Im dritten Jahr beim 1. FSV Mainz 05 trug Daniel Brosinski zuletzt erstmals die Kapitänsbinde. Im Interview spricht der gebürtige Karlsruher über seinen Weg neben Mesut Özil, den stillen Traum Nationalmannschaft und ein besonderes Tor gegen den FC Bayern.
SPOX: Herr Brosinski, vorneweg gilt es erst einmal etwas zu klären: Es ist fast unmöglich, Sie einer festen Position zuzuordnen, da Sie in den letzten Monaten von Innenverteidiger über Außenverteidiger bis hin zur Sechs oder Acht schon alles gespielt haben. Ja, was denn nun?
Brosinski: Als Kind war ich immer der Libero. (lacht) Im Laufe der Zeit bin ich weiter nach vorne gerückt, was mir mehr gefallen hat, da ich eher mal ein Tor geschossen habe. Mittlerweile komme ich auf den hinteren Außenpositionen am besten zurecht. Ich spiele aber da, wo mich der Trainer braucht.
SPOX: In Mainz hat vergangene Woche die Fastnacht begonnen. Haben Sie standesgemäß kostümiert trainiert?
Daniel Brosinski: Seit ich in Mainz bin, ist das noch nicht vorgekommen. Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Das ist wahrscheinlich nur in Köln der Fall. (lacht)
SPOX: Ist es dennoch wichtig, trotz allem Ernst in der aktuellen Situation die Lockerheit aufrecht zu erhalten?
Brosinski: Ja, auf jeden Fall. Gerade in der Länderspielpause ist es wichtig, auch mal den Kopf durchzulüften und sich wieder neu zu ordnen. Da steht der Spaß im Vordergrund. Die Spieler, die zuletzt viele Einsätze hatten, müssen auch mal regenerieren. Wir wollen gegen Freiburg wieder voll angreifen.
SPOX: Einige Ihrer Mitspieler waren mit ihren Nationalmannschaften unterwegs. Erinnern Sie sich in solchen Tagen oft daran zurück, wie Sie in den U-Mannschaften des DFB gekickt haben?
Brosinski: Ab und zu. Natürlich wäre es ein schönes Erlebnis, mal wieder beim DFB-Team zu sein und mit den Nationalspielern zu reisen. Das waren damals tolle Erfahrungen, die meiner Entwicklung in jedem Fall geholfen haben - fußballerisch und persönlich. Mich freut es für meine Mitspieler, dass sie diese Erfahrungen auch machen und sich mit den besten Spielern der Welt messen können, ich trauere der A-Nationalmannschaft aber nicht nach.
SPOX: Sie haben sich 2007 mit der U19 für die EM in Österreich qualifiziert. Mit Ihnen im Team: unter anderem Mesut Özil, Benedikt Höwedes, Jerome Boateng ... Können Sie mal beschreiben, was einem 18-Jährigen da so durch den Kopf schießt, wenn er erwartungsvoll in die Zukunft schaut?
Brosinski: Das war eine Riesensache. Als junger Karlsruher mit so guten Spielern zu kicken und das Nationaltrikot zu tragen, war das Größte. Und vor den Spielen die Nationalhymne zu singen, war geil. Da habe ich regelmäßig Gänsehaut bekommen. Wenn man heute sieht, welchen Weg diese Spieler alle eingeschlagen haben, schätze ich mich glücklich, Teil davon gewesen zu sein. Die meisten von ihnen sind internationale Stars geworden. Schade, dass ich nicht den gleichen Weg wie Boateng oder Özil einschlagen konnte. Dennoch bin ich stolz, es in die Bundesliga geschafft zu haben.
SPOX: Rechnet man sich in dem Alter die gleichen Chancen aus?
Brosinski: Nein, bei Mesut und Jerome hat man schon in dem Alter gesehen, dass sie Ausnahmespieler waren. Mesut stand damals schon im Fokus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die beiden den Durchbruch schaffen würden. Neben ihnen hat man keine falschen Ambitionen entwickelt.
SPOX: Die EM haben Sie damals krankheitsbedingt verpasst - wegen einer leichten Grippe.
Brosinski: Das war verdammt ärgerlich. So ein Turnier ist eine einmalige Gelegenheit, die man eigentlich nie verpassen darf. Ich kann es leider nicht rückgängig machen.
SPOX: Hatten Sie das Gefühl, dass Ihre Absage auch Einfluss auf den weiteren Verlauf Ihrer Karriere genommen hat?
Brosinski: Nein, auf gar keinen Fall. Das war damals schade, aber ich konnte im Verein meine Leistung glücklicherweise bestätigen und habe daraufhin einen Profivertrag erhalten. Das war der Startschuss meiner Fußballkarriere.
SPOX: Vom KSC zog es Sie über Köln, Wehen, Duisburg und Fürth nach Mainz. Im dritten Jahr trugen Sie zuletzt erstmals die Kapitänsbinde. Für die Premiere gibt es wahrscheinlich dankbarere Momente als die aktuelle sportliche Schwächephase?
Brosinski: Wir haben jetzt zweimal einen vor den Latz bekommen, das kann immer mal passieren. Trotzdem haben wir bisher eine solide Runde gespielt. Natürlich hätte ich mein erstes Spiel als Kapitän gerne gewonnen, aber aus diesen Niederlagen lernen wir mindestens genauso viel.
SPOX: Macht sich gerade die größere Belastung durch die Europa League bemerkbar?
Brosinski: Ja, das spielt natürlich auch eine Rolle. Das ist für fast alle im Team ungewohnt. Den ersten Block an Spielen haben wir souverän weggesteckt, im zweiten hat man gemerkt, dass uns Substanz verloren gegangen ist. Man hat gesehen, dass der eine oder andere eine Pause brauchte.
SPOX: Nach dem Pokal-Aus in Fürth sagte Martin Schmidt, er möchte, dass die Mannschaft nach solchen Pleiten mal wütend wird. Sie sei zu brav und ruhig in der Kabine gesessen. Fehlt es an kantigen Typen in der Mannschaft?
Brosinski: Klar ist es gut, wenn auf dem Platz mal einer das Wort ergreift, damit die anderen aufwachen. Ich denke aber nicht, dass es einen Brüllaffen braucht, der ständig laut wird. Die Kommunikation und Verantwortung sind bei uns auf mehrere Schultern verteilt. Wir verfallen aufgrund der letzten Ergebnisse nicht in Hektik, weil wir wissen, dass das schwache Leistungen waren. In der Europa League und der Bundesliga ist noch alles drin. Das Aus im DFB-Pokal können wir leider nicht mehr rückgängig machen, aber der Wettbewerb ist hier in Mainz ohnehin schon seit gefühlt zehn Jahren verflucht.
SPOX: Wie optimistisch sind Sie denn nach der jüngsten Niederlage in Anderlecht noch, dass der FSV die K.o.-Phase der Europa League erreicht?
Brosinski: Wir haben bislang ein Spiel verloren. In den anderen Partien waren wir immer die bessere Mannschaft. Entsprechend werden wir uns auf keinen Fall verstecken. Wir rechnen uns in den beiden verbleibenden Spielen sechs Punkte aus. Wir haben noch alle Chancen und wollen diese auch ergreifen. Ich fahre mit einem guten Gefühl nach St. Etienne.
SPOX: Im Falle eines Weiterkommens drohen Ihnen die unterschiedlichsten Reisen ... spox
Brosinski: Mir ist völlig egal, wo wir gegen wen spielen könnten. Erst einmal müssen wir weiterkommen.
SPOX: Rein privat könnte aber auch die nächste Urlaubsempfehlung dabei sein. Davon würde womöglich auch Loris Karius profitieren?
Brosinski: (lacht) Stimmt, mit Loris war ich schon zweimal im Sommerurlaub. Und tatsächlich ist das auch für das nächste Jahr geplant.
SPOX: Was berichtet er denn aus seiner neuen Heimat in Liverpool und von der Mainzer Ikone Jürgen Klopp?
Brosinski: In letzter Zeit gab es nicht so viel Kontakt, da wir beide einen strammen Spielplan hatten. In den nächsten Tagen werde ich aber auf jeden Fall mal zum Telefon greifen. Gut, dass Sie mich daran erinnern. (lacht)
SPOX: Zum Abschluss: Erinnern Sie sich eigentlich noch gut an Ihr erstes Profispiel?
Brosinski: Klar, das war 2009 mit dem 1. FC Köln beim FC Bayern. Da habe ich bei unserem Sieg auch gleich mein erstes Tor geschossen.
SPOX: In drei Wochen geht es wieder gegen die Bayern. Ertappt man sich dabei, dass man wieder von so einem Tor träumt?
Brosinski: Ja, auf jeden Fall. Immer, wenn das Spiel gegen Bayern näher rückt, erinnere ich mich an das Tor von damals. Ich schaue mir dann auch noch einmal die Videos von dem Tag an. Das ist ein schönes Gefühl, sich selbst bei dem Tor zu sehen. Da wären wir wieder bei der Gänsehaut.
Daniel Brosinski im Steckbrief