Fernab der Normalität

Max Schöngen
16. Oktober 201412:04
Celtic hat seine Vormachtstellung in Schottland eingebüßtgetty
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In Schottland muss man an der Tabellenspitze vergeblich nach einem Verein aus Glasgow suchen, in Dänemark dümpelt Kopenhagen vor sich hin und in der Ukraine ist vor allem eine Mannschaft massiv von der politischen Lage getroffen. Eine Reihe von Klubs hat sich in der laufenden Saison noch nicht mit Ruhm bekleckert. Nach den positiven Überraschungen beleuchtet SPOX nun die negativen.

Celtic Glasgow

8 Spiele - 4 Siege, 2 Remis, 2 Niederlagen - 15:7 Tore - 14 Punkte

Tabellenplatz: 6

Es war eine drastische Ausdrucksweise, die Jürgen Klopp vor rund zwei Jahren wählte, als er von ausländischen Journalisten auf das Kräfteverhältnis in der Bundesliga angesprochen wurde.

Schon zuvor hatte das geflügelte Wort "spanischen Verhältnisse" die Runde gemacht, der BVB-Trainer aber griff zu einer Steigerung und sprach - zum Schrecken Vieler - gar von "schottischen Verhältnissen".

Die schottische Liga, ohnehin nicht bekannt für ihre Ausgeglichenheit und Spannung, wurde wenige Monate zuvor von der Insolvenz der Rekordmeisters Glasgow Rangers ins Mark getroffen. Die stets wiederkehrende Frage "Celtcs oder Rangers?" stellte sich von nun an nicht mehr, über Jahre hinweg drohte die Alleinherrschaft eines einzelnen Klubs - zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Rangers wieder erstklassig werden würden.

Keine schottischen Verhältnisse

An den Kräfteverhältnissen in Deutschland hat sich bis heute nicht viel getan, von "schottischen Verhältnissen" aber zu sprechen, wäre aber wohl auch nicht ganz richtig. Immerhin ist die schottische Liga von schottischen Verhältnissen derzeit meilenweit entfernt.

Lediglich auf dem sechsten Platz rangiert der haushohe Titelfavorit, bereits zwei Niederlagen kassierten die Bhoys - zum Vergleich: In der gesamten Vorsaison, die man mit stolzen 29 Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten beendete, gab es gerade mal ein verlorenes Spiel.

Umbruch und neuer Trainer

Der sportliche Misserfolg der Grün-Weißen ist ohne jeden Zweifel eine Überraschung, aber er hat auch Gründe. Vergleicht man den jetzigen Kader mit dem der Vorsaison, dann ist es wohl eine Untertreibung, von einem Umbruch zu sprechen: 13 Neuzugänge hatte der amtierende Meister vor der Saison zu verzeichnen, dem gegenüber standen 17 Abgänge.

Abgewanderte Spieler wie Georgios Samaras oder auch Keeper Fraser Foster werden vermisst, von neu hinzugekommenen wie Jo Inge Berget, John Guidetti oder Stefan Scepovic hatte man sich definitiv mehr versprochen.

Hinzu kommt der Trainerwechsel, der nach dem Ende der vergangenen Saison durchgeführt wurde.

Bereits großer Rückstand

Celtic-Urgestein Neil Lennon, der nach der vergangenen Saison seinen Rücktritt erklärte, hat an der Seitenlinie große Fußspuren hinterlassen - augenscheinlich zu groß für seinen Nachfolger Ronny Delia, wie sich schon früh in der Saison herausstellte. Schon nach wenigen Wochen hatte sich Delia viel Kredit verspielt, als das Team in den Champions-League-Playoffs scheiterte.

Das erste große Saisonziel verpasst, liegt das Team auch in der Liga bereits sechs Punkte hinter Tabellenführer Hamilton Academical zurück, die Geduld in Glasgow dürfte sich langsam dem Ende zu neigen.

Fast scheint es, als würden sogar eingefleischte Celtic-Fans die Tage rückwärts zählen, bis zu dem Moment, an dem der verhasste Stadtrivale endlich wieder aus den Untiefen des schottischen Fußballs emporsteigt und das nächste Old Firm gefeiert werden kann.

"The Journey" stockt

Doch entgegen aller Erwartungen läuft es auch bei den Rangers nicht wie erhofft in der zweiten schottischen Liga. Nur Platz 2 hinter Heart of Midlothian ist nicht das, was sich die Fans vorgestellt hatten. "The Journey" hatten die Anhänger des Rekordmeisters das Unternehmen "Rückkehr in die Premier League" nach dem Zwangsabstieg getauft.

Seither ist alles nach Plan verlaufen. Zwei Aufstiege in Folge, nun sollte eigentlich der nächste folgen und damit dieses unrühmliche Abenteuer beschlossen werden. Aber: Gegner wie Alloa Athletic oder Falkirk erweisen sich doch härter als erwartet. Mit den Hearts ist an der Tabellenspitze bereits ein Team mit sechs Punkten Vorsprung enteilt, im Moment sieht es so aus, als müsste sich der schottische Fußball noch ein Jahr gedulden, bis die alten, die wirklich schottischen Verhältnisse, wieder hergestellt werden.

Celtic: Von wegen schottische Verhältnisse

FC Kopenhagen: Kann Poulsen Hoffnungsträger?

Metalist Kharkiv: Von der Krise gebeutelt

FC Kopenhagen

10 Spiele - 4 Siege, 3 Remis, 3 Niederlagen - 10:11 Tore - 15 Punkte

Tabellenplatz: 5

Seit wenigen Tagen hat die Hoffnung der Kopenhagener Anhänger einen Namen: Christian Poulsen. Vor rund 12 Jahren hatte der Blondschopf die Hauptstadt Dänemarks und seinen Herzensklub verlassen, um sich in weiten Teilen Europas einen Namen als kompromissloser Mittelfeldspieler mit dem Hang zum Kampfschwein zu machen.

Zuletzt hatte es ihn nach Amsterdam verschlagen, wo sein Vertrag nicht verlängert wurde. Nach Wochen ohne Vereinszugehörigkeit ist er nun wieder in Kopenhagen gelandet, wo seine Rückkehr für ebenso viel Aufsehen wie auch Euphorie gesorgt hatte. Die Hoffnungen klammern sich an einen Oldie, mit dem alles besser werden soll.

Zurück zu alter Stärke?

Aus Sicht des dänischen Vizemeisters ist das momentan auch bitter nötig, immerhin durchlebte Stale Solbakken mit seiner Mannschaft in der bisherigen Saison ein Tief nach dem anderen.

Zwar einen Punkt - und das ist durchaus nicht unwichtig - vor dem verhassten Erzrivalen Bröndby, aber dennoch mit weitem Abstand zur Spitze, belegt der Klub derzeit nur den fünften Rang. Ganze neun Punkte zu Tabellenführer FC Midtiylland haben sich inzwischen angesammelt.

Er wolle dem Team wieder zu alter Stärke verhelfen, den FCK dorthin bringen, wo er hingehört, hatte Poulsen kurz nach seinem Antritt angekündigt. Dass der Klub derzeit nicht dort steht, wo er dem eigenen Selbstverständnis nach hingehört, hat Gründe.

12 Abgänge, 16 Neuzugänge

Permanente Streitereien über Spielergehälter und drohende Streiks brachten in der Vorbereitung auf die Saison viel an Unruhe in den Verein. In der Qualifikation für die Champions League musste man in der Playoffs gegen Bayer Leverkusen die Segel streichen, der erhoffte Geldsegen blieb somit aus.

Nach wie vor hat Trainer Stale Solbakken seine Stammelf noch nicht gefunden, im Fall von Kopenhagen auch leichter gesagt, als getan. Immerhin standen dort im vergangenen Transfersommer 12 Abgänge stolzen 16 Zugängen gegenüber.

Vor allem in der Offensive krankt es, der Abgang von Angreifer Igor Vetokele hat Spuren hinterlassen. Sein potenzieller Nachfolger und FCK-Hoffnungsträger Steve de Ridder ist bislang weit hinter den Erwartungen zurück geblieben, noch kein einziger Treffer gelang ihm.

"Eine Frage der Zeit"

Die Kritik an Stale Solbakken, der nach dem Rauswurf von Carsten V. Jensen nun auch Sportdirektor ist, wird lauter. Der ehemalige Kölner Trainer sprach zuletzt immer wieder von einer Frage der Zeit, ehe die Mechanismen greifen und man an die Leistungen der Vorsaison werde anknüpfen können. Damals belegte Kopenhagen immerhin den zweiten Platz.

Zumindest zuletzt schien es, als würde es etwas bergauf gehen beim Klub aus der dänischen Hauptstadt. Zwei Siege holte die Mannschaft aus den vergangenen drei Spielen, darunter vor allem auch der elementar wichtige Sieg im Derby gegen Bröndby.

Spätestens seit der Verpflichtung von Poulsen sind die Erwartungen nochmal größer geworden. Ob er alleine mit seinen 34 Jahren und einer fehlenden Vorbereitung dem Klub wird helfen können, bleibt abzuwarten. Einsatzzeit hat er bislang noch nicht bekommen.

Celtic: Von wegen schottische Verhältnisse

FC Kopenhagen: Kann Poulsen Hoffnungsträger?

Metalist Kharkiv: Von der Krise gebeutelt

Metalist Kharkiv

8 Spiele - 3 Siege, 2 Remis, 3 Niederlagen - 12:14 Tore - 11 Punkte

Tabellenplatz: 7

Lediglich der 7. Platz in der Tabelle und 11 Punkte aus den bisherigen acht Spielen. Rein sportlich ist die aktuelle Saison für Metalist Kharkiv wohl eine herbe Enttäuschung.

Über sportliche Misserfolge, den möglicherweise falschen Trainer, die falsche Taktik oder über Leistungen der Spieler spricht derzeit aber niemand in der Ukraine. Wen vermag das zu überraschen, angesichts der politischen Lage im Land?

"Der Fußball darf nicht von der Politik abhängig sein", hieß es noch vor der Saison in einer Erklärung des ukrainischen Verbandes. Eine Wunschvorstellung, die mit der aktuellen Situation wohl nicht viel gemein hat.

Abbild des Ausnahmezustands

Je weiter sich der Blick gen Osten des Landes richtet, desto weiter ist man von Normalität entfernt. Vor allem Donetsk ist von der Krise schwer getroffen, aber auch in Kharkiv ist nichts mehr, wie es mal war.

Kaum ein anderer Klub ist derart vom Bürgerkrieg betroffen wie Metalist, die jüngere Vergangenheit ein Abbild des Ausnahmezustands.

Galt der Verein noch vor wenigen Jahren als aussichtsreicher Kandidat, der die anhaltende Dominanz der Spitzenklubs Dynamo Kiew und Shakhtar Donetsk durchbrechen könnte, so ging es beim Klub aus der Metallarbeiterstadt in der jüngeren Vergangenheit stetig bergab.

Besitzer auf der Flucht

Auf höchst dubiose Weise hatte Alexander Jaroslawski, einst "König von Kharkiv" und langjähriger Förderer des Klubs, die Anteile vor rund zwei Jahre an Sergej Kurtschenko verkauft. Rund 400 Millionen hatte der Mäzen zuvor in seinen Klub investiert. Neues Stadion, neue Spieler hohe Ambitionen, der Weg an die Spitze war gepflastert.

Der neue Besitzer Kurtschenko wiederum, dem Vernehmen nach ein enger Freund des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, befindet sich seit den Protesten zu Beginn des Jahres auf der Flucht, übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll er sich inzwischen in Moskau niedergelassen haben.

Wie es aber mit dem Klub weitergeht, weiß so recht niemand im Moment. In Folge der ungeklärten politischen Lage verließ der langjährige Trainer Miron Markewitsch noch in der vergangenen Saison den Verein, für ihn übernahm Co-Trainer Ihor Rachajew. Er stand und steht vor einer Mammutaufgabe.

Viele Abgänge, kaum Neue

Marlos, Alejandro Gomez oder Marcio Azevedo sind nur wenige Spieler aus der langen Liste derer, die den Verein vor dem Saisonstart verlassen haben. Vor allem durch Leihgeschäfte konnte zur laufenden Saison der Kader aufrechterhalten werden, konkurrenzfähig aber ist dieser bei Weitem nicht, wie sich in der laufenden Saison herausstellt.

Hinzu kommt auch die Sorge, dass Spieler vom ukrainischen Militär eingezogen werden könnten - beinahe geschehen bei Edmar, der vor der Saison einen Einberufungsbefehl erhalten hatte. Zwar konnte sein Einzug verhindert werden, dies jedoch ist nur ein Beleg von vielen, wie weit man sich in der Ukraine vom normalen Fußball-Alltag entfernt hat.

Wer trotzt den Umständen?

"Am Ende wird sich diejenige Mannschaft durchsetzen, die mit diesen widrigen Umständen am besten klar kommt", prophezeite Donezk-Trainer Mircea Lucescu schon vor dem Saisonstart.

Mit dem derzeitigen Tabellenführer Dnepropetrowsk ist das bislang einer Mannschaft aus dem Westen des Landes am besten gelungen. Einer Mannschaft, der die Krise zumindest geographisch etwas ferner ist als Kharkiv oder Donetsk.

Trainer dort ist übrigens Miron Markewitsch, jener Mann, der zuvor acht Jahre lang bei Metalist an der Seitenlinie gestanden hat und den Verein zu einem der besten ukrainischen Teams geformt hatte, bevor die Krise alles zerstörte.

Celtic: Von wegen schottische Verhältnisse

FC Kopenhagen: Kann Poulsen Hoffnungsträger?

Metalist Kharkiv: Von der Krise gebeutelt