesem Unterfangen wird durch die lange Pause nun wohl nichts.

Schulz wiederum erlebte eine unterirdische Vorsaison, die geprägt war von schwachen Leistungen und ständigen Blessuren. Deshalb gilt er auch als Streichkandidat, werthaltige Angebote für ihn halten sich allerdings gewiss in Grenzen. Der Nationalspieler dürfte ohnehin alles daran setzen, diesen letzten Eindruck wegzuwischen.

Auch Raphael Guerreiro käme noch für links hinten in Frage, spielte jedoch auf anderer Position zuletzt seine beste Saison im BVB-Dress.

Für den Moment müssen auch Wolf und Passlack als Kaderspieler gelistet werden, die von ihren Leihgeschäften aus Berlin bzw. Sittard zurückkehren. Hertha hätte Wolf für knapp über 20 Millionen Euro verpflichten können, lehnte aber ab. Ob der unter Favre als Rechtsverteidiger eingesetzte 25-Jährige eine Zukunft in Dortmund hat, erscheint mehr als fraglich. Bei Passlack muss dies gar verneint werden.

BVB-Neuzugang Thomas Meunier: Leistungsdaten der Saison 2019/20

WettbewerbeSpieleToreVorlagenMinuten
Ligue 116-11243
Champions League51-450
Coupe de France3--182
Coupe de la Ligue2-1180
Trophee des Champions1--80

MITTELFELD

  • Personal: Emre Can (Vertrag bis 2024), Axel Witsel (Vertrag bis 2022), Thomas Delaney (Vertrag bis 2022), Tobias Raschl (Vertrag bis 2022), Dzenis Burnic (Vertrag bis 2021), Julian Brandt (Vertrag bis 2024), Mahmoud Dahoud (Vertrag bis 2022), Jude Bellingham (Vertrag bis 2023), Raphael Guerreiro (Vertrag bis 2023), Marco Reus (Vertrag bis 2023), Giovanni Reyna (Vertrag bis 2021), Sergio Gomez (Vertrag bis 2021)
  • Fragezeichen: Raschl, Dahoud, Burnic, Gomez
  • Kandidaten: keine

Situation: Der Kern des BVB-Mittelfelds steht und bleibt erhalten. Can, Witsel und Delaney sind als Sechser eingeplant. Vor allem der Däne, der auf Twitter alle Wechsel-Spekulationen beendete, wird sich strecken müssen. Den Großteil der vergangenen Spielzeit verpasste er verletzt, dazu ergänzten sich Can und Witsel gut.

Als Achter in der Zentrale zeigte sich Brandt gut aufgehoben, auch wenn bei ihm neben viel Genie auch regelmäßig Wahnsinn aufblitzte. Dahoud fand nach der Corona-Pause in die Mannschaft und lieferte gute Leistungen ab, verletzte sich dann aber. Laut seinem Berater will er trotz der geringen Einsatzzeiten weiterhin bei der Borussia bleiben und in seine dritte Spielzeit gehen.

Neu im Team ist Bellingham, der im zentralen Mittelfeld, aber auch auf den Flügeln einsetzbar ist. Der 17-Jährige wird auf Anhieb vollwertiges Kadermitglied sein, sich dennoch an den schnelleren sowie technisch anspruchsvolleren Fußball in Deutschland gewöhnen müssen. Es sollte angesichts seines Talents und der in Englands zweiter Liga hohen Intensität aber nicht verwundern, wenn Bellingham frühzeitig zu ersten Einsatzmöglichkeiten kommt.

Für die defensiven Mittelfeldspieler Raschl und Burnic wird daher auch künftig kaum Platz sein. Der 20-jährige Raschl stand in der vergangenen Spielzeit zehnmal im Kader und kam am 34. Spieltag zu seinem Bundesligadebüt. Gut möglich, dass er sich nach einem Leihgeschäft umschaut.

Das hat der 22-jährige Burnic bereits beendet und von Zweitligaabsteiger Dresden einen Bänderriss im Sprunggelenk mitgebracht. Er soll noch abgegeben werden. Angesichts seiner aktuellen Situation sicherlich kein leichtes Unterfangen.

Bleiben noch die offensiv ausgerichteten Guerreiro, Reyna und Reus. Letzterer fehlt seit Anfang Februar mit einer komplizierten Muskelverletzung, bei der er sich auf dem Weg Richtung Comeback immer wieder Rückschläge einhandelte. Der Kapitän trainiert zwar wieder mit Ball, die Schmerzen scheinen jedoch nicht aufzuhören. Von einer anständigen Fitness auf Wettkampfniveau ist Reus noch weit entfernt.

Guerreiro dagegen gehörte zu den besten BVB-Akteuren des Vorjahres (acht Tore, fünf Vorlagen) und bringt seine Stärken auf der linken Seite im Mittelfeld deutlich besser ein als eine Position weiter hinten.

Auch Reyna überraschte mehr als positiv, seitdem er in der Rückrunde von der Leine gelassen wurde. Favre ist ein großer Fan des 17-jährigen US-Amerikaners und es gilt als sicher, dass Reynas Spielanteile 2020/21 in die Höhe geschraubt werden.

Rückkehrer Gomez hat die Saison in Spanien zu Ende gespielt, die Verantwortlichen von Erstligaaufsteiger Huesca sollen mit seiner Entwicklung einverstanden sein und eine Verlängerung der Leihe anstreben. Dazu müsste der BVB jedoch den 2021 auslaufenden Vertrag verlängern - sehr fraglich, ob man ihm in Dortmund noch den Durchbruch zutraut.

BVB-Neuzugang Jude Bellingham im Steckbrief

geboren29. Juni 2003 in Stourbridge
Größe1,80 m
Gewicht70 kg
Positionlinkes, rechtes, zentrales Mittelfeld
starker Fußrechts
StationenBirmingham Jugend, Birmingham City
Spiele/Tore in der Championship40/4

ANGRIFF

  • Personal: Erling Haaland (Vertrag bis 2024), Thorgan Hazard (Vertrag bis 2024), Jadon Sancho (Vertrag bis 2022)
  • Fragezeichen: keine
  • Kandidaten: Jose Macias (Deportivo Guadalajara), Adam Hlozek (Sparta Prag)

Situation: Wenn es im Dortmunder Kader noch Fragezeichen gibt, dann sicherlich in diesem Mannschaftsteil. Das betrifft aber nicht Stürmer Nummer eins Haaland, der sich seit seiner Ankunft im Winter mit 16 Toren in 18 Pflichtspielen unverzichtbar gemacht hat.

Auch Hazard spielte eine starke Vorsaison mit sieben Treffern und 14 Vorlagen. Neben diesen 21 Torbeteiligungen in 43 Pflichtspielen zeichnete sich der Belgier vor allem durch sein hohes Engagement aus, in fünf Partien gab er zudem die einzige Spitze.

Diesen Fall probte Favre auch mit Brandt, der dort wie Hazard sicherlich nicht alles falsch machte. Der Kaltschnäuzigkeit und Durchsetzungsfähigkeit eines gelernten Stürmers wie Haaland können beide aber bei weitem nicht das Wasser reichen.

Und so bleibt die Frage bestehen: Wird der BVB den von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Mitgliederversammlung im November 2019 benannten Fehler beheben und eine zweite Nummer neun verpflichten?

Offenbar nicht, wenn man den jüngsten Aussagen von Sportdirektor Michael Zorc im kicker Glauben schenkt: "Wir haben in der vergangenen Saison nicht zu wenig Tore geschossen," sagte Zorc und berief sich zudem auf die gegen Saisonende einige Male praktizierte Anordnung mit einer zweiten Spitze (Hazard, Sancho) neben oder statt Haaland. "In diesem Sinne gibt es gar keinen klassischen Neuner mehr."

Vor allem mit Blick auf die getätigten Aussagen der Verantwortlichen in der Vergangenheit eine überraschende Entwicklung. Favre blieb damals bei diesem Thema wie gewohnt höchst kryptisch: "Ich denke, das ist klar. Erling ist 19, es ist normal, dass er manchmal müde ist. Wenn man eine englische Woche hat, kann man das nicht allein machen."

Ein Dauerbrenner in der Gerüchteküche ist jedenfalls der 20-jährige Macias. Der 1,78 Meter große Stürmer hat im Profibereich in Mexiko 30 Tore in 82 Pflichtspielen erzielt und ist seit Oktober mexikanischer Nationalspieler (fünf Spiele, vier Tore).

Seinen Preis könnte die Borussia auf zehn bis 15 Millionen Euro drücken, da durch die Coronakrise das Geld der Vereine in Mexiko knapp geworden ist. "Ich würde gerne in vielen Ligen spielen und in Sachen Klubs gefallen mir Barcelona, Borussia Dortmund, das viele junge Spieler unterstützt, sowie PSV und Ajax in den Niederlanden", sagte Macias vor einem Jahr.

Er wäre ebenso wie Hlozek ein junger, talentierter Backup für Haaland, für den der Schritt nach Deutschland und zum BVB einen Karrieresprung darstellen würde. Vor allem dürften sich beide mit der angedachten Rolle zunächst zufrieden geben.

Denn genau dies ist ja die Krux: Der Haaland-Ersatzmann sollte ob geringerer Einsatzzeiten nicht stänkern und dennoch einen Einfluss aufs Spiel nehmen können, sobald er auf dem Feld steht.

Der 17-jährige Hlozek gilt als großes Talent, dem im Vorjahr 18 Torbeteiligungen in 39 Pflichtspielen für Prag gelangen. Auch RB Leipzig soll stark an ihm interessiert sein.

Noch ohne Profivertrag, aber bald auch festes Mitglied im Trainingsbetrieb bei Favre ist Youssoufa Moukoko. Im November wird er 16 Jahre alt und darf dann in der Bundesliga auflaufen. Trotz seiner 128 Tore in 84 Partien für Dortmunds U17 und U19 muss man Moukoko allerdings noch viel Zeit einräumen, um sich an die Anforderungen im Seniorenbereich zu gewöhnen.

Tätigt der BVB im Angriff tatsächlich keinen Transfer mehr, wäre Moukoko in vier Monaten der einzige gelernte Stürmer neben Haaland im Kader - dass dies die Lösung für den eingestandenen Fehler ist, verwundert sicherlich.

Bewegung in die Kaderplanungen könnte noch kommen, sollte mit Sancho der beste Scorer der vergangenen Spielzeit abgegeben werden. "Wenn Jadon geht, besteht Handlungsbedarf", bestätigt Zorc. Die Parameter für einen möglichen Wechsel sind auch in Corona-Zeiten unverändert: Dortmund möchte eine Ablösesumme von mindestens 100 Millionen Euro erlösen.

Das stark interessierte Manchester United müsste sich für die Champions League qualifizieren, um an eine solche Größenordnung denken zu können. Viel wird jedoch auch von Sancho selbst abhängen.

Der Engländer hat bislang kein Bekenntnis pro BVB abgegeben, zudem tauchten zuletzt Medienberichte auf, wonach er die Westfalen in diesem Sommer unbedingt verlassen möchte. Potential für eine Posse wie einst bei Ousmane Dembele oder Pierre-Emerick Aubameyang ist beim ebenfalls nicht einfach zu handhabenden Sancho wohl gegeben.

In diesem Fall würde sich zeigen, was Watzkes unmissverständliche Ansage vom Februar 2018 wirklich wert ist: "Der nächste Spieler, der versucht, uns unter Druck zu setzen, indem er Leistung zurückhält oder gar streikt, wird damit nicht durchkommen - und auf der Tribüne sitzen. Das ist eine öffentliche Aussage, an der ich mich messen lasse", sagte der BVB-Boss damals.

BVB-Talent Youssoufa Moukoko: Seine Leistungsdaten in Dortmund

MannschaftSpieleToreVorlagenMinuten
U175690164791
U192838102445