Die deutsche Nationalmannschaft hat im vorletzten Test vor der EM eine 3:5(1:2)-Niederlage kassiert. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw unterlag der Schweiz nach zum Teil eklatanten Fehlern verdient.
Vor 27.381 Zuschauern im St.-Jakob-Park in Basel brachte ein Doppelschlag von Eren Derdiyok (21., 23.) die Gastgeber in Führung. Mats Hummels gelang kurz vor der Pause der Anschlusstreffer (45.), ehe erneut Derdiyok zum 3:1 traf (50.).
Andre Schürrle verkürzte nochmals (64.), doch Stephan Lichtsteiner erhöhte postwendend auf 4:2 (67.). Marco Reus gelang in der 72. Minute sein erstes Tor im DFB-Dress, bevor Admir Mehmedi den Endstand besorgte (77.).
Am Donnerstag trifft das deutsche Team im letzten Test auf Israel. Dann werden auch die Bayern-Spieler mit an Bord sein.
Reaktionen:
Bundestrainer Joachim Löw: "Über das Ergebnis kann man sich nicht freuen. Nach den sehr intensiven Einheiten wusste ich schon, dass die Frische fehlt. Wir haben jetzt zwei Wochen Zeit, um daran zu arbeiten. Die Abstimmung wird besser, da bin ich sicher. In diesem Spiel ist so viel passiert, das muss ich jetzt erst mal aufarbeiten. Die Mannschaft hat in dieser Formation noch nie zusammengespielt. Das, was sie als Mannschaft falsch gemacht hat, das müssen wir aufarbeiten. Marc-Andre ter Stegen muss den Kopf nicht hängen lassen."
Ottmar Hitzfeld (Schweizer Nationaltrainer): "Wir haben Glück gehabt, dass wir die erste Viertelstunde so überstanden haben, da hat Deutschland hervorragend gespielt. Ich glaube nicht, dass Jogi Löw bei der EM so offensiv spielen lassen wird. Aber man muss vorher experimentieren, etwas ausprobieren. Ich bin zuversichtlich, dass Deutschland eine gute EM spielen wird. Die Bayern-Spieler werden mit ihrer guten Mentalität zur EM wieder in Form kommen. Man kann umfallen, aber man muss wieder aufstehen.
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Bei den Schweizern fehlt Neu-Bayer Shaqiri. Gladbachs Neuzugang Xhaka beginnt. Im deutschen Team feiert ter Stegen sein Debüt. Götze beginnt auf der Schweinsteiger-Position. Schürrle darf auf rechts ran.
21., 1:0, Derdiyok: Die Schweizer attackieren aggressiv, Fernandes holt sich an der Mittellinie die Kugel von Götze und spielt sofort auf die linke Seite zu Barnetta. Der geht Richtung Strafraum und spielt durch in die Mitte auf Derdiyok, der völlig frei mit rechts ins Tor einschießt. Hummels trabt nur nebenher.
23., 2:0, Derdiyok: Barnetta schnibbelt eine Flanke von links mit rechts schön auf den zweiten Pfosten, Mertesacker verschätzt sich und Derdiyok steigt hoch und köpft zum 2:0 ein. Ter Stegen steht im Niemandsland.
45., 2:1, Hummels: Özil schlenzt mit links einen Freistoß aus dem rechten Halbfeld mit Schnitt zum Tor, wo Hummels sechs Meter vor dem Kasten schön hochsteigt und via Lattenunterkante zum Anschlusstreffer einköpft.
50., 3:1, Derdiyok: Von links schlenzt Barnetta die Kugel in den Strafraum, wo Derdiyok höher steigt als Mertesacker. Der verlängerte Ball wird auch noch von Mehmedi berührt, bevor er im langen Eck einschlägt. Mehmedi stand knapp im Abseits, dennoch zählt das Tor.
64., 3:2, Schürrle: Ein weiter Ball wird von den Schweizern an der Strafraumgrenze zu kurz abgewehrt. Schürrle schnappt sich die Kugel und zieht aus dem Hintergrund mit rechts ab. Der Ball schlägt in der Mitte des Tores ein, Benaglio sieht nicht gut aus.
67., 4:2, Lichtsteiner: Inler schickt Lichtsteiner von der Mitte einen hohen Ball auf rechts in den Lauf. Schmelzer hat gepennt und Lichtsteiner im Rücken laufen lassen. Dann kommt auch noch ter Stegen völlig übermotiviert aus seinem Kasten, so dass Lichtsteiner ohne Bedrängnis aus rund 14 Metern einköpft.
72., 4:3, Reus: Das Engagement von Reus zahlt sich aus. Draxler zieht vom linken Flügel zur Mitte und schließt dann mit rechts ab. Benaglio klatscht die Kugel an den Elfmeterpunkt, wo Reus sofort mit rechts abnimmt und per Aufsetzer zum erneuten Anschluss einnetzt.
77., 5:3, Mehmedi: Nach Hummels' Foul zeigen die Schweizer eine schöne Freistoß-Variante an deren Ende Ziegler links im Strafraum frei zum Schuss kommt und den Ball an den rechten Pfosten nagelt. Mehmedi hat mit dem Abpraller in der Mitte zwar zu kämpfen, schießt schlussendlich aber doch abgefälscht mit rechts ins linke Eck ein.
Fazit: Ganz wilder Auftritt der deutschen Elf. Zwar dominierte man über weite Strecken das Spiel, ließ sich aber mehrfach übertölpeln. Der Sieg für die Schweiz war durchaus verdient.
Der Star des Spiels: Eren Derdiyok. Der Neu-Hoffenheimer machte Hummels und Mertesacker richtig zu schaffen. Ging immer wieder in die Schnittstellen und war deshalb nur schwer zu greifen. Im Zweikampf enorm robust, vor dem Tor eiskalt und mit einem Dreierpack.
Der Flop des Spiels: Per Mertesacker. Das erste Spiel nach seiner langen Pause ging mächtig in die Hose. Hatte enorme Probleme gegen Derdiyok wie auch im Spielaufbau und war an zwei Gegentoren direkt beteiligt. Auch wenn Hummels nicht viel besser war, wächst nach diesem Auftritt die Skepsis, ob Mertesacker das Niveau für die EM hat.
Die Trainer:
Joachim Löw hatte Götze als Zwischenspieler zwischen defensivem und offensivem Mittelfeld ins Zentrum gestellt. Das Experiment glückte allerdings nicht. Der Dortmunder stand häufig zu hoch und fehlte bei Schweizer Gegenstößen als zweiter Mann vor der Abwehr. Auch nach vorne fehlten die Impulse. Die Einwechslung von Reus belebte das deutsche Spiel deutlich.
Ottmar Hitzfeld hatte sein Team gut auf den deutschen Spielaufbau eingestellt. Der Schweiz-Coach ließ das Zentrum dicht machen und den ballführenden deutschen Abwehrspieler schnell attackieren. So eroberte man früh viele Bälle und kam durch schnelles Umschalten zu einigen Gelegenheiten.
Der Schiedsrichter: Antony Gautier. Der Franzose ließ anfangs ein bisschen viel laufen, hatte die faire Partie insgesamt aber gut im Griff. Allerdings: Mehmedi stand beim 3:1 im Abseits.
Das fiel auf:
- Deutschland übernahm zu Beginn das Kommando und attackierte die Schweiz früh und aggressiv. Allerdings: ohne Wirkung.
- Die Löw-Elf tat sich schwer im Spielaufbau aus der Abwehr. Mertesacker und Hummels versuchten immer wieder, den Ball vertikal ins Zentrum zu spielen und tappten dabei ein ums andere Mal in die Falle der Schweizer.
- Die Abstimmung in der deutschen Viererkette stimmte häufig überhaupt nicht. Hummels und Mertesacker harmonierten schlecht und standen immer wieder auf unterschiedlicher Höhe. Höwedes ließ sich ab und an zu tief fallen. Auch Schmelzer hatte einige Stellungsfehler.
- Zur Pause lag die Schweiz in Sachen Zweikampfquote deutlich vorne (59 zu 41). Und: Im Umschaltverhalten wirkte die Hitzfeld-Elf weitaus präsenter als das deutsche Team.
- Deutschland nach der Pause mit klarem Übergewicht (fast 60 Prozent Ballbesitz), in der Rückwärtsbewegung allerdings viel zu nachlässig.
- Die Schweiz nahm spürbar das Tempo raus. Wenn man allerdings das Tempo anzog, wurde es fast immer gefährlich.
- Am besten im deutschen Team noch: Sami Khedira (ging zur Pause raus) und Marco Reus (kam zur zweiten Halbzeit).
- Von den vermeintlichen Wackelkandidaten im deutschen Kader konnte keiner Eigenwerbung betreiben. Besonders ter Stegen erwischte einen schwarzen Tag und sah bei zwei Gegentoren nicht gut aus.
Schweiz - Deutschland: Daten und Fakten zum Spiel