Er galt als Riesentalent - und entschied sich dennoch mit 16 für einen Wechsel zu Dinamo Zagreb. Jetzt will Barca Dani Olmo offenbar für viel Geld zurückholen.
Der 3. Spieltag der Europa League Anfang Oktober, 19.30 Uhr. In Mailand sitzt ein schmaler 22-Jähriger auf der Tribüne, von Medien und Trainern unbeachtet. Alen Halilovic ist frustriert, auch bei Milan läuft es für das einst so hochgelobte Talent einfach nicht. Längst hat man ihm einen fetten "Gescheitert"-Stempel verpasst. Einst als eines der größten Talente Europas zum FC Barcelona gewechselt, kommt er in dieser Saison für die Rossoneri gerade einmal auf drei Pflichtspielminuten, meist steht er nicht einmal im Kader. Alen Halilovic ist abgestürzt.
Genau zeitgleich bestimmt in Anderlecht ein 20-jähriger Spanier im zentralen Mittelfeld von Dinamo Zagreb das Geschehen. Dani Olmo dirigiert das Spiel mit umsichtigen Pässen, das 2:0 gegen die Belgier bereitet er vor. Er ist Stammspieler bei Zagreb, hat mit 20 bereits 103 Profispiele auf dem Buckel. Er hat eine große Karriere vor sich, der FC Barcelona, den er einst mit 16 verließ, will ihn nun offenbar für 25 Millionen Euro zurückholen. Dani Olmo hat es gepackt.
Olmo wird in Halilovic-Transfer verrechnet
Halilovic, der Kroate, der es in Spanien nicht schaffte, und Dani Olmo, der Spanier, dem in Kroatien der Durchbruch gelang - beide zählten zu den größten Talenten der Welt, der eine entschied sich für den Wechsel zum großen FC Barcelona, der andere für das genaue Gegenteil.
Fünf Millionen Euro bezahlt Barca 2014 für Halilovics Dienste. Gleichzeitig lässt man Olmo für 200.000 Euro ziehen. Denn um die Ablösesumme für den Kroaten zu drücken und Dinamo adäquaten sportlichen Ersatz zu liefern, wird Olmo auserkoren, das Bauernopfer für den vermeintlich noch talentierteren Halilovic zu mimen.
Im Nachhinein eine Fehleinschätzung. Denn Olmo reift in Kroatien wie von ihm selbst erhofft zu einem talentierten Offensivspieler, während Halilovic nach Stationen in Gijon, Hamburg und Las Palmas nun in Mailand nicht einmal mehr Kurzeinsätze bekommt. Wer also ist dieser Dani Olmo, der als spanischer U-Nationalspieler Barca verließ, um nach Zagreb zu ziehen, und den knapp vier Jahre später offenbar diverse europäische Schwergewichte, darunter der BVB und der FC Bayern, beobachten?
Olmos Talent verzückt Guardiola
Die Geschichte von Dani Olmo Carvajal beginnt in der katalanischen Industriestadt Terrassa. Olmo wird von seinen Eltern gefördert, zeigt er doch außergewöhnliches Talent. Er wechselt in die Jugendabteilung von Espanyol, schenkt bei einem Jugendturnier dem FC Barcelona vier Tore ein und wird als logische Konsequenz 2007 von den Blaugrana abgeworben. In La Masia entwickelt er sich zu einem der Top-Talente, einem jener Komplettpakete, denen man sofort zutraut, es in die Mannschaft mit Messi und Co. zu schaffen.
Olmo ist technisch brillant, trickreich, schnell, handlungsschnell, torgefährlich und beweist ein gutes Auge. Er ist damals gemeinsam mit Carles Alena Aushängeschild eines besonderen Jahrgangs, der in einer Saison mehr als 100 Tore schießt. Olmo ist spanischer U-Nationalspieler, bei einem Training schaut Pep Guardiola persönlich zu und ist sofort von Olmos Klasse angetan.
Deshalb trifft es seine Teamkollegen und Freunde auch hart, als Olmo von seinen ungewöhnlichen Plänen erzählt, nach Kroatien zu wechseln. Weg von seinen Freunden und La Masia und hin zu einem Klub, der zwar für seine exzellente Jugendförderung bekannt, dessen erste Mannschaft im internationalen Vergleich aber bestenfalls zweitklassig ist. "Meine Teamkollegen waren schockiert", erzählt Olmo in einem Interview mit Jutarnji list . "Aber dann haben sie verstanden, warum ich so entschieden habe. Während ich Profifußball spielen werde, müssen sie noch zwei oder drei Jahre warten." Dass er Teil des Halilovic-Deals war, erzählt er seinen Mitspielern zunächst nicht.
Olmo sorgt mit Dinamo gegen Bayern für Furore
Und so wechselt Olmo mit 16 nach Kroatien. In der U19 trifft er auf Mario Cvitanovic. Der als Spieler unter anderem für Energie Cottbus aktive frühere Innenverteidiger sorgt mit den A-Junioren in der Youth League für Furore. Bayern, Arsenal und Juventus werden allesamt besiegt. Olmo und der heutige Stuttgarter Josip Brekalo brillieren als kongeniale Flügelzange, während der junge Spanier parallel die vom Verein versprochenen Einsatzminuten in der ersten Mannschaft bekommt, wo er an der Seite von anderen Top-Talenten wie Ante Coric oder Marko Pjaca aufläuft.
Im Oktober 2015 wird er vom Guardian unter die 50 größten Talente seines Jahrgangs gewählt, inmitten prominenter Begleiter wie Christian Pulisic und Martin Ödegaard. "Was er mit dem Ball anstellt, gehört nicht nur zum Besten in unserer Liga, sondern kann auch im internationalen Vergleich mithalten", schwärmt sein damaliger Trainer Zoran Mamic. Und Olmo, der auf Instagram artig Trainingsbilder und Eindrücke von Reisen nach Rom oder London teilt, gibt sich zurückhaltend: "Ich habe noch nichts erreicht und werde deshalb weiter hart an mir arbeiten."
Dem Rückschlag folgt der Durchbruch
Und dennoch folgt 2015/16 ein Rückschlag. Mamic berücksichtigt ihn nicht mehr, sagt, er wolle Olmo behutsam aufbauen. Der kickt in der 2. Liga bei der Reserve oder bei der Jugend und macht nur ein einziges Ligaspiel in der gesamten Spielzeit. Olmo senior ist stocksauer, so war der Deal damals beim Wechsel nicht vereinbart gewesen. Erste Zeichen deuten gar schon auf Trennung. Denn Mamic baut auf die Kroaten Ante Coric und Marko Rog - und auf Olmo-Kumpel Brekalo. Olmos Vater wirft Mamic vor, er würde Entscheidungen zu Ungunsten des Filius' treffen, weil dieser kein Kroate sei.
In der Folgesaison bekommt er unter drei anderen Trainern etwas mehr Spielzeit, dennoch scheint es im Sommer 2017, als würde Olmo das Kapitel Zagreb, bei dem er nie müde wurde zu betonen, er habe den Schritt nie bereut, beenden. Alles ändert sich, als Cvitanovic, sein Förderer aus der Jugend, zum Cheftrainer befördert wird. Der 42-Jährige baut auf Olmo, setzt ihn als Spielmacher oder Linksaußen ein. Seit Cvitanovic am Ruder ist, ist Olmo Stammspieler, kommt in seitdem knapp eineinhalb Spielzeiten auf 26 Scorerpunkte.
Olmo Dreh- und Angelpunkt in Dinamo-Offensive
Dinamo wird mit einem herausragenden Olmo 2017/18 Meister, ist in der laufenden Saison erneut souverän und ungeschlagen Erster. Zudem gewann man alle vier Spiele in der Europa League. Olmo, auf der Zehn oder Acht eingesetzt, ist mittlerweile nicht mehr nur ein guter Techniker, auch körperlich und taktisch hat er sich hervorragend entwickelt.
"In Kroatien müssen wir das Spiel machen, gegen tief stehende Gegner Lösungen finden", sagt er im Interview mit Jutarnij List und erklärt seinen Sprung nach vorne - der ihn noch mehr als ohnehin schon in den Fokus von Top-Klubs rückt. Am vergangenen Dienstag traf sich eine Delegation aus Barcelona, unter anderem mit Eric Abidal und Pep Segura, mit seinem Berater.
25 Millionen Euro wurden als Ablösesumme ausgerufen, ein Wechsel soll frühestens im kommenden Sommer erfolgen. Warum auch etwas überhasten? Olmo hat eindrucksvoll bewiesen, wie wichtig ein vermeintlicher Rückschritt für die individuelle Entwicklung sein kann.
Olmo träumt von großen Champions-League-Nächten
"Er hat riesengroßes Potenzial", glaubt auch Ante Buskulic, Chefredakteur von Goal Kroatien, daran, dass Olmo es zu einem Top-Klub schaffen wird. In dieser Saison jedenfalls kommen sie in Scharen, die Scouts der Großen. Auch die Bayern, der BVB. Manchester United und Manchester City sollen seine Entwicklung genau observieren. Unter ein Instagram-Bild Olmos in London schreibt ein User oder Freund: "Schon in wenigen Jahren werden dich viele Leute um ein Autogramm bitten, wenn du wieder dort hinreist."
Olmo ist Ruhm nicht wichtig, die Champions League schon. "Jeder will sich mit den Besten messen", sagt er. Mit den Besten wie Lionel Messi. Den traf er als kleiner Junge, wie ein Instagram-Foto belegt. Beide, Messi und Olmo, gucken ein wenig verschüchtert, haben lange Haare. In den Händen trägt Olmo seinen liebsten Gegenstand: einen Ball. Eine runde Gerätschaft, die Messi zur Legende machte, Halilovic scheitern ließ und im ungewöhnlichen Fall von Dani Olmo alles möglich erscheinen lässt.