"Magath überlebt - was kann noch kommen?"

08. September 201607:00
Daniel Baier kam über die Stationen 1860 München und VfL Wolfsburg zum FC Augsburggetty
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Daniel Baier ist nicht nur dienstältester Augsburger sondern auch eine absolute Identifikationsfigur. Er steht wie kaum ein anderer Spieler für den Aufstieg des FCA von der 2. Liga bis ins internationale Geschäft. Im SPOX-Interview spricht er über den Augsburger Weg, unzumutbare Losfeen, den Traum vom Pokalfinale, seine Karriere im App-Business und Grenzerfahrungen unter Felix Magath.

SPOX: Herr Baier, Sie spielen mit kurzer Unterbrechung seit acht Jahren für den FC Augsburg - anfangs in der 2. Liga, vergangene Saison sogar in der Europa League. Wie hat sich der Klub in dieser Zeit verändert?

Daniel Baier: Phänomenal! Der wichtigste Meilenstein war die Errichtung des Stadions. Außerdem haben wir mittlerweile ein Nachwuchsleistungszentrum und tolle Trainingsplätze hier am Stadion. Das war auch ein Quantensprung. Es ging alles sehr, sehr schnell. In Krisenzeiten muss man sich daran erinnern, wo der Verein vor acht Jahren stand.

SPOX: Augsburg hat es geschafft, sich ohne übermäßige externe Geldzuschüsse in der Bundesliga zu etablieren.

Baier: Augsburg ist diesbezüglich ein gutes Vorbild für andere Vereine. Wir machen keine unverantwortlichen Dinge, zahlen keine utopischen Gehälter oder Ablösesummen. Bei uns wird auf jeden Euro geschaut und das Geld nicht sinnlos rausgeschmissen. Das war immer die Devise und wir sind damit stets sehr gut gefahren. Die Anzahl an Mitarbeitern in der Geschäftsstelle und das Trainerteam sind, anders als bei anderen Vereinen, überschaubar. Bei uns haben mit dem Präsidenten und der Geschäftsführung wenige Leute etwas zu sagen - und die halten zusammen.

SPOX: Einer der Väter des Erfolges war auch Ex-Trainer Markus Weinzierl. Hatten Sie Angst, dass die Augsburger Erfolgsgeschichte enden könnte, als sein Abschied feststand?

Baier: Nein, natürlich nicht. Der Trainer ist zwar die wichtigste Personalie im Verein, aber wir sind im Hintergrund gut und gesund aufgestellt. Es ist ganz normal, dass der Trainer hin und wieder ausgetauscht wird und eher etwas Besonderes, dass ein Trainer überhaupt vier Jahre bei einem Verein arbeitet.

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SPOX: Sie sind der dienstälteste Augsburger. Wollten Sie nie wechseln oder gab es keine reizvollen Angebote?

Baier: Es hat sich einfach so ergeben. Ich war erst von Wolfsburg ausgeliehen, habe mich wohl gefühlt und ein Jahr später hat dann der fixe Wechsel geklappt, weil mich Jos Luhukay damals unbedingt zurückhaben wollte. Ich habe dann schnell eine Führungsrolle übernommen und seit dem Aufstieg 2011 eine große Verbundenheit zu dem Verein entwickelt. Jetzt bin ich rundum glücklich und will nichts anderes machen.

SPOX: Nicht zuletzt durch den öffentlich bekundeten Wechsel-Wunsch von Julian Draxler wird derzeit viel über die weitverbreitete Söldner-Mentalität im Fußball diskutiert.

Baier: Das ist leider in diese Richtung gegangen, weil brutal viel Geld im Spiel ist. Bei solchen Aktionen gehören aber immer drei Parteien dazu. Wenn sich der Spieler klar positioniert, dann ist das seine Entscheidung - ob sie auch umgesetzt wird, ist Sache der beiden anderen Parteien. Prinzipiell muss aber jeder Spieler selbst wissen, ob er so ein Verhalten vor sich selbst verantworten kann.

SPOX: Zurück zum Tagesgeschäft. Was haben Sie den neuen Trainer Dirk Schuster bisher erlebt?

Baier: Mein erster Eindruck ist super! Er hat direkt offen und ehrlich angesprochen, was er von den Spielern verlangt und was er für ein Typ ist.

SPOX: Und was ist er für ein Typ?

Baier: Er ist ein ehrlicher Arbeiter, der sehr ehrgeizig ist und viel Wert auf Disziplin legt. Er will, dass wir als Mannschaft zusammenhalten und zusammen marschieren. Jetzt müssen wir schauen, dass wir die gute Zusammenarbeit auch in Punkte ummünzen.

SPOX: Wie würden Sie seine Spielphilosophie skizzieren?

Baier: Wir wollen defensiv gut stehen und nach vorne einen attraktiven Fußball spielen. Das sind die Schlagwörter, die er genannt hat.

SPOX: Gibt es etwas, was Sie in Ihrer Karriere noch erreichen wollen?

Baier: Ich will unbedingt einmal ins DFB-Pokalfinale, denn das hat schon ein spezielles Flair. Vor einigen Jahren habe ich mir mit dem FC Augsburg zwei Ziele gesetzt: Europäisch zu spielen und ins Pokalfinale einzuziehen. Den einen Wunsch habe ich mir schon erfüllt, der andere ist noch auf der Liste.

SPOX: In der 2. Runde geht es gegen den FC Bayern München.

Baier: Das Los hat es wieder nicht gut gemeint mit uns, da muss einfach mal die Losfee ausgetauscht werden. Unser Ziel ist trotzdem auch in dieser Saison, nach Berlin zu fahren.

SPOX: Ist das ob des kommenden Gegners nicht etwas unrealistisch?

Baier: Was heißt unrealistisch? Wir fahren nach München und wollen dort weiterkommen.

SPOX: Was muss passieren, damit Sie am Ende der Saison zufrieden sind?

Baier: Eine erfolgreiche Saison haben wir gespielt, wenn wir auch nächstes Jahr wieder in der Bundesliga spielen; eine überragende Saison, wenn wir im Pokalfinale standen und frühzeitig nichts mit dem Abstiegskampf zu tun hatten.

SPOX: Sie sind 32 Jahre alt. Können Sie sich vorstellen, nach Ihrem Karriereende einen Posten im Verein zu übernehmen?

Baier: Ich möchte so lange wie möglich aktiv spielen und mich dann mit den Verantwortungsträgern zusammensetzen, um zu besprechen, was Sinn macht. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, meine Trainerscheine zu machen und da ein bisschen reinzuschnuppern.

SPOX: Sie haben vor Ihrem Engagement in Augsburg beim VfL Wolfsburg und bei 1860 München gespielt. Wie intensiv verfolgen Sie diese Vereine noch?

Baier: In Wolfsburg kenne ich noch ein paar Leute, da freue ich mich immer auf die Auswärtsspiele. Zu 1860 habe ich eigentlich gar keinen Kontakt mehr. Außer Sascha Mölders kenne ich dort niemanden - wobei, der Zeugwart ist auch noch der gleiche.

SPOX: Bei 1860 herrscht tatsächlich auf allen Ebenen eine hohe Fluktuation, der Klub gilt als der Chaosverein schlechthin. Hemmen die ständigen Diskussionen junge Spieler tatsächlich oder ist das nur ein Medienthema?

Baier: Das ist dort auf jeden Fall ein Problem. Ich kann mich an mein erstes Training mit den Profis erinnern. Da stand ich am nächsten Tag in vier Tageszeitungen, das lenkt dich schon ab. Es ist als junger Spieler schwer, mit dieser medialen Unruhe umzugehen.

SPOX: Von 1860 sind Sie nach Wolfsburg gewechselt. Wie haben Sie die Zeit beim VfL in Erinnerung?

Baier: Obwohl es sportlich für mich nicht wirklich lief, war das eine super lehrreiche Zeit. Mit Felix Magath hatte ich als Trainer eine absolute Respektperson.

SPOX: Ist das Training unter Magath wirklich so hart?

Baier: Härter als man es sich vorstellen kann. Unter ihm habe ich gesehen, wozu der menschliche Körper in der Lage ist. Im Nachhinein hat mir das sicher geholfen, seitdem ist jedes "normale" Training einfacher. Wenn ich jetzt zum Beispiel in ein Trainingslager fahre, dann ist das dort auch hart, aber ich denke mir im Unterbewusstsein schon immer: Ich habe Magath überlebt, was kann noch kommen?

SPOX: Gemeinsam mit Ihren Kumpels Marcel Schäfer, Christian Gentner und Christian Träsch haben Sie die App "DeinTeam" entwickelt, mit der Vereinen Logistik, Kommunikation und Verwaltung erleichtert wird. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Baier: Marcel Schäfer kam der Einfall und wir fanden ihn gut. Dann haben wir eine Firma damit beauftragt, die App zu entwickeln. Das hat ungefähr ein Jahr gedauert und vor einem Monat sind wir dann auf den Markt gegangen. Die Resonanz und das Feedback sind bisher sehr gut.

SPOX: Sie waren mit diesen Kumpels auch schon öfter gemeinsam auf Urlaub, verbringen viel Zeit miteinander. Sind solche vereinsübergreifende Freundschaften im Profifußball Einzelfälle?

Baier: Ja, das ist vielleicht schon eine Ausnahme. Man lernt zwar immer viele neue Leute kennen, aber so enge Freundschaften sind Einzelfälle. Marcel Schäfer kenne ich seit 18 Jahren, wir sind gemeinsam in Aschaffenburg aufgewachsen und haben später bei 1860 und Wolfsburg zusammengespielt. Das ist eine Freundschaft seit Kindheitstagen - und eine fürs Leben.

SPOX: Können solche Freundschaften mit anderen Profifußballern - die in ihrem Alltag ähnliche Situationen erleben - helfen, wenn man beispielsweise mit öffentlicher Kritik konfrontiert wird?

Baier: Wir werden nie öffentlich kritisiert, von daher ist das kein Thema. (lacht) Im Ernst: Wir tauschen uns über solche Dinge zwar aus, aber da heult sich keiner beim anderen aus - so schlimm ist es nicht.

Daniel Baier im Steckbrief