In Luxemburg gibt es Vereine wie Hamm Benfica und Sporting Steinfort, portugiesischstämmige Nationalspieler wie Daniel da Mota und Straßenfeste bei Meistertiteln von Benfica Lissabon. Die Verflechtungen zwischen dem portugiesischen und dem luxemburgischen Fußball sind eng. Eine Spurensuche.
"Es gibt nur einen einzigen Anlass, zu dem in Luxemburg Stadt die Straßen voller Menschen sind und alle Party machen", sagt Alex Lopes gegenüber SPOX und Goal. "Und das ist, wenn Benfica Lissabon portugiesischer Meister wird." Diese Feste über 2000 Kilometer vom Ort der Gefeierten entfernt sind nur die offensichtlichste Zurschaustellung der womöglich kuriosesten Verflechtungen des europäischen Fußballs. Der Verflechtungen zwischen Portugal und Luxemburg.
Alles begann in den 1960er Jahren, als in Luxemburg die Stahlindustrie boomte. Was dem Boom aber fehlte, waren ausreichend Arbeitskräfte - und die fand man in Portugal, wo es mehr Menschen gab als Jobs. Ein Sozialversicherungsabkommen zwischen den beiden Nationen im Jahr 1965 und ein Anwerbeabkommen fünf Jahre später brachten die luxemburgischen Jobs und die portugiesischen Arbeitskräfte zusammen. Was folgte, war ein Gastarbeiteransturm.
Unter den tausenden Portugiesen, die damals eine neue Heimat fanden, waren auch die Großeltern von Alex Lopes. Er selbst ist heute einer von knapp 100.000 portugiesischstämmigen Bewohnern Luxemburgs. Etwa 16 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes machen sie aus, was in Europa durchaus relativ einmalig ist.
Die Pioniere von Hamm Benfica
Alex Lopes arbeitet für den Verein Hamm Benfica aus der Hauptstadt Luxemburg Stadt. Pressesprecher und Marketingmanager ist er, "aber eigentlich mache ich alles, wofür wir noch keine Leute gefunden haben". Früher spielte er sogar ein Jahr lang selbst für die erste Mannschaft, doch dann ging das Studium vor. Sein Bruder ist immer noch aktiv, seine Mutter hilft überall mit - und sein Vater Paulo ist Präsident.
Paulo Lopes war mit dabei, als der Klub FC RM Hamm den Namenszusatz Benfica bekam. 2006 war das und es kam so: Bald nach dem Gastarbeiteransturm organisierten die neuen, portugiesischstämmigen Bewohner Luxemburgs einen eigenen inoffiziellen Ligabetrieb. Die Mannschaften nannten sie wie die berühmtesten Klubs ihrer Heimat: Benfica, Sporting, Porto. Irgendwann waren die besten so gut, dass sie sich im offiziellen Ligabetrieb testen wollten, und so begannen sie, etablierte luxemburgische Vereine als Fusionspartner zu suchen.
Benfica wurde als erster fündig: beim FC RM Hamm. Ein Klub, der bis dahin ein relativ unspektakuläres Dasein in der zweiten Liga gefristet hatte. "Zunächst haben sich ein paar ältere Vereinsmitglieder gegen die Kooperation gestemmt", sagt Alex Lopes, "aber bald waren alle umgestimmt." Kein Wunder, die Fusion wurde zur Erfolgsgeschichte. Der aus den besten Spielern beider Mannschaften zusammengestellte Kader stieg direkt in der ersten Saison in die erste Liga auf und etablierte sich dort im Tabellenmittelfeld.
Um Benficas Namen und Grundzüge des Logos offiziell verwenden zu dürfen, brauchte es aber das Einverständnis des Muttervereins. Das sei gar kein Problem gewesen, erinnert sich Lopes, Benfica begrüßte die Entwicklungen im fernen Luxemburg sogar. "Von Beginn an waren sie von unserer Arbeit begeistert", sagt Lopes. "Sie schicken uns sogar jedes Jahr einen Satz ihrer aktuellen Trikots, auf die wir dann nur mehr unser angepasstes Logo drauf machen müssen. Wir sind der einzige Verein der Welt, der mit den selben Trikots wie Benfica spielen darf."
Benfica in Luxemburg: Ein Verein, ein Imperium
Schon vor der Gründung von Hamm Benfica gab es eine offizielle Vereinsvertretung in Luxemburg, die unter anderem die "Casa do Benfica Luxemburgo" betrieb. Eine Bar in Luxemburg Stadt, die nach Benfica riecht und schmeckt. Die Wände sind voll mit alten Fotos und Schals und Fahnen, zu trinken gibt es portugiesisches Bier. Verkauft werden auch Trikots und Tickets für die Benfica-Heimspiele in Lissabon. Wer sich die Reisen nicht leisten kann, schaut die Spiele hier - oder in einer der hunderten anderen Sport-Bars im ganzen Land, die dann am vollsten sind, wenn portugiesische Ligaspiele übertragen werden.
Paulo Lopes ist eng verwurzelt in diesen luxemburgischen Benfica-Kreisen, bereits vor seiner Tätigkeit als Hamm-Benfica-Präsident war er Vize-Präsident der offiziellen Vereinsvertretung des Landes. Nun soll er dafür sorgen, dass die beiden Institutionen enger kooperieren und zusammenwachsen. Ein Verein, ein Imperium.
Der nächste Schritt ist die Eröffnung einer Benfica-Fußballschule im kommenden September. Zwei Trainer wird der Mutterverein dafür extra von Portugal nach Luxemburg entsenden, um sowohl Spieler als auch lokale Trainer fortzubilden. Vor einigen Jahren schickte Benfica für ein Freundschaftsspiel gegen Hamm Benfica sogar mal seine ganze Profimannschaft, auch zu einem Rückspiel in Lissabon ist es schon gekommen. Man kennt sich, man mag sich
Transfers zwischen den beiden Klubs gab es bisher jedoch noch keine, zu unterschiedlich ist das Niveau. Lopes träumt zwar davon: So ein Luxemburg-Portugiese bei Benfica hätte ja schon was! Aber wirklich realistisch ist das nicht. Der Sinn von Benficas Engagement in Luxemburg geht über den Profifußball hinaus. Dem Mutterverein geht es in Luxemburg gar nicht darum, Spieler für die eigene Profimannschaft auszubilden. Benfica will den Fans ein Stück Heimat in der Fremde bieten - und sie so an den Klub binden, potenziell Stadiongänger und Trikotträger nicht verlieren.
Der Rivale als Vorbild
Und wo Benfica ist, da sind der FC Porto und Sporting Lissabon nicht weit weg. In diesem Fall liegt Porto knapp zehn Kilometer im Süden und Sporting knapp 30 Kilometer im Westen. Hier der aktuell viertklassige Vorortklub FC AS Luxemburg/Porto, dort das aktuell drittklassige Sporting Steinfort aus dem 5000-Einwohner-Dorf Steinfort nahe der Grenze zu Frankreich. Auch ihre Wappen sind denen der berühmten Namensgebern nachempfunden.
Sporting Steinfort aber ist anders als Hamm Benfica keine Erfolgsgeschichte. "Wir haben mittlerweile quasi null Kontakt mit dem Mutterverein", sagt Steinforts Vize-Präsident Daniel Hansen gegenüber SPOX und Goal und er sagt es resignativ. "Es gibt keine finanzielle, materielle oder sportliche Unterstützung. Die Kooperation hat uns überhaupt nichts gebracht."
2007, ein Jahr nachdem sich Hamm Benfica formiert hatte, ging Sporting Steinfort den gleichen Weg. Der Rivale als Vorbild! Portugiesischstämmige Vereinsmitglieder hätten damals den Kontakt mit dem Mutterverein hergestellt, erzählt Hansen. Eine Delegation reiste dann nach Portugal, um die Modalitäten zu klären: Steinfort durfte Sportings Wappen und Namen verwenden, musste aber anders als Hamm Benfica dafür bezahlen. Ein Teil der Mitgliedsbeiträge floss von Steinfort nach Lissabon.
Sportlich startete der Klub zunächst genauso durch wie das Vorbild und stieg ebenfalls in der ersten Saison erstmals in die erste Liga auf - doch so schnell wie der Aufschwung gekommen war, so schnell folgte auch der Niedergang. Gegen Hamm Benfica setzte es zwei Niederlagen und Sporting Steinfort stieg wieder ab, bevor sich eine Rivalität wie in Lissabon entwickeln konnte. Während sich Hamm Benfica im Oberhaus etablierte, übernahm sich Sporting Steinfort finanziell und wurde in die dritte Liga durchgereicht. Hilfe vom Mutterverein gab es keine, ihn schien all das nicht zu interessieren.
Das Missverständnis Sporting Steinfort
Was hat Benfica besser gemacht als Sporting? Warum hat es dort geklappt und hier nicht? Da wäre der Standort: hier das Dorf Steinfort, dort die Stadt Luxemburg Stadt. Und auch die generell größere Anzahl an Benfica-Fans im Vergleich zu denen, die es mit Sporting halten. "Dass der Unterschied so groß ist, ist uns erst danach bewusst geworden", gibt Hansen zu. Während Hamm Benfica großes Interesse heraufbeschwor, tat sich im Umfeld von Sporting Steinfort nichts.
"Wir wollten mit der Kooperation mehr Zuschauer und Spieler anlocken, aber das hat nicht funktioniert. Vor ein paar Jahren kam mal ein Sporting-Fan vorbei, der seine Söhne nur wegen unseres Namens unbedingt hier spielen lassen wollte", sagt Hansen. "Aber der war auch der einzige!"
Die einstigen Initiatoren der Kooperation haben den Verein mittlerweile verlassen und so gibt es nichts mehr, was Steinfort an Sporting hält. Für Ende dieses Monats ist eine Generalversammlung anberaumt, bei der über eine Auflösung der Kooperation und eine Umbenennung in FC Steinfort abgestimmt werden soll. "Uns wurde zuletzt immer wieder zugetragen, dass die Bewohner der Gemeinde diese Verbindung nicht mehr wollen und sich nicht mehr mit dem Verein identifizieren", sagt Hansen. Er rechnet fest mit einer mehrheitlichen Zustimmung für das Ende des Missverständnisses.
Während die lediglich zu Beginn vielversprechende Beziehung zwischen Sporting und Steinfort derzeit in die Brüche geht, wurde die zwischen zwischen Porto und dem FC AS Luxemburg nie richtig heiß. Seit 2008 besteht die Kooperation, höher als in die dritte Liga ging es nicht.
Kooperationen im Nachwuchsbereich sind im Trend
Benfica hat sein Glück in Luxemburg längst gefunden, Sporting und Porto sind noch auf der Suche - und sie probieren es nun mit neuartigen Verbindungen. Aktuell im Trend sind nicht mehr Vereinsübernahmen samt Farben und Wappen und Namen. Im Trend sind Kooperationen im Nachwuchsbereich.
Serienmeister F91 Düdelingen schloss eine solche vor einiger Zeit mit Sporting ab, Titus Petingen mit Vitoria Guimaraes und der FC UNA Strassen mit Porto. Alles etablierte luxemburgische Erstligisten, die die portugiesischen Kooperationspartner als Wissens-Lieferanten sehen. Wie bei der geplanten Benfica-Fußballschule geht es auch bei diesen Kooperationen vor allem darum, dass junge Talente von erfahrenen portugiesischen Trainern profitieren.
Portugiesischer Trainer, luxemburgischer U21-Nationalspieler
Ein portugiesischer Trainer ist es auch, der die erste Mannschaft von Hamm Benfica zurück in die erste Liga führen soll. Auf sieben Jahre im Oberhaus folgte 2014 ein Abstieg samt direktem Wiederaufstieg. In der vergangenen Saison erwischte es Hamm Benfica erneut, die sofortige Rückkehr soll Trainer Pedro Resende schaffen. Mit einem Kader, der etwa zur Hälfte aus portugiesischstämmigen Spielern besteht.
Der womöglich talentierteste hat aber keine portugiesischen Vorfahren: Fabien Heinz, luxemburgischer U21-Nationalspieler. "Hoffentlich wird er bald in die A-Nationalmannschaft berufen", sagt Lopes. Wie bei seinem Klub würde Heinz auch dort auf viele portugiesischstämmige Spieler treffen.
gettyDie Ikone Daniel da Mota
Beim vergangenen Länderspiel Luxemburgs im Juni, einem 0:1 gegen die Ukraine, standen gleich drei davon in der Startelf. Neben Leandro Barreiro Martins vom FSV Mainz 05 und Gerson Rodrigues vom japanischen Erstligisten Jubilo Iwata auch Stürmer Daniel da Mota. Er ist so etwas wie eine Ikone.
Mit 94 Länderspielen liegt der 33-jährige da Mota aktuell auf Rang drei im Rekordnationalspieler-Ranking Luxemburgs, der erstplatzierte Mario Mutsch ist nur mehr sieben Einsätze entfernt. Sieben Länderspieltore hat da Mota bereits geschossen, eines davon war ein zwischenzeitliches 1:0 gegen Portugal im Jahr 2012. Ein Tor gegen das Heimatland seiner Eltern.
Da Mota selbst wurde in Ettelbrück im Herzen Luxemburgs geboren. Zunächst spielte er beim lokalen Verein Etzella, später in Düdelingen, zuhause fühlt er sich überall. "Wenn ich nach Ettelbrück fahre, bin ich ein Ettelbrücker Junge. Die Leute freuen sich, mich zu sehen. Hier in Düdelingen ist es mittlerweile genauso, ich werde als echter Düdelinger angesehen", sagte da Mota vor seinem Wechsel zu seinem aktuellen Verein RFCU Luxemburg dem Luxemburger Wort. Die Artikel der auflagenstärksten Zeitung des Landes erscheinen nicht nur auf Deutsch, Französisch und Englisch sondern auch auf Portugiesisch.
Portugiesische Straßen in Luxemburg
Die portugiesische Präsenz in Luxemburg ist nichts Besonderes mehr, sie ist selbstverständlich. Vorbehalte gegen Menschen, die mit Nachnamen Lopes oder da Mota heißen, gibt es kaum. "Die Gastarbeiter wurden von Beginn an sehr gut aufgenommen und sind hervorragend integriert", sagt Hansen, der Noch-Vize-Präsident von Sporting Steinfort. "Es gab und gibt bei uns keine Proteste gegen die vielen portugiesischstämmigen Menschen."
Als Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa 2017 auf Besuch in Luxemburg weilte, sagte er: "Ein Teil unseres Volkes ist luxemburgisch, ein Teil eures Volkes ist portugiesisch. Und das merkt man, wenn man in Luxemburg durch die Straßen läuft." Vor allem dann, wenn Benfica gerade Meister wurde.