Nach seinem mit viel Getöse verbundenen Wechsel von Ajax Amsterdam zu Borussia Dortmund spielt Julian Rijkhoff mit 16 Jahren bereits für die U19 des BVB. Dort überzeugt der Stürmer mit einer hervorragenden Torquote. Rijkhoffs Trainer Mike Tullberg zeigt sich bei SPOX und GOAL beeindruckt.
Die sportliche Revanche gelang Ajax Amsterdam. Viermal maßen sich Mannschaften des niederländische Rekordmeisters in diesem Jahr mit Borussia Dortmund, jeweils zweimal in Champions und Youth League. Drei Siege und 9:6 Tore sprangen heraus und zumindest in der Königsklasse hat Ajax den BVB damit in Richtung vorzeitiges Aus befördert.
Bereits zu Beginn des Jahres kreuzten beide Klubs die Klingen, damals jedoch am Verhandlungstisch. Im Januar nämlich, an seinem 16. Geburtstag, wechselte mit Julian Rijkhoff eines der größten Ajax-Talente nach Westfalen. Der Stürmer, mit sieben Jahren 2012 vom Vorstadtklub FC Purmerend in die Amsterdamer Jugend gewechselt, durchlief dort alle Nachwuchsteams und genoss im Verein einen ausgezeichneten Ruf.
Kein Wunder also, dass sie bei Ajax sehr wütend waren, Rijkhoff nicht in den eigenen Reihen gehalten zu haben. Ihm lag zwar als Anschluss seines Fördervertrags ein Kontrakt für die Profiabteilung vor, doch von seinen Perspektiven war Rijkhoff ebenso wenig beeindruckt wie vom Transfer von Stürmer Sebastien Haller. Als Stillstand in den Gesprächen herrschte, funkte der BVB dazwischen - und sicherte sich Rijkhoffs Dienste für eine Ausbildungsentschädigung von geradezu läppischen 130.000 Euro.
Der Wechsel wurde in der Niederlande heftig diskutiert, Oranje-Legende Marco van Basten attestierte Rijkhoff ein "sehr schlechtes Management". Dessen Berater Dick van Burik, ehemaliger Bundesligaspieler bei Hertha BSC, ließ die Kritik kalt. Er stellte vielmehr heraus, wie Dortmund den Spieler überzeugt habe: "Wir waren in den Gesprächen sehr beeindruckt. Sie wussten alles über ihn, ihre Scouting-Abteilung hat einen sehr guten Job gemacht. Wie gut der BVB ihn schon kannte, wie er ihn weiterentwickeln möchte und wie überzeugt er von ihm ist - all das hat auf Julian und seine Eltern großen Eindruck gemacht", sagte van Burik der Bild.
BVB-Talent Julian Rijkhoff: 17 Tore in 20 Spielen
Für Rijkhoff, der vor allem nach einem Turnier mit der niederländischen U15 in Spanien zu Jahresbeginn 2020 in den Fokus vieler europäischer Top-Klubs rückte - dort gelangen ihm in drei Spielen sechs Tore -, kam der Trubel um seine Person unerwartet. "Es gab eine Menge Aufregung. Dass es sich so entwickelt hat, vor allem in den sozialen Medien, hat mich überrascht. Ich habe schnell viele Hassbotschaften erhalten", sagte er dem Magazin ELF Voetbal. "Von klein auf war ich es gewohnt, Kommentare zu meinem Aussehen zu bekommen. Vor allem, als ich noch lange Haare hatte. Ich habe es an mir vorbeigehen lassen. Genau wie das, was in den Medien geschrieben wurde. Die Menschen, die mir nahestehen und ich selbst wissen, warum ich mich für Borussia Dortmund entschieden habe."
In Dortmund zog Rijkhoff, der Erling Haaland und Robert Lewandowski als Vorbilder nennt, ins Jugendhaus auf dem Trainingsgelände im Stadtteil Brackel. Die Borussia plante, den 16-Jährigen in der U17 aufzubauen. Da dort jedoch aufgrund der Corona-Unterbrechung keine Spiele stattfanden, zog man Rijkhoff schnell in die U19 - wo ihm im März ein Bänderriss im Sprunggelenk drei Monate Pause bescherte.
Seit Sommer nun ist Rijkhoff fester Bestandteil der Dortmunder U19 unter Trainer Mike Tullberg. Der ist mit dem Anpassungsprozess und der bisherigen Entwicklung des Stürmers vollauf zufrieden. Dass die U19 Tabellenführer der Bundesliga West ist, als einziges deutsches Team die Gruppenphase der Youth League überstanden hat, ins Halbfinale des DFB-Pokals einzog und - dank zweier Rijkhoff-Tore - mit einem 2:0-Sieg über Schalke 04 den A-Junioren Ligapokal West gewann, hängt auch mit den Leistungen des Niederländers zusammen. Derzeit steht er bei 17 Toren und fünf Vorlagen in 20 Pflichtspielen dieser Saison.
Rijkhoff-Trainer Tullberg: "Selbst im Profibereich sehr selten"
"Was bei ihm ziemlich beeindruckend ist: Er reagiert sehr schnell auf körperliche Reize und hat physisch brutal zugelegt", sagt Tullberg im Gespräch mit SPOX und GOAL. "In unserem letzten Spiel ist er fast zwölf Kilometer gelaufen. Das sieht man bei einem Stürmer selbst im Profibereich sehr selten. Darunter sind auch immer wieder 300, 400 Sprint-Meter. Diese Zahlen gehören bei uns mit zum Besten und man sieht daran nicht, dass er eigentlich noch U17-Spieler ist."
Wer Rijkhoff spielen sieht, für den ist es offensichtlich, dass der Angreifer über ausgezeichnete Anlagen verfügt und dennoch eine Art Instinktfußballer ist. Er ist enorm abschlussstark, bringt ein gutes Tempo mit und lässt sich auch immer wieder in die Halbräume fallen, um am Kombinationsspiel teilzunehmen.
Den Übergang von Ajax zum BVB hat Rijkhoff aber auch trotz der starken Torquote nicht ohne Probleme bewältigt. Dazu unterscheidet sich der intensive und vergleichsweise harte deutsche Nachwuchsfußball zu sehr vom niederländischen, der seit jeher mehr Wert auf Technik und taktische Aspekte legt.
imago imagesBVB-Talent Rijkhoff erzielt Fünferpack gegen Düsseldorf
"Insgesamt gesehen hatte er ein paar normale Hochs und Tiefs, er musste erst einmal damit klarkommen, dass er hier auch Widerstände zu überwinden hat", sagt Tullberg. "Bei uns saß er auch ein paar Mal auf der Bank oder wurde zur Pause ausgewechselt, was er in seinem bisherigen Fußballerleben so noch nicht erlebt hatte. Dazu musste er sich der Intensität anpassen, die wir im Training und Spiel gehen. Diesen Prozess hat er aber sehr gut angenommen."
Dies lässt sich auch an Rijkhoffs Torquote in den letzten Spielen vor Jahresende ablesen, als er nach dem Doppelpack im Derby-Pokalendspiel fünf Treffer beim 9:1-Sieg gegen Düsseldorf beisteuerte und zweifach beim 6:2 gegen Besiktas in der Youth League traf. Dieser Serie ging laut Tullberg ein längeres Gespräch zwischen Trainer und Spieler voraus, da Rijkhoff zuvor eine kleine Durststrecke durchmachte, die auch in der niederländischen U17-Nationalelf anhielt.
"Ich sagte zu ihm: Du kommst zu deinen Chancen, jetzt musst du sie nur noch reinmachen", erzählt Tullberg. "Er guckte mich ganz ruhig an und sagte - wohlgemerkt mit 16 Jahren: 'Keine Sorge, Coach! Tore sind meine Spezialität'. Das fand ich sehr beeindruckend. In den nächsten drei Spielen hat er dann diese neun Buden gemacht. Seine größte Waffe ist das Toreschießen, so simpel das auch klingen mag."
Rijkhoff: Tullberg zieht "sehr positives Fazit"
Rijkhoffs Richtung stimmt also, wird jedoch nichts wert sein, wenn er künftig nicht die physischen wie fußballerischen Schritte zu gehen imstande ist, die es benötigt, um sich dem Erwachsenenfußball weiter zu nähern. Tullberg fordert noch mehr Intensität und Aktivität von Rijkhoff - besonders dann, wenn der Gegner den Ball hat.
Es sind somit noch einige Zwischenschritte für den Niederländer zu gehen, eine Perspektive in Richtung Profis wie der nur unwesentlich ältere Youssoufa Moukoko besitzt Rijkhoff derzeit nicht. Um sich die zu erarbeiten, sucht Rijkhoff immer wieder das Gespräch mit Tullberg und holt sich Rückmeldungen wie Ratschläge.
Und davon hat Tullberg noch einige: "Er ist im Kopf bereits handlungsschnell, aber muss auf den ersten zehn bis 15 Metern ein bisschen schneller werden. Dazu muss er insgesamt robuster werden, was zum Beispiel die Ballbehauptung mit dem Rücken zum Tor angeht. Wenn der Gegner etwas körperbetonter spielt, merkt man schon, dass er nicht immer in der Lage ist, dagegen halten zu können. Das kommt aber langsam. Er ist ja noch jung, dafür sehr lernwillig. Ich ziehe für den Moment ein sehr positives Fazit."
BVB-Talent Julian Rijkhoff: Steckbrief und Leistungsdaten
Geburtsdatum (Alter) | 25.1.2005 (16) |
Nationalität | Niederlande |
Größe | 1,83 Meter |
Position | Sturm |
U17-Spiele/Tore (für Ajax) | 8/10 |
U19-Spiele/Tore (für BVB) | 20/17 |
Ehemalige Vereine | FC Purmerend, Ajax Amsterdam |