Nach einer desaströsen Saison mit Manchester United glänzt Alexis Sanchez mit Chile bei der Copa America. Zu tun hat das mit Zuneigung und Taktik. In der Nacht auf Donnerstag geht es gegen Peru um den Einzug ins Finale gegen Gastgeber Brasilien (2.30 Uhr live auf DAZN).
Beim ersten Copa-America-Spiel führte Alexis Sanchez Chile mit einem Tor und einer Vorlage zum Sieg gegen Japan. Beim zweiten mit seinem entscheidenden Treffer zum 2:1 gegen Ecuador ins Viertelfinale. Dort verwandelte er im Elfmeterschießen gegen Kolumbien den letzten und somit siegbringenden Schuss. Und dann wurde er pathetisch.
Bei Instagram postete er ein Bild von sich, ein Bild wie ein Gemälde. Oberkörperfrei und wie erstarrt mit ausgestreckten Armen steht er da, während seine jubelnden Mitspieler auf ihn zustürmen. Und dazu schrieb er: "Sie profitierten, sie heilten, sie erzählten Sch**** über mich und ich habe sie zum Schweigen gebracht." Es sind die Lyrics des Lieds Delincuente vom puerto-ricanischen Musiker Farruko. Weiter geht es so: "Sie verurteilten mich, sie sperrten mich ein - aber da oben ist ein Richter."
Alexis Sanchez: Seit 17 Monaten läuft alles schief
Sie, das sind aus Sicht von Sanchez wohl viele. Englische Fußballexperten, englische Fußballfans, Trainer von Manchester United. Als Sanchez zur Copa America reiste, sagte er: "Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt wie in den vergangenen sechs Wochen." Es hätte auch nicht verwundert, wenn er die letzten sechs Monate gemeint hätte. Oder die letzten 17 Monate. So lange schon läuft alles schief für ihn.
Es war im Sommer 2017, als Sanchez eigentlich die freie Auswahl hatte. Er war 28 und wohl der gefragteste Offensivspieler der Premier League. Sowohl Manchester City als auch United wollten ihn verpflichten - doch sein Klub FC Arsenal ließ ihn nicht gehen. Im folgenden Januar bekam er dann doch die Freigabe und unterschrieb bis 2022 bei United. Wöchentlich verdient er dort seitdem knapp 560.000 Euro.
Manchester United will Alexis Sanchez angeblich abgeben
Rechtfertigt hat er diese Summe bisher nicht im Geringsten. Weder unter Trainer Jose Mourinho, der ihn einst holte, noch unter dessen Nachfolger Ole Gunnar Solskjaer. In 45 Pflichtspielen erzielte Sanchez für United fünf Tore. Das bisher letzte bei einem FA-Cup-Spiel am 25. Januar. Als United in der Schlussphase der Saison die Champions-League-Qualifikation verspielte, fehlte Sanchez zunächst verletzt, wurde dann erfolglos eingewechselt und fehlte schließlich erneut verletzt.
United will ihn nun angeblich unbedingt abgeben. Sanchez passt nicht zur neuen Philosophie des Klubs: einen Kader mit jungen, britischen Spielern, die sich mit United identifizieren. Mit Daniel James wurde Sanchez' nomineller Nachfolger als Linksaußen schon verpflichtet. Ein 21-jähriger Waliser, der für rund 17 Millionen Euro von Swansea City kam.
Einen Sanchez in der Form und Laune der vergangenen Saison wird man aber nicht so leicht los. Seine verbliebene Vertragslaufzeit ist lange, das Gehalt hoch und seine Statistiken schlecht. Zuletzt wurden Atletico Madrid und Inter Mailand Interesse nachgesagt, konkret wurde bisher aber noch nichts.
Alexis Sanchez bei der Copa: Dank Zuneigung und Taktik
Und so reiste Sanchez eben zur Copa America und tut da unten in Brasilien einfach so, als wäre nichts. Als wäre er in der Form seines Lebens. Er machte dort weiter, wo er bei den Turnieren 2015 und 2016 aufgehört hatte. Beide Male gewann er als Schlüsselspieler mit Chile die Copa America - und ist jetzt auf dem besten Weg, es ein drittes Mal zu schaffen.
Der Sanchez im roten Nationalmannschaftstrikot hat nichts mit dem Sanchez im roten United-Trikot zu tun. "Bei der Nationalmannschaft erfährt er die nötige Zuneigung und hat Bindungen zu seinen Teamkollegen, die ihm in Manchester fehlen", sagt Nationaltrainer Reinaldo Rueda. United sei seiner Meinung nach derzeit "in der schwierigsten und unausgeglichensten" Phase seit Jahren. Sanchez selbst sagt nur: "Wenn ich für mein Land spiele, bin ich immer glücklich."
Abgesehen von seinen Teamkollegen kommt Sanchez in der Nationalmannschaft auch die Taktik entgegen. Anders als United spielt Chile Ballbesitzfußball. Ruedas 4-3-3 ist das System, das wohl am besten zu Sanchez' Fähigkeiten passt. Er ist öfter am Ball, zieht öfter von seiner angestammten Position als Linksaußen ins Zentrum, kommt somit auch öfter zum Abschluss - und trifft öfter. Im bisherigen Turnier erzielte er doppelt so viele Tore (2) wie in der kompletten abgelaufenen Premier-League-Saison (1).