FC Bayern München - Erkenntnisse zum Auftaktspiel: Stanisic ist der große Gewinner

Nino Duit
14. August 202110:01
Josip Stanisic überzeugte in der Defensive.imago images
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Julian Nagelsmanns hat beim 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach ein wechselhaftes Pflichtspieldebüt als Trainer des FC Bayern München erlebt. Was fiel auf? Drei Erkenntnisse.

1.: Nagelsmann beraubt sich seines Vorbereitungs-Lichtblicks

"Upa und Tanguy haben eine gute Entwicklung genommen und sich beide gesteigert", lobte Julian Nagelsmann Dayot Upamecano und Tanguy Nianzou nach dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. Nicht aber nach dem 1:1 zum Bundesliga-Auftakt, sondern rund zweieinhalb Wochen zuvor nach einer 0:2-Niederlage bei einem Testspiel gegen den gleichen Gegner.

Der FC Bayern hat eine Vorbereitung hinter sich, die kaum schlechter hätte laufen können. Die EM-Fahrer weilten im verlängerten Urlaub, Verletzung folgte auf Verletzung, kein Testspiel wurde gewonnen und am Ende musste auch noch das DFB-Pokalspiel gegen den Bremer SV verschoben worden. Einer der wenigen Lichtblicke war, dass sich Upamecano und Nianzou in der Innenverteidigung einspielen konnten.

Sowohl das 19-jährige in der vergangenen Saison verletzungsgeplagte Talent als auch der 42,5 Millionen Euro teure Neuzugang von RB Leipzig hatten es nicht in den französischen EM-Kader geschafft. Beide standen also vom ersten Tag der Vorbereitung an zur Verfügung - und in den abschließenden drei Testspielen jeweils gemeinsam in der Startelf. Viele Alternativen gab es nicht: Jerome Boateng und David Alaba hatten den Klub ablösefrei verlassen, Lucas Hernandez fehlte verletzt, Niklas Süle weilte im Urlaub.

Durchaus überraschend sprengte Nagelsmann das eingespielte Duo aber für das Bundesliga-Auftaktspiel. Statt Nianzou begann neben Upamecano Süle, der in keinem einzigen Testspiel zum Einsatz gekommen war. "Für Niki habe ich mich entschieden, weil er ein gestandener Bundesligaspieler ist. Tanguy hat sehr wenig Rhythmus gehabt, war letztes Jahr verletzt", erklärte Nagelsmann. Interessant, dass Nagelsmann den Rhythmus der vergangenen Saison offenbar höher gewichtet als den der Vorbereitung.

Gelohnt hat sich die Entscheidung jedenfalls nicht, denn die Innenverteidigung präsentierte sich gegen Gladbach als eine der großen Schwachstellen des FC Bayern. Die Abstimmung zwischen Upamecano und Süle ließ vor allem am Anfang und am Ende des Spiels zu wünschen übrig, was zu drei groben Fehlern Upamecanos führte. Vor Alassane Pleas 0:1 verteidigte er zu unachtsam und in der Schlussphase leistete er sich zwei Elfmeter-würdige (und kurioserweise ungeahndete) Fouls an Marcus Thuram. "Dass die Defensive Thema ist und wir uns da verbessern wollen, ist völlig klar", sagte Nagelsmann.

2.: Josip Stanisic empfiehlt sich für weitere Einsätze

Wirklich überzeugend spielte in der Viererkette nur einer und das war der unerfahrenste des Quartettes: Josip Stanisic, 21 Jahre alt, Eigengewächs. Er schrieb im Borussia Park ein weiteres Kapitel seines überraschenden Aufstiegs.

Stanisic wechselte 2017 in die Jugendabteilung des FC Bayern, als Riesentalent galt er dort fortan aber nie. Nach zwei Jahren in der Reserve debütierte er Ende der vergangenen Saison für die Bundesligamannschaft. Anschließend unterschrieb er einen Profivertrag bis 2023, dann überzeugte er den neuen Trainer Nagelsmann mit einer guten Vorbereitung.

Stanisics großer Vorteil ist seine Flexibilität. Er kann es links und rechts hinten, auch in der Abwehrzentrale und sogar als Sechser. Weil Benjamin Pavard wegen einer Sprunggelenksverletzung kurzfristig ausfiel, war Stanisic gegen Gladbach rechts hinten gefragt. Also spielte er dort und er spielte nicht so, als wäre es sein zweites Bundesligaspiel. Stanisic spielte souveräner, als es der vor einem Jahr verpflichtete Rechtsverteidiger Bouna Sarr im Trikot des FC Bayern je getan hat.

"Mit Stani bin ich sehr zufrieden", lobte Nagelsmann. "Er hat sich offensiv gut eingeschaltet, hat zwei sehr gute Chancen eingeleitet und eine gute Chance selber gehabt. Er hat auch gut verteidigt." Besagte Chance vereitelte in der 37. Minute der starke Gladbach-Keeper Yann Sommer.

Mit seiner Leistung empfahl sich Stanisic jedenfalls unbedingt für weitere Auftritte. Blickt man einerseits auf den schmalen Kader des FC Bayern und andererseits auf seine Flexibilität, dürften sich da noch einige Gelegenheiten bieten.

Aufmerksam geworden auf Stanisic ist mittlerweile offenbar auch der kroatische Verband, der ihn laut dortiger Medienberichte für seine U21-Nationalmannschaft gewinnen will. Stanisic wurde in Deutschland geboren, seine Eltern kommen aber aus Kroatien. Vor fast drei Jahren machte er mal zwei Länderspiele für die deutsche U19, seitdem wurde er vom DFB nicht mehr berücksichtigt.

3.: Julian Nagelsmann vertraut zunächst auf die Flick-Taktik

Beim Auftaktspiel gegen Gladbach bestätigte sich die Vermutung aus der Vorbereitung: Der in Sachen Taktik normalerweise so experimentierfreudige Nagelsmann setzt zunächst auf Bewährtes. Wie bei den meisten Testspielen sortierte er seine Mannschaft auch gegen Gladbach in dem von seinem Vorgänger Hansi Flick gewohnten 4-2-3-1-System.

Neu-Bundestrainer Flick dürfte von der Tribüne keine großen Unterschiede zur Ausrichtung der vergangenen Saison erkannt haben, lediglich neue Nuancen. So presste der FC Bayern beispielsweise nicht so hoch und intensiv wie noch unter seiner Ägide. Zurückzuführen dürfte das aber vor allem auf den Fitnesszustand der Mannschaft sein, die zu großen Teilen erst vor zwei Wochen in die Vorbereitung gestartet ist.

In taktischer Hinsicht auffällig war, dass Rechtsverteidiger Stanisic bei eigenem Ballbesitz immer wieder etwas ins Zentrum einrückte. Damit sorgte er dort für Überzahlsituationen und schuf gleichzeitig Räume für Flügelspieler Leroy Sane.

Um große Neuheiten einzustudieren, fehlten Nagelsmann bisher ausreichend Trainingseinheiten mit der ganzen Mannschaft. Besonders traurig für jemanden wie ihn, der über sich selbst sagt: "Ich bin ein Trainer, der Training für sehr wichtig ansieht." Bisher habe sich die Mannschaft stattdessen "über die Spiele entwickeln müssen".