BVB-U19-Coach Mike Tullberg im Interview: "Die Bühne ist groß - aber sie bleibt unser Spielplatz!"

Johannes Ohr
16. März 202211:49
Mike Tullberg will mit der U19 des BVB ins Youth-League-Halbfinale.imago images
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Als jüngste Mannschaft im Wettbewerb hat es die U19 vom BVB ins Viertelfinale der Youth League geschafft - zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Vor dem Spiel gegen Atletico Madrid (16.30 Uhr im LIVETICKER) spricht Trainer Mike Tullberg über die Chancen aufs Weiterkommen, über das Erfolgsgeheimnis seiner Mannschaft und über seine eigene Zukunft.

Tullberg erklärt außerdem, was er Toptalent Jamie Bynoe-Gittens zutraut und worauf sich sein Team gegen Atletico einstellen muss.

Herr Tullberg, wie groß ist die Vorfreude?

Mike Tullberg: Die Vorfreude ist natürlich groß. Wir haben in allen Wettbewerben gute Spiele abgeliefert und sind überall noch dabei. In der Meisterschaft haben wir sieben Punkte Vorsprung auf Platz zwei, im DFB-Pokal sind wir zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte im Finale und in der Youth League sind wir jetzt so weit gekommen wie noch nie. Wir stehen als jüngste Mannschaft im Viertelfinale. Die Jungs haben sich das Spiel verdient. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir sehr viele Dortmunder Jungs in der Mannschaft haben, die seit der U9 bei uns sind. Das kann den Jungs keiner mehr wegnehmen. Davon können wir uns jedoch nichts kaufen. Wir gehen als Underdog in das Spiel, wollen aber natürlich gewinnen.

Die Partie findet im Signal Iduna Park statt. Bis zu 25.000 Zuschauer sind zugelassen, der Eintritt ist frei. Was bedeutet es den Spielern, vor dieser Kulisse spielen zu dürfen?

Tullberg: Dabei geht es um genau das, was ich der Mannschaft seit Sommer sage. Sie sind alle mal als kleine Jungs mit einem Ball auf den Spielplatz gegangen. Irgendwann wurde der Spielplatz gegen einen Rasenplatz ausgetauscht. Man hofft, dass der Spielplatz und damit die Bühne immer größer wird. Das haben wir durch unsere Erfolge geschafft. Für uns heißt das: Auch wenn die Bühne groß ist, bleibt es unser Spielplatz. Wir wollen das abrufen, was wir können und Spaß haben. Die Vorfreude auf das Stadion und die Unterstützung der Fans ist definitiv größer als die Aufregung.

Das Spiel beginnt um 16.30 Uhr, die Profis spielen nur wenige Stunden später in Mainz. Ärgert Sie diese Konstellation?

Tullberg: Ich bin nicht Terminplaner bei der DFL. Aber natürlich wäre es besser gewesen, wenn die Konstellation eine andere gewesen wäre. Es ist, wie es ist. Wenn unsere Partie beendet ist, drücke ich Marco Rose und den Jungs die Daumen. Wir sind alle dafür da, dass die Profis Erfolg haben.

Tullberg: "Wir sind eine echte Mannschaft"

Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte steht eine U19 von Borussia Dortmund im Viertelfinale der UEFA Youth League- und das als jüngstes Team im Wettbewerb. Was zeichnet Ihre Mannschaft aus?

Tullberg: Genau dieses Wort: Wir sind eine echte Mannschaft. Darauf haben wir im Sommer total viel Wert gelegt. Wir haben von Beginn an alle Spieler eingesetzt, haben es geschafft, ein Team zu formen. Nur ein Beispiel: Im NRW-Pokal haben wir beim Final-Sieg gegen Schalke sieben Spieler eingesetzt, die nicht immer gesetzt waren. Wir sind in der Breite gut besetzt. Jeder hat seine Rolle, jeder weiß um seine Verantwortung. Wir schaffen es immer wieder, die Spiele durch Einwechslungen zu verändern. Wir versuchen vorzuleben, dass man dem anderen auch etwas gönnen muss. Das ist der Schlüssel für uns.

Auf was müssen sich Ihre Spieler gegen Atletico Madrid einstellen?

Tullberg: Sie sind mit den Profis zu vergleichen. Sie sind gegen den Ball sehr, sehr diszipliniert. Ich habe selten eine Jugendmannschaft gesehen, die defensiv so gut umschaltet. Sie sprinten teilweise mit zehn Spielern dem Ball hinterher, lassen kaum Räume. Wenn man gegen sie zurückliegt, wird es echt schwierig. Wenn man aber in Führung geht, müssen sie ihre Struktur ein bisschen aufbrechen. Und dann haben sie Einzelspieler, die teilweise schon herausragend sind. Ibra Camara könnte eigentlich auch bei den Profis Champions League spielen. Auch Javi Serrano oder Carlos Martin vorne im Sturm sind top Kicker. Wie wir ist auch Atletico eine echte Mannschaft, das macht uns beide stark.

Wie schätzen Sie die Chancen aufs Weiterkommen ein?

Tullberg: Unser Plan muss aufgehen und die Jungs müssen einen guten Tag erwischen. Es wird auf die Tagesform ankommen. Wir nehmen durch unsere Ergebnisse und Leistungen in den vergangenen Monaten schon viel Selbstvertrauen mit in das Spiel. Aber international ist das natürlich immer etwas anderes. Genau das wollen wir aber haben, das fordert und formt die Jungs, ist wahnsinnig wichtig für die Ausbildung. Wir brauchen uns auf keinen Fall verstecken. Wir wollen jedes Spiel gewinnen - egal gegen wen.

Sie stehen mit der jüngsten Mannschaft des Wettbewerbs im Viertelfinale der Youth League. Der größter Erfolg Ihrer Trainerkarriere?

Tullberg: Das ist schwierig. Als ich in Oberhausen angefangen habe, hatte ich noch eine ganz andere Rolle. Da war ich nicht nur Trainer, da habe ich auch den Kader zusammengestellt und habe Spieler verpflichtet. Wir sind damals aus der Niederrheinliga aufgestiegen, haben anschließend den Klassenerhalt geschafft. Das kann man nicht vergleichen. Eines ist aber ähnlich...

Erzählen Sie.

Tullberg: Damals wie heute haben wir es im Trainerteam geschafft, eine Einheit zu formen. Klar, jetzt trainiere ich Spieler auf einem anderen Niveau. Trotzdem wären wir nicht so weit gekommen, wenn der Zusammenhalt nicht so gut wäre. Es ist bei uns keine One-Man-Show. Ich habe eine Truppe um mich herum, die brutal ehrgeizig ist, die ohne Ende Stunden im Büro verbringt und auch noch zusätzliche Einheiten mit den Jungs macht. Ohne andere schlecht reden zu wollen: Mit so einem Trainerteam, das so ehrgeizig ist, so viel Zeit in die Entwicklung der Jungs investiert, habe ich noch nie zusammengearbeitet. Ohne mein Trainerteam wäre der aktuelle Erfolg nicht möglich.

Bevor Sie die U19 übernommen haben, waren Sie für die U23 verantwortlich. Welcher Altersbereich liegt ihnen besser?

Tullberg: Ich bin den Verantwortlichen zunächst mal sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit damals bekommen habe. Ich hatte damals die jüngste U23-Mannschaft aller Zeiten. Mir war bewusst, dass das schwierig werden wird. Wir haben teilweise top Spiele abgeliefert, hatten aber nicht die Reife, die die Aufstiegsmannschaft im Jahr darauf hatte. Trotzdem haben wir es geschafft, unter anderem einen Chris Führich auszubilden, der jetzt beim VfB Stuttgart in der Bundesliga spielt. Die U23 ist natürlich näher am Herrenfußball. Das hat mir schon Spaß gemacht, ich war ja im Jahr davor auch Co-Trainer in der 1. Liga in Dänemark.

Tullberg über seine Zukunft beim BVB

Trotzdem kam der Wechsel zur U19.

Tullberg: Die Möglichkeit bei der U19 wollte ich mir nicht nehmen lassen. Du darfst die besten Spieler trainieren. Das hast du so in der U23 nicht, weil die Toptalente diese Altersklasse schon oft überspringen. Ich wollte die Erfahrung sammeln, wie es ist, englische Wochen zu haben, den Rhythmus kennenzulernen. Ich bin sehr, sehr glücklich damit, wo ich aktuell bin. Ich spüre das Vertrauen und die Wertschätzung des Vereins, deshalb habe ich meinen Vertrag auch verlängert.

Mike Tullberg will mit der U19 des BVB ins Youth-League-Halbfinale.imago images

Welches Karriere-Ziel haben Sie als Trainer?

Tullberg: Ich beschäftige mich nicht damit, was in der Zukunft passiert. Das lebe ich den Jungs auch immer wieder vor. Sonst verliert man ein paar Prozent im Tagesgeschäft. Ich will jeden Tag das Meiste aus mir herausholen - für die Spieler und für mich. Ich habe keine Liste mit Zielen, die ich abarbeiten will. Ganz im Gegenteil: Ich arbeite bei Borussia Dortmund, einem der größten Vereine der Welt. Ich bin mit der Überzeugung gekommen, hier langfristig zu arbeiten. Ich hoffe, dass wir gemeinsam weiterhin viel Spaß haben werden und wir unseren Weg fortsetzen können. Ich habe nichts anderes im Kopf und kann mir sehr gut vorstellen, noch sehr, sehr lange hier zu arbeiten.

Jamie Bynoe-Gittens trainiert ab Sommer bei den Profis. Trauen Sie ihm den Sprung schon zu?

Tullberg: Als er zu uns wechselte, kam er aus dem Lockdown aus England, war deshalb nicht richtig fit. Dann hat er sich früh verletzt, hatte fast vier Jahre kein Spiel über die komplette Distanz absolviert. Er hat brutal viel Zeit verloren. Er ist aber so talentiert, dass man ihm das kaum anmerkt. Es geht jetzt nur um seine Fitness. Unser Ziel ist es, ihn so aufzubauen, dass er die Profis im Sommer möglichst gut unterstützen kann. Darauf lege ich meinen Fokus. Er hat eine brutale Qualität im Eins-gegen-Eins. In der Defensive muss er seine Arbeit gegen den Ball noch ein bisschen verbessern. Den Willen, nach hinten zu arbeiten, hat er aber. Wenn er fit bleibt, bin ich davon überzeugt, dass er den Profis helfen kann.

In der Youth League schoss er in vier Spielen sechs Tore...

Tullberg: Ohne diese einzelnen, herausragenden Spieler, wie jetzt Jamie, oder früher Jadon Sancho und Giovanni Reyna, die wir über das Toptalente-Scouting holen, haben wir international keine Chance. Denn die Gegner haben teilweise eine Vielzahl davon. Umso bemerkenswerter ist es, dass wir mit so vielen eigenen Jungs so weit gekommen sind.