BVB-Sieg gegen Werder Bremen: 4 Erkenntnisse zum Debüt von Trainer Edin Terzic

Stefan Petri
16. Dezember 202008:27
Marco Reus erzielte den Siegtreffer gegen Werder Bremen.imago images / Team 2
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Borussia Dortmund gewinnt Spiel eins nach der Ära Lucien Favre knapp, aber verdient bei Werder Bremen. Was lässt sich anschließend über den neuen Cheftrainer Edin Terzic sagen? Und wie schlugen sich Kapitän Marco Reus und Jungstar Youssoufa Moukoko? Die Erkenntnisse zur Partie (hier gibt es die Highlights im Video).

Nach nur einem Punkt aus den letzten drei Ligaspielen, darunter das desaströse 1:5 daheim gegen Stuttgart, hat der BVB den freien Fall in der Tabelle erst einmal gestoppt, auch wenn es dafür der gütigen Mithilfe von Werder-Keeper Jiri Pavlenka bedurfte. Euphorie dürfte das Spiel beim Anhang der Schwarz-Gelben nicht entfacht haben - aber zumindest ein klitzekleines bisschen Aufbruchsstimmung?

Schließlich stand die Abwehr größtenteils sicher und bei besserer Chancenverwertung wäre auch der eine oder andere Treffer mehr drin gewesen. Und der neue Mann an der Seitenlinie hat seine erste Bewährungsprobe bestanden.

Vier Erkenntnisse zum BVB-Sieg in Bremen:

1. Terzic ändert das BVB-Spiel - aber es ist keine Revolution

Mit Spannung wurde darauf gewartet, in welcher Formation Terzic seine Dortmunder aufs Feld schicken würde. Erste Erkenntnis: Der 38-Jährige setzt wieder auf eine Viererkette. Hummels und Akanji zentral, rechts in der Kette Morey, links Guerreiro. Davor spielte Witsel als einziger Sechser - das schuf Raum für Offensivspieler. Etwa Kapitän Reus, der überraschend neben Jude Bellingham als nomineller zweiter Achter aufgeboten wurde, auch wenn er seine Rolle faktisch deutlich offensiver interpretierte (siehe 3.).

So stärkte Terzic das zentrale Mittelfeld und erlaubte es den offensiven Flügeln Sancho und Reyna, das Spiel gemeinsam mit den Außenverteidigern auch wirklich breit zu machen. Die beiden Flügel rochierten viel, und gerade zu Beginn war zu beobachten, dass Steilpässe über außen in ihre Richtung zum BVB-Plan gehörten. Daraus resultierte die eine oder andere gute Gelegenheit, auch wenn Stürmer Moukoko diese noch nicht in Tore ummünzte.

Damit zum Angreifer: Auch ohne den verletzten Erling Haaland ließ Terzic mit einer "echten" Spitze spielen, und nicht etwa mit Verlegenheitslösungen, wie sie Favre in Frankfurt (Julian Brandt) oder gegen den VfB (Reus) ausprobierte. Das bedeutete, dass Moukoko mit 16 Jahren und 25 Tagen zum jüngsten Startelf-Spieler der Liga-Historie wurde. Warum? "Nicht weil er 16 ist, sondern weil er richtig gut ist", betonte Terzic vor Anpfiff bei Sky.

Dass Terzic sich dazu entschied, den Teenager ins kalte Wasser zu werfen, dürfte neben seinem Vertrauen in Moukokos Fähigkeiten auch noch andere Gründe haben. Zum einen: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Warum nicht etwas riskieren, im allerersten Spiel als Cheftrainer. Er hatte wenig zu verlieren - aber viel zu gewinnen. Ein Treffer Moukokos hätte die Stimmung in Dortmund schlagartig verändert und dabei geholfen, nach Favres Entlassung ein neues Kapitel der Vereinsgeschichte zu beginnen.

Und zum anderen ergibt es, sollte sich Terzic tatsächlich langfristig für diese Aufstellungsvariante entschieden haben, durchaus Sinn, mit einem waschechten Stürmer aufzulaufen und keiner falschen Neun oder einer anderen Notlösung. Schließlich muss sich das Team in dieser Formation erst noch finden und die Abläufe verinnerlichen, wie Reus nach Abpfiff bei Sky zugab. "Es war wichtig, dass wir jemanden haben, der den Gegner permanent beschäftigt, erklärte Terzic selbst.

So sollte es leichter fallen, Haaland nach seiner Rückkehr, am besten schon in zweieinhalb Wochen am 3. Januar gegen den VfL Wolfsburg, in ein funktionierendes Gebilde zu integrieren, ohne den "Game Plan" ein weiteres Mal umstellen zu müssen.

Andererseits: Eine Revolution hatte Terzic bei seinem ersten Spiel als Verantwortlicher an der Seitenlinie natürlich auch nicht angezettelt. Das sieht man auch daran, dass es lediglich einen Wechsel in der Startelf gab: Moukoko spielte für Emre Can.

2. Terzics Interviews machen es dem BVB leichter

Was wurde nicht alles geschrieben über den Taktiker Favre, der seine Spieler emotional nicht mitreißen konnte. Wie gut Terzic das langfristig gelingt, müssen die kommenden Monate zeigen - ein Feuerwerk der Gefühle war das BVB-Spiel nur zweieinhalb Tage nach seinem Amtsantritt noch nicht, wie alle Beteiligten freimütig zugaben.

Den Typus Jürgen Klopp, dem man an in Dortmund immer noch nachweint, mit theatralischen Ausbrüchen an der Seitenlinie und stürmischen Umarmungen in alle Richtungen, scheint Terzic ebenfalls nicht verkörpern zu wollen, vielmehr wirkte er am Dienstagabend an der Seitenlinie und nach Spielende engagiert, aber gleichzeitig kontrolliert, darum bemüht, Selbstsicherheit auszustrahlen.

Deutlich leichter als Favre sollte Terzic aber auf jeden Fall der Umgang mit den Medien fallen - und auf diesem Weg auch die Kommunikation mit den Fans. Wo der Schweizer notorisch wortkarg auftrat und auch nach neun Jahren in der Bundesliga immer noch Schwierigkeiten damit hatte, die Sprachbarriere zu überwinden, wenn es darum ging, in Interviews Sachverhalte oder taktische Ideen zu diskutieren, präsentierte sich Terzic am Sky-Mikrofon sehr souverän. Er lobte das Auftreten seiner Mannschaft überschwänglich, sprach aber im gleichen Atemzug konkrete Probleme an ("Manchmal laufen wir uns gegenseitig die Räume zu") und parierte auch Fragen wie "Ist Marco Reus Ihr wichtigster Spieler?" problemlos.

Nun ist das zugegebenermaßen nach einem Sieg deutlich leichter als etwa nach einer 1:5-Klatsche, erst recht dann, wenn man wie Terzic komplett unbelastet daherkommt. Seine wirklichen Prüfungen in dieser Hinsicht kommen erst noch. Aber wo sich bei Favre durch das manchmal holprige Deutsch der Eindruck einer Hilflosigkeit oft noch verstärkte, wenn er etwa bei der Frage nach den Gründen für ein schlechtes Spiel an seine Grenzen stieß, dürfte es Terzic deutlich leichter fallen, unliebsame Fragen zu kontern und wegzumoderieren - und vielleicht sogar die eine oder andere versteckte Botschaft zu senden. So musste sich Sportdirektor Michael Zorc bei Pressekonferenzen immer wieder neben Favre platzieren, wenn es darum ging, klare Ansagen zu machen oder Gerüchten einen Riegel vorzuschieben. Diese Zeiten könnten erst einmal vorbei sein.

Und natürlich fallen ihm auch die Ansprachen ans Team deutlich leichter als Favre. Für diese war er zuletzt ohnehin schon immer öfter zuständig.

3. BVB: Marco Reus gibt den Achter - oder doch nicht?

Warum Terzic seinen Kapitän, der in den vergangenen Wochen immer wieder hatte Kritik einstecken müssen, gegen Bremen als zweiten Achter neben Bellingham spielen ließ, erklärte er später wie folgt: "Marco haben wir auf diese Position gestellt, damit wir die Wege für uns so klein wie möglich halten. Damit wir, wenn wir den Ball in den Zonen erobern, wo wir ihn erobern wollen, der Weg zum Tor kurz bleibt." Reus habe seine Rolle in der Balleroberung und im Pressing "von Anfang bis Ende vorgelebt".

Ein erstes Beispiel für Erklärungen, die von Favre so nicht zu erwarten waren - was nicht heißt, dass sich auf der Pressekonferenz keine Nachfrage angeboten hätte: Warum bleibt der Weg zum Tor kurz, wenn Reus etwas weiter zurückgezogen spielt als sonst üblich? Ein Blick auf die opta-Daten zeigt: Reus gewann nur zwei von neun Zweikämpfen und eroberte lediglich viermal den Ball. Zumindest auf diesem Wege lässt sich Reus als Vorreiter in puncto Gegenpressung nicht belegen.

Das heißt jedoch nicht, dass sein Einfluss auf das Spiel nicht enorm gewesen wäre. Im Offensivspiel verbuchte er jeweils die meisten Torschüsse (4) und Torschussvorlagen (4), er war an fast allen gefährlichen Aktionen beteiligt. So schickte er Giovanni Reyna mit einem gedankenschnellen Steilpass in der Anfangsphase auf die Reise, dessen Querpass verfehlte Moukoko nur knapp. Reus schlug den Freistoß bei Akanjis Großchance, flankte in Halbzeit zwei erneut flach auf Moukoko und hätte in der Nachspielzeit fast ein weiteres Tor bzw. einen Assist verbucht.

Der opta-Aktionsradius weist ihn dementsprechend auch als deutlich offensiver als Jude Bellingham aus: Im Schnitt war Reus fast genauso weit vorn zu finden wie Sancho, und damit sogar offensiver als Reyna. Von einem wirklichen Achter kann man in dieser Hinsicht also nicht sprechen.

Alles klappte beim Kapitän an diesem Abend aber längst nicht. Beim Gegentreffer etwa lief Reus sehr zögerlich zurück und ließ Torschütze Kevin Möhwald vor dem eigenen Strafraum unbehelligt passieren. Als der dann von Maximilian Eggestein bedient wurde, erkannte Reus seinen Fehler, aber da war es schon zu spät. Auch beim Elfmeter hatte er richtigen Dusel, dass ihm die Parade genau vor die Füße fiel, was womöglich seinen zunächst sehr zögerlichen Jubel erklärt. "Mein Elfmeter war schlecht geschossen", gab er anschließend zu.

SPOXimago images / Revierfoto

4. BVB: Youssoufa Moukoko ist noch kein Erling Haaland

Wie hart darf man mit einem 16-Jährigen bei seinem ersten Liga-Einsatz von Beginn an ins Gericht gehen? Terzic zumindest schmunzelte etwas, als er Moukoko nach dem Spiel "natürlich auch noch ein bisschen Luft nach oben" bescheinigte, was ja in diesem Alter durchaus nachzuvollziehen sei. Ein "Riesenkompliment" hatte er für seinen Youngster ob dessen Dienst für die Mannschaft dennoch im Gepäck und wies darauf hin, dass der BVB seine "offensive Stärke nicht komplett in die Hände eines 16-Jährigen legen" könne.

Denn dafür sind diese Hände noch nicht groß genug. Auf einen Torschuss kam Moukoko, bei 19 Ballkontakten in 80 Spielminuten. Er gewann nur jeden dritten Zweikampf und machte gegen Ömer Toprak und die Bremer Abwehr kaum einen Stich. Was nicht heißt, dass er nicht dennoch eine wertvolle Rolle für das Team spielte, denn immerhin beschäftigte er die Werder-Dreierkette. Und war gleich mehrfach nicht weit entfernt von einem vielversprechenden Abschluss.

Am besten lässt sich sein Abend wohl mit "bemüht, aber glücklos" beschreiben. Und: Er ist eben auch erst 16 und körperlich gegen gestandene Abwehrspieler chancenlos. Es war sicherlich kein Zufall, dass der BVB im ganzen Spiel nur fünf Flanken aus dem Spiel heraus schlug.

Was den BVB-Fans zusätzlich Mut machen sollte: Bekommt ein Erling Haaland die gleichen Chancen wie Moukoko an diesem Abend, ist ein Treffer locker drin, vielleicht auch mehr. Und so weit ist es bis zu dessen Rückkehr schließlich nicht mehr hin.

BVB-Spielplan bis zur Winterpause

DatumUhrzeitHeimAuswärtsWettbewerb
18.12.202020.30 UhrUnion BerlinBorussia DortmundBundesliga
22.12.202020 UhrEintracht BraunschweigBorussia DortmundDFB-Pokal