Der Name Milos Jojic ist außerhalb von Serbien bisher nur Wenigen ein Begriff. In seinem Heimatland ist Borussia Dortmunds Neuzugang von Partizan Belgrad dagegen ein gefeierter Derbyheld und wurde erst jüngst zum Spieler der Hinrunde in der Jelen SuperLiga gewählt. Dennoch bleibt der passionierte Bücherwurm erfrischend bescheiden.
Belgrad, 18. Mai 2013. Um ungefähr 21.15 Uhr legt sich ein 20 Minuten zuvor eingewechselter 21-Jähriger den Ball zum Freistoß zu Recht. Er nimmt Maß, läuft an, trifft - und macht sich damit bei den Fans von Partizan Belgrad nahezu unsterblich.
Es war die 90. Spielminute im 144. Derby der Erzrivalen Partizan und Roter Stern Belgrad. Milos Jojic übernahm Verantwortung und versenkte den Ball aus gut 20 Metern halblinker Position unter Mithilfe der Lattenunterkante zum 1:0 im Tor.
Am Spielstand änderte sich in der Folge nichts mehr. Mit dem Sieg über den Erzrivalen und ärgsten Verfolger wurde der Vorsprung zum zweiten Platz auf fünf Punkte ausgebaut und damit zwei Spieltage vor Schluss der Weg zur sechsten Meisterschaft in Folge geebnet. Für den jungen Jojic war es der erste Meistertitel seiner Karriere.
In der laufenden Saison befinden sich die Schwarzweißen als aktueller Tabellenführer erneut auf dem besten Weg zur Titelverteidigung. Großen Anteil daran hat Milos Jojic.
Der abschlussstarke Mittelfeldspieler absolvierte als einziger Partizan-Akteur alle 15 Hinrundenspiele, erzielte dabei sechs Treffer und bereitete sieben weitere vor. Damit war der 21-Jährige an fast der Hälfte aller Tore direkt beteiligt.
Ausgebildet in der Jugendakademie von Partizan, führte sein Weg ab 2012, nach zwei Jahren bei FK Teleoptik Zenum in der serbischen zweiten Liga, vom Talent zum Stammspieler und mittlerweile besten Akteur der Jelen SuperLiga.
Spieler der Hinrunde in Serbien
Im Dezember 2013, zwei Monate nach seinem Nationalmannschaftsdebüt, wurde Jojic offiziell zum Spieler der Hinrunde in Serbiens höchster Spielklasse gewählt. "Diese Anerkennung gehört nicht nur mir, sondern auch Partizan. Schließlich bin ich hier in der Jugendakademie ausgebildet worden", erklärte der Neu-Dortmunder anschließend.
Jojic gilt in Serbien als bescheidener Charakter mit kontrolliertem Temperament, dem übertriebene Extrovertiertheit zuwider ist. So passt es auch ins Bild, dass der 21-Jährige immer wieder Schnappschnüsse von Buchcovern als Leseempfehlung via Instagram veröffentlicht.
"Schneemann", ein Krimi des norwegischer Autors Jo Nesbo und Paulo Coelhos "Die Schriften von Accra" gehören dabei zu seinen aktuellen Favoriten. "Ich versuche zu lesen, wann immer ich Zeit habe. Ich lese lieber ein Buch als mir einen Film anzusehen", sagte Jojic erst kürzlich dem "Sportski Zurnal". Ein im digitalen Zeitalter immer seltener gewordener Zeitvertreib.
Wie er im Voraus bereits mit den Worten "Next Destination: Borussia Dortmund" via Facebook verkündete, geht es für den Serben jetzt in die Bundesliga und damit in eine andere Dimension der Fußballwelt.
Ob er aufgrund der Dreifachbelastung aus Meisterschaft, Pokal und Champions League in Dortmund noch viel zum Lesen kommen wird ist fraglich. Ebenso wie die Möglichkeit auf viele Einsatzzeiten.
Miki Stevic als Berater
Dass die Westfalen den Zuschlag für eines der größten serbischen Talente erhielten, dürfte zum Teil auch an dessen Berater liegen, denn Miroslav "Miki" Stevic ist vielen Fans wie Verantwortlichen noch immer in guter Erinnerung. Der 44-Jährige absolvierte von 1999 bis 2002 119 Spiele für die Borussia.
Im BVB-Mittelfeld einen Platz zu finden dürfte für seinen Schützling jedoch nicht leicht sein. Hilfreich ist dabei aber sicherlich die Flexibilität des gebürtigen Belgraders. Bei Partizan kam Jojic vorwiegen auf dem linken Flügel oder der Zehnerposition hinter den Spitzen zum Einsatz.
Der 21-Jährige selbst sieht sich hingegen eher als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive auf der Acht. "Ich bevorzuge es im zentralen Mittelfeld zu spielen. Dort kann ich aus dem Hintergrund auftauchen, um vor dem Tor für Gefahr zu sorgen", beschrieb er seine Stärken.
Lange Eingewöhnungszeit in einem neuen Team benötigt Jojic offenbar nicht. Wie auch später bei seinem Nationalmannschaftsdebüt gegen Japan, erzielte er schon in seinem allerersten Ligaspiel im September 2012 gegen Hajduk Kula keine 20 Minuten nach seiner Einwechslung sein erstes Tor.
Mit Landsmann Neven Subotic dürfte der Serbe in Dortmund ohnehin einen guten Ansprechpartner in puncto Integration vorfinden.
Ähnlichkeit zu Toni Kroos
Eine Sache wird er seinen neuen Mannschaftskameraden wohl dennoch erst erklären müssen. Dem 21-Jährigen werden große Sympathien für den Rivalen Bayern München nachgesagt. Im Speziellen Toni Kroos findet beim Serben offenbar große Bewunderung.
In der Tat ähnelt Jojic dem Münchener nicht nur aufgrund seiner bisherigen Rückennummer 39 im Verein und 18 bei der Nationalelf ein wenig. Seine technische Beschlagenheit und Abschlussstärke in Verbindung mit speziellen Bewegungsabläufen erinnert in einigen Situationen durchaus an Kroos.
Der größte Verbesserungsbedarf beim 1,77-Meter-Mann dürfte in Sachen Physis und Spritzigkeit bestehen. Angesichts der Entwicklung eines weitaus schmächtigeren Mario Götze unter Jürgen Klopp, dürfte die Sorge der BVB-Anhänger dahingehend aber entsprechend gering ausfallen.
Der beidfüßige Jojic sucht gerne, manchmal zu oft, das Dribbling, versteht es aber auch im richtigen Moment den Nebenmann einzusetzen. Als zentraler Mittelfeldspieler stößt er häufig in die Spitze nach oder weicht auf die Außenbahnen aus.
Auch Neapel, Stuttgart und Leverkusen interessiert
Kein Wunder also, dass ein paar Monate vor dem BVB offenbar bereits der SSC Neapel, der VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen Interesse am offensiven Mittelfeldspieler gezeigt haben sollen.
Damals war ein Abschied aus Belgrad, zumindest im Winter, für den Serben jedoch nicht wirklich ein Thema. Nur ein "unmoralisches Angebot" würde dies möglich machen hieß es.
Von der Bundesliga träumt der 21-Jährige aber offenbar schon länger. "Ich würde sogar nach Deutschland laufen, um dort zu spielen", witzelte Jojic noch vor ein paar Wochen, stellte aber direkt klar: "Okay, ich mache nur Spaß, darüber denke ich jetzt nicht nach."
Was damals noch Spaß war, ist mittlerweile Wirklichkeit geworden. Und so heißt es für den serbischen BVB-Neuzugang in naher Zukunft: "Nächster Halt: Signal-Iduna-Park".
Milos Jojic im Steckbrief