Zwischenbilanz der neuen Trainer in der Bundesliga: Von der perfekten Besetzung bis zur Mammutaufgabe

Stefan Rommel
12. September 202217:15
SPOX
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Gleich sieben Klubs gingen mit neuen Trainern in die Saison, deren erste Zwischenbilanz höchst unterschiedlich ausfällt. Während einige schon voll überzeugen, hinken andere den Erwartungen noch hinterher.

Edin Terzic ist aus der Reihe getanzt. Der Trainer von Borussia Dortmund hat als einziger der insgesamt sieben neuen Übungsleiter mit seinem Klub am vergangenen Wochenende nicht gepunktet und stattdessen einen Rückschlag erlitten im Bemühen, den Umbruch beim BVB weiter voranzutreiben.

So wie das auch Terzics Kollegen in Hoffenheim, Mönchengladbach, auf Schalke, in Augsburg, Berlin und Wolfsburg vorhaben - mit bisher aber sehr unterschiedlichem und teilweise auch überschaubarem Erfolg. Eine erste Zwischenbilanz.

André Breitenreiter (1899 Hoffenheim, 12 Punkte, Platz 4)

Nach über drei Jahren kehrte Breitenreiter im Sommer als Nachfolger von Sebastian Hoeneß zurück in die Bundesliga und musste gleich zu Beginn mit einigen Vorurteilen kämpfen. Ob der auf Spielkontrolle und Positionsspiel ausgelegte Kader seiner Idee vom Fußball entsprechen würde, ob Breitenreiter nach seinem überaus erfolgreichen Abstecher in die Schweiz die dort erlangte Reife würde übertragen können: Das waren zwei der dringlichsten Fragen vor dem Start der Saison.

Nach sechs Spieltagen läuft zwar längst noch nicht alles rund bei den Kraichgauern, aber der Trend ist nach den zuletzt doch eher bleiernen Wochen unter Hoeneß zumindest für die ersten Spiele unverkennbar.

Hoffenheim mag noch genug Steigerungspotenzial in allen Spielphasen haben, agiert aber unter dem neuen Trainer wieder selbstbewusst und selbstverständlicher, hält auch mal Widerstände aus und hat - das sollte man nicht vergessen - auch das nötige Spielglück in der einen oder anderen kniffligen Phase.

Die Dreierkette hinten und zwei klare Angreifer vorne, sowie eine gute Mischung aus Spiel- und Kampfstärke im Zentrum des Spiels machen aus Hoffenheim ein funktionierendes Kollektiv, das in Ansätzen schon an jene Attribute erinnert, die die TSG einst ausgezeichnet hatten.

Edin Terzić (Borussia Dortmund, 12 Punkte, Platz 5)

Wie fragil die neue Dortmunder Stabilität immer noch ist, zeigte sich am Wochenende bei einer Niederlage, für die Ex-Trainer Marco Rose die volle Breitseite vom Medien und Fans abbekommen hätte. Das sang- und klanglose 0:3 in Leipzig war ein heftiger Rückfall in alte Muster und Verhaltensweisen der Mannschaft, die überhaupt nicht mit einem frühen Rückschlag in Form eines Gegentores umgehen konnte und dann fast 90 Minuten lang keine Haltung mehr zum Spiel entwickeln konnte.

Von der zuvor gelobten guten Arbeit gegen den Ball war in Leipzig nicht mehr viel zu sehen, wie schon im legendären Heimspiel gegen Werder fand der BVB dazu in der Offensive überhaupt nicht statt. Terzic ist es gelungen, seiner Mannschaft eine andere Arbeitsmoral im Spiel gegen den Ball zu verpassen, darüber sollten auch die drei Gegentore von Leipzig nicht hinwegtäuschen.

Das Defensivspiel, die Einsatzbereitschaft haben sich verbessert, einzelne Spieler wie Kapitän Marco Reus sind topfit und gehen voran. Beim Champions-League-Spiel neulich gegen Kopenhagen hatten die Fans wieder das lange vermisste BVB-Feeling und waren wirklich "laut wie nie", ganz so wie es der Trainer sich vor der Saison erwünscht hatte.

Es bleiben aber auch noch jede Menge Probleme und Baustellen: Die Verletztenmisere knüpft gefühlt nahtlos an die der abgelaufenen Saison an und wieder sind es zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison erstaunlich viele Muskelverletzungen, die Spieler ausbremsen. Inhaltlich muss Terzic nun auch endlich das Spiel mit dem Ball angehen, gerade gegen aggressiv verteidigende Gegner wie zuletzt Leipzig oder jene, die sich tief in der eigenen Hälfte verschanzen, wirkt die Mannschaft aus dem freien Spiel noch einigermaßen hilflos.

Das ist die Königsdisziplin der Trainerarbeit, dauert länger als "nur" defensive Abläufe einzustudieren und wurde zuletzt torpediert durch allerhand Verletzungen einzelner Offensivspieler, gerade der Dribbler mit Geschwindigkeit. Aber es bleibt nunmal keine Zeit, die nächsten Aufgaben sind groß (Manchester City und Sevilla auswärts, dann die Bayern zu Hause) und emotional, wie das Derby am kommenden Wochenende...

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Daniel Farke (Borussia Mönchengladbach, 9 Punkte, Platz 8)

Bei der anderen Borussia war nicht weniger als ein krasser Paradigmenwechsel vor der Saison notwendig. Das Experiment mit Adi Hütters Umschaltfußball, der wiederum auf jenem von Marco Rose aufbauen sollte, der ähnlich veranlagt war, ging gründlich schief.

Herausgekommen ist eine chaotische Saison mit der nur folgerichtigen Erkenntnis, dass die Borussia zurück zu ihren Wurzeln muss, die da heißen: Ballbesitz- und Kombinationsfußball mit einer klaren Struktur.

Wie gut das jetzt schon funktioniert, zeigte besonders die Partie in Freiburg. Gegen eine der spielstärksten und wuchtigsten Mannschaften der Liga musste die Borussia insgesamt vier Ausfälle von Stammspielern verkraften, ohne dabei einen großen Substanzverlust zu erleiden.

Farke hat in relativ kurzer Zeit schon viel von dem umgesetzt, was man sich erhoffen durfte aus Gladbacher Sicht. Die Mannschaft kann mehrere taktische Grundpläne durchspielen, Farke vertraut dabei der Viererkette mit immer mindestens drei offensiven Spielern ganz vorne, einzelne Anpassungen der Grundformation inklusive.

Die Kontrolle des Spielzentrums ist Farkes oberste Idee, die in der Regel von seiner Mannschaft auch gut umgesetzt wird. Ausnahmen wie zuletzt gegen Mainz und in München, als dem Gegner an die 30 Torschüsse gewährt wurden, zeigen allerdings auch noch einigen Nachholbedarf. Allerdings ist es dem neuen Trainer in sehr kurzer Zeit gelungen, aus einem Haufen guter Einzelspieler wieder eine Einheit zu formen, die miteinander kommuniziert und arbeitet. Dieses "soft skill" ist auf Dauer von unschätzbarem Wert, Farke ist diesbezüglich offenbar die perfekte Besetzung.

Bundesliga: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Union Berlin613:4914
2.Freiburg610:5513
3.Bayern München619:51412
4.Hoffenheim612:7512
5.Borussia Dortmund68:7112
6.Mainz 0566:9-310
7.Köln610:739
8.Borussia M'gladbach67:529
9.Werder Bremen612:1118
10.RB Leipzig69:908
11.Eintracht Frankfurt611:12-18
12.Schalke 0468:13-56
13.Augsburg64:10-66
14.Stuttgart66:7-15
15.Hertha BSC66:8-25
16.Wolfsburg65:10-55
17.Bayer Leverkusen68:11-34
18.Bochum64:18-140

Frank Kramer (FC Schalke 04, 6 Punkte, Platz 12)

Endlich hat es mit dem ersten Bundesligasieg geklappt, der Frank Kramer wenigstens ein paar Tage Ruhe bescheren dürfte - bis dann am Wochenende mit dem Derby beim BVB das wichtigste Spiel des Jahres ansteht und Kramer gleich schon wieder unter strengster Beobachtung steht. Den bedingungslosen Rückhalt der Fans jedenfalls muss sich Kramer erst erarbeiten und trotz des Sieges gegen Bochum ist noch nicht ganz klar, ob der Trainer dafür genug Zeit bekommen wird.

Als Aufsteiger mit einem neuen Trainer steht Schalke vor großen Aufgaben: Der Kader ist qualitativ auf Kante genäht, die Mannschaft muss über die traditionellen Tugenden wie Kampf, Einsatzbereitschaft, Zweikampfhärte, Leidenschaft kommen. Die erwartbaren spielerischen Defizite in der Bundesliga sollten dadurch so gut wie möglich kompensiert werden.

Was Kramer gerade im Einschleifen offensiver Abläufe aber nicht aus der Pflicht nimmt, ganz im Gegenteil. Trotz der zuletzt drei Tore und einer ordentlichen Leistung in der Vorwoche - allerdings auch in Überzahl - in Stuttgart muss Schalke im Spiel mit dem Ball noch ordentlich zulegen. 28 Torchancen hat sich die Mannschaft erst erspielt, das wird auf Dauer nicht reichen.

Obwohl die Defensive sich zuletzt wieder gefangen hat. Offenbar hat die Lehrstunde in Sachen Effizienz im Heimspiel gegen Union Berlin einigen die Augen geöffnet, den VfB und Bochum hatte Schalke jedenfalls defensiv ziemlich gut im Griff. Kramer scheint so langsam anzukommen auf Schalke, allerdings kann die Liaison auch ein flüchtiges Vergnügen bleiben. Der Ausgang des Derbys und die Art und Weise, wie sich die Mannschaft da präsentiert, wird von entscheidender Bedeutung sein.

Enrico Maaßen (FC Augsburg, 6 Punkte, Platz 13)

Der Sieg bei Werder Bremen war lebensnotwendig für den FCA und seinen Trainer. Die frappierende Heimschwäche setzt Augsburg in den Auswärtsspielen immer brutal unter Druck, nach dem eher glücklichen Sieg in Leverkusen wusste die Mannschaft in Bremen aber zum ersten Mal besonders defensiv zu überzeugen und zeigte in der Offensive auch einige frische Ansätze.

Maaßen war nach der Odyssee mit vier Trainern in den letzten dreieinhalb Jahren mit dem Auftrag angetreten, den FCA nicht nur erneut in der Liga zu halten, sondern wieder so etwas wie erfrischenden, mutigen Offensivfußball zu implementieren und der Mannschaft und damit dem gesamten Klub ein anderes, besseres Image zu verpassen.

Eine Mammutaufgabe für einen Trainer ohne jegliche Bundesligaerfahrung an einem zuletzt besonders unruhigen Standort.

Maaßen sah sich schon heftiger Kritik der eigenen Fans ausgesetzt, weil es in den Heimspielen so gar nicht laufen will und vom großen Umbruch wenig zu sehen war.

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Aber so langsam raufen sich die Mannschaft und ihr Trainer samt Trainerteam zusammen, präsentieren auch in der Offensive mehr Lösungen und haben nun durch die Neubesetzung der zuvor lange vakanten Präsidentenstelle vielleicht auch etwas mehr Ruhe und Rückhalt.

Der neue starke Mann Markus Krapf jedenfalls ist eine Figur der Basis, langjähriger Fan, Kneipenbesitzer und einer, der die Risse zwischen der Profiabteilung und der Basis kitten soll. Zwar bleibt die Reizfigur vieler Fans, Stefan Reuter, weiter im Amt - mit einem Präsidenten aus den eigenen Reihen dürfte im Umfeld aber wenigsten ein bisschen mehr Ruhe einkehren. Und Enrico Maaßen damit auch die Arbeit etwas erleichtern.

Sandro Schwarz (Hertha BSC, 5 Punkte, Platz 15)

Auf den ersten Blick hat sich in Berlin wenig verändert: Die Mannschaft gewinnt zu wenige Spiele, hängt schon früh in der Saison wieder tief unten drin. Aber: Sandro Schwarz drückt offenbar die richtigen Knöpfe, fast im Wochentakt kommt seine Mannschaft teilweise deutlich verbessert daher. Der Trainer ist im Begriff, eine tragende Achse zu finden und auf diese auch zu bauen.

Der komplette Neustart benötigt Vertrauen: Des Trainers in die Mannschaft und der Mannschaft in den Trainer. Aktuell sind beide Seiten dabei, sich gegenseitig abzusichern. Das führt noch nicht zu den benötigten Siegen, die Tendenz geht aber nach ein paar Wochen Eingewöhnungszeit in die richtige Richtung.

Schwarz setzt dabei auf exakt eine Grundformation, um die entsprechenden Muster einzuschleifen und den Spielern auf ihren Positionen Sicherheit zu geben. Das 4-3-3 bleibt das Grundraster, innerhalb dessen sich kleine Anpassungen je nach Gegner und dessen Ausrichtung ergeben. Das funktioniert und führt mit Ausnahme des schlechten Spiels im Derby bei Union dazu, dass die Hertha bisher mit jedem Gegner zumindest auf Augenhöhe war.

Die Hoffnung, dass sich der positive Trend fortsetzt und alsbald auch die entsprechenden Ergebnisse die Leistungen unterfüttern, ist groß. Sandro Schwarz jedenfalls liefert trotz des prekären Zwischenstands in der Tabelle schon gute Arbeit ab.

Niko Kovac (VfL Wolfsburg, 5 Punkte, Platz 16)

Die Beziehung zwischen Niko Kovac und dem VfL Wolfsburg kam nur sehr schwer in die Gänge. Der Disziplinfanatiker Kovac fand bei seiner zuletzt immer recht launischen Mannschaft offenbar wenig Gehör, die Auftritte zu Beginn der Saison waren eine Art Fortsetzung jener aus der abgelaufenen Saison, der Trainereffekt kaum auszumachen.

Kovac muss sich den Vorwurf gefallen lassen, zu spät eine rigorose Entscheidung in der Causa Max Kruse getroffen zu haben. Die ewigen Debatten um den Spieler lenkten von mindestens ebenso dringlichen Problemen ab, raubten Zeit und Kraft und könnten nun noch zu einer kniffligen Schlammschlacht führen, wenn es um eine Weiterbeschäftigung in den Trainingseinheiten oder der Auflösung von Kruses Vertrag geht.

Immerhin muss sich die Mannschaft nicht mehr äußern und kann nun endlich anfangen, den Kovac-Fußball umzusetzen: Mit jeder Menge Arbeit, Robustheit, einer beherzten Zweikampfführung und auch Mentalität.

Ein erster Schritt war gewiss der Auftritt in Frankfurt, als sich die Wölfe endlich auch mal in eine Partie verbeißen konnten und dem Gegner - nach dessen Highlight unter der Woche in der Königsklasse - mit energischer Gegenwehr den Zahn zogen.

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Das ist die Basis, die Kovac vom ersten Tag an einfordert. Was allerdings noch fehlt, sind fußballerische Elemente. Ein Leitmotiv oder eine Handschrift sind bisher schwer zu erkennen - und nur mit rennen, kratzen, beißen wird es auch in Zukunft schwer werden für den VfL Wolfsburg.

Zumal mit dem gut bestückten Kader spielerisch deutlich mehr drin sein muss. Kovac' Aufgabe ist es nun, die beste Mischung aus Arbeitern und Künstlern zu finden.