Kein italienischer Fußballklub hat reichere Eigentümer als Como 1907: Die Hartono-Brüder aus Indonesien ließen sich am malerischen See zwar noch nicht blicken, verantworteten aber einen beachtlichen Sturm durch die Ligen und eine Zusammenarbeit mit Thierry Henry und Cesc Fabregas.
Es fängt ja schon mit den Namen dieser kleinen Örtchen an: Bellagio, Varenna, Menaggio, Bellano. Geht es überhaupt melodischer? Text-Bild-Schere gibt es keine: So malerisch sich die Örtchen anhören, so malerisch sehen sie auch aus. Vorne der tiefblaue See, dahinter die spitzen Kirchtürme und die Palmen, dann die steilen, grünen Hänge. Wohl nirgendwo gibt es eine intensivere Melange aus Norden und Süden, aus alpinen Bergen und mediterranem Flair als am italienischen Comer See.
Kein Wunder, dass er die Schönen und Reichen und Mächtigen dieses Planeten seit jeher magisch anzieht. Schon zu Zeiten des antiken Roms ließen sich an den Ufern Aristokraten nieder. Später schrieb hier der ehemalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer seine Memoiren, heute kommt Schauspieler George Clooney zum Urlauben in seine Ferienvilla. Die Stadt Bellagio am Scheitelpunkt des dreiarmigen Sees diente dem gleichnamigen Hotel in Las Vegas als Inspirationsquelle, das Umland Filmen wie Star Wars: Episode II, James Bond: Casino Royale oder Ocean's 12 als Kulisse.
Fehlte eigentlich nur noch eine schicke Fußball-Niederlassung mit so richtig betuchten Investoren. 2019 nahmen sich die Brüder Robert Budi (81) und Michael Bambang Hartono (82) aus Indonesien der Sache an und machten den ortsansässigen Traditions-, Chaos- und Pleite-Klub Como 1907 vom Südwestzipfel des Sees kurzerhand zum reichsten des Landes.
Im Forbes-Ranking der wohlhabendsten Menschen der Welt rangieren die beiden Tabak-Tycoons mit Vermögen von 22,8 respektive 22 Milliarden Euro aktuell auf den Plätzen 64 und 69. In Indonesien übertrifft sie selbstverständlich niemand, auch nicht der ehemalige Besitzer von Inter Mailand Erick Thohir. Derzeit als Minister für Staatsbetriebe tätig, kommt er nur auf rund 500 Millionen Euro.
Twitter: @Como_1907Como 1907: Keine Titel und drei Pleiten
International fand die Übernahme durch die Hartonos vor dreieinhalb Jahren kaum Beachtung, genauso wenig wie der darauffolgende Sturm von der viertklassigen Serie D in die Serie B. Schlagzeilen machte das Projekt erstmals in diesem Sommer - und zwar dank zwei sensationellen Neuzugängen: Die ehemaligen Weltklassespieler Thierry Henry und Cesc Fàbregas verkündeten ihren Einstieg als Investoren, der mittlerweile 35-jährige Fàbregas will sogar auch noch auf dem Platz mithelfen. Trainiert wird er nun von Giacomo Gattuso, dem Cousin des langjährigen italienischen Nationalspielers Gennaro.
Como 1907 erlebt aktuell die womöglich vielversprechendsten Zeiten seiner Geschichte. Lange pendelte der Klub zwischen den drei obersten Ligen, ehe er hauptsächlich ums Überleben kämpfte. Der Zwischenstand beim Verhältnis Titel zu Pleiten lautet aktuell 0:3.
Der erste Konkurs erfolgte nach dem letztmaligen Serie-A-Abstieg 2004. Infolge der zweiten Pleite 2016 wurde Como versteigert. Das Höchstgebot lag bei 237.000 Euro und stammte von Akosua Puni Essien, der Ehefrau des ghanaischen Nationalspielers Michael Essien. Geld für die laufenden Kosten (oder Interesse, dieses aufzubringen) war anschließend aber keines mehr da: Mitarbeiter bekamen kein Gehalt und angeblich konnte nicht einmal mehr die Autobahnmaut für den Mannschaftsbus bezahlt werden. Die Konsequenzen waren der dritte Konkurs und der Absturz in den Amateurfußball.
gettyWie die Hartono-Brüder zu ihrem Reichtum kamen
2019 folgte schließlich die Rettung durch die Hartono Brüder, die den Klub über ihre Holding SENT Entertainment Ltd. für kolportierte knapp 350.000 Euro übernahmen. "Sie sind wie Erlöser aufgetreten. Die Fans waren sehr froh über ihren Einstieg", sagt Marco Iaria zu SPOX und GOAL. Der Journalist berichtet für die Gazzetta dello Sport über Como.
Reich wurden die Hartonos mit dem Familienunternehmen PT Djarum. Einem Tabakkonzern, der auf die Herstellung von Nelkenzigaretten spezialisiert ist. Mittlerweile verdienen die beiden geschäftstüchtigen Brüder aber überall mit, wo es was zu verdienen gibt: Sie kontrollieren die größte Privatbank Indonesiens BCA, machen aber auch in Immobilien, Reiseanbietern, Supermärkten, Elektronik-, Kaffee- sowie Molkereiprodukten und Fernsehrechten.
Ihre Streaming-Plattform Mola TV hält in Indonesien unter anderem die Rechte an der Bundesliga, dem DFB-Pokal und selbstverständlich auch an der Serie B. Da trifft es sich natürlich gut, dass der Sender mit dem blauen Mondfisch als Logo direkt auf den Trikots des dort kickenden Como beworben werden kann.
Aber warum eigentlich ausgerechnet Como? Dem Vernehmen nach peilten die Hartonos zunächst die Übernahme eines englischen Klubs an. Auf der Insel sind sie nämlich durchaus verankert, was sich auch durch den Sitz ihrer Firma SENT Entertainment Ltd. in London manifestiert. Fündig wurden sie in England aber nicht, also wählten sie den prestigeträchtigen Standort am Comer See.
Dennis Wise: Der Entscheidungsträger vor Ort
Malerisch direkt am Wasser liegt hier übrigens auch das Stadio Giuseppe Sinigaglia mit seinen knapp 14.000 Plätzen. Sorgt das Geschehen auf dem Rasen nicht für die erwünschte Unterhaltung, kann der gelangweilte Zuschauer seine Blicke hinter den Tribünen über den kleinen Hafen mit seinen weißen Schiffchen, den See und die umliegenden Berge schweifen lassen. Wer Glück hat, sieht sogar Paragleiter oder Wasserflugzeuge.
Die indonesischen Eigentümer haben auf diesen Luxus bisher aber offenbar verzichtet. "Soweit ich weiß, waren sie noch nie in Como. Sie sind die Art Eigentümer, die alle Aufgaben delegieren", sagt Iaria. Mit ihren verschiedenen Unternehmungen haben sie selbstverständlich viel zu tun - und Michael Bambang muss auch noch seine Bridge-Karriere vorantreiben. Bei den Asienspielen 2018 holte er mit der indonesischen Auswahl im Alter von 78 Jahren immerhin eine Bronzemedaille.
Der wichtigste Entscheidungsträger vor Ort ist Sportvorstand Dennis Wise, als Spieler einst Teil von Wimbledons Crazy Gang, später Kapitän des FC Chelsea und immer Typ Krawallmacher. "Er würde sogar in einem leeren Raum einen Streit anzetteln", unterstellte ihm mal Trainerlegende Sir Alex Ferguson. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete Wise in verschiedenen Rollen für englische Klubs und trainierte unter anderem Leeds United, ehe er 2019 im Zuge der Hartono-Übernahme nach Como kam.
imago imagesThierry Henry und Cesc Fabregas bei Como 1907
Ihre guten Beziehungen nach London ließen die Brüder wohl auch bei den Engagements der Arsenal-Legenden Henry und Fàbregas spielen - wobei deren exakten Rollen als Investoren unklar sind. "Bis jetzt haben sie offiziell keine Anteile", sagt Iaria. "Wir wissen noch nicht, wie viele sie bekommen werden und wann das passieren wird."
Während der 44-jährige Henry weiterhin als Co-Trainer der belgischen Nationalmannschaft fungiert und in Como sowieso nur im Hintergrund tätig sein soll, ist Fàbregas auch als Spieler eingeplant. Er kam ablösefrei von der AS Monaco, wo er 2018 kurzzeitig unter Trainer Henry kickte, in der vergangenen Saison verletzungsbedingt aber nur 117 Pflichtspielminuten absolvierte. "Es war nicht nur das schlimmste Jahr meiner Karriere, sondern meines ganzen Lebens", gestand Fàbregas.
Trotz lukrativer Angebote aus der nordamerikanischen MLS entschied er sich für Como, weil "ich Teil eines Projekts werden wollte, das mich begeistert. Geld interessiert mich nicht." Am Geld scheitern wird es in Como aber wohl auch nicht. Während ihrer ersten beiden Jahre steuerten die Hartonos 14 Millionen Euro bei, seitdem sind die Zahlen unbekannt. Auf "finanzielle Exzesse" verzichteten die Eigentümer laut dem Journalisten Iaria bisher aber: "Das Projekt soll mittelfristig wachsen."
In Ablösesummen flossen die bereits investierten Millionen jedenfalls nicht, abgesehen vom 50.000 Euro teuren ehemaligen albanischen U-Nationalspieler Elvis Kabashi gab es unter ihrer Regentschaft nur ablösefreie Transfers. Außer Fàbregas stehen aktuell keine international bekannten Spieler im Kader. In indonesischen Medien kursierende Gerüchte, wonach die Hartonos indonesische Talente in Como formen wollen, bewahrheiteten sich bisher nicht.
Como 1907 gilt als Aufstiegsfavorit
Angedacht sind unterdessen Investitionen in das Trainingszentrum sowie das fast 100 Jahre alte und durchaus baufällige Stadion. Zum Heimauftakt gegen Cagliari Calcio kamen vergangene Woche rund 5000 Zuschauer. Darunter auch Bürgermeister Alessandro Rapinese, der sich unter die Ultras in der Fankurve mischte. Wobei, Kurve ist relativ: Eigentlich handelt sich um eine Stahlrohrtribüne, die bei gemeinschaftlichem Hüpfen bedenklich wackelt.
Ultras und Bürgermeister im Stadion und die Hartonos womöglich bei Mola TV sahen jedenfalls ein 1:1 - noch ohne Fàbregas übrigens, aber dafür mit sieben ehemaligen U-Nationalspielern ihrer jeweiligen Länder in der Startelf. Auch das zweite Ligaspiel beim SC Pisa endete remis. Nach dem 13. Platz in der vergangenen Saison als Liga-Neuling zählt Como in dieser Spielzeit gemeinsam mit den bisherigen Gegnern Cagliari und Pisa, dem CFC Genua, Parma Calcio, SPAL Ferrara, Reggina 1914 und Benevento Calcio zu den Aufstiegsfavoriten.
Sollte der angepeilte Serie-A-Aufstieg misslingen, wäre Como immerhin der Titel als reichster Klub des Landes nicht zu nehmen. An die zusammengerechnet 44,8 Milliarden Euro der Hartono-Brüder kommt auch in der Serie A kein Eigentümer ran. Abgeschlagener Zweiter im Ranking ist übrigens der Besitzer des diesjährigen Serie-A-Aufsteigers AC Monza: Silvio Berlusconi mit einem Vermögen von sieben Milliarden Euro.