Ein halbes Jahr früher als geplant trat Oliver Kahn (52) Anfang Juli die Nachfolge von Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München an. Am Montag erklärte er bei einer Pressekonferenz seine Visionen. Was blieb hängen? Drei Erkenntnisse.
Kahn sucht die Nähe zu den Fans des FC Bayern München
Auf die Frage nach der größten Herausforderung in seinem neuen Job sagte Kahn: "Kurzfristig: Die Zuschauer wieder in die Stadien zu bringen. Man sieht bei der EM, dass der Fußball von der Begeisterung lebt. Die Fans sind die Essenz." Diese Aussage steht exemplarisch für seinen ganzen Auftritt, bei dem er wieder und wieder auf die Fans zu sprechen kam. Einmal sagte er: "Wir wollen ein Weltklasse-Fan-Erlebnis bieten können. Damit beschäftigen wir uns Tag und Nacht."
Das letzte Heimspiel des FC Bayern vor Zuschauern stieg vor fast eineinhalb Jahren im März 2020 gegen den FC Augsburg. Seitdem blieb die Allianz Arena bei Auftritten des FC Bayern stets leer, was dem Klub laut Präsident Herbert Hainer Umsatzeinbußen in Höhe von 150 Millionen Euro einbrachte. Der Wunsch nach einer Fan-Rückkehr hat also nicht nur emotionale Gründe, sondern auch rationale.
Für die Freundschaftsspiele am 24. Juli gegen Ajax Amsterdam, am 28. Juli gegen Borussia Mönchengladbach und am 31. Juli gegen den SSC Neapel sind immerhin 1500 Zuschauer in der Allianz Arena zugelassen. Für das erste Bundesliga-Heimspiel am 2. Spieltag gegen den 1. FC Köln gibt es diesbezüglich noch keine Entscheidung, Hainer rechnet jedoch mit "deutlich mehr".
Kahn will die Anhänger unterdessen offenbar nicht nur zügig ins Stadion zurückholen, sondern auch intensiver in den Klub einbinden. So seien bei dem von ihm federführend erarbeiteten Strategie-Projekt "Ahead" für die künftige Ausrichtung des FC Bayern auch Fans involviert gewesen. Inwiefern und welche Fans, ließ er jedoch offen.
FC Bayern München: Testspiel in der Übersicht
Datum | Uhrzeit | Gegner |
Samstag, 17. Juli | 16 Uhr | 1. FC Köln (in Villingen) |
Samstag, 24. Juli | 16.30 Uhr | Ajax Amsterdam (Allianz Arena) |
Mittwoch, 28. Juli | 18 Uhr | Borussia Mönchengladbach (Allianz Arena) |
Samstag, 31. Juli | 16.30 Uhr | SSC Neapel (Allianz Arena) |
Kahn setzt das Konzept des vernünftigen Wirtschaftens fort
Wie schon seine prominenten Vorgänger in wichtigen Funktionärs-Rollen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge will Kahn das Konzept des vernünftigen Wirtschaftens fortsetzen. Das betreffe sowohl Transfers, als Vertragsverlängerungen. "Bei uns gibt es eine ganz klar definierte Grenze", sagte Kahn. Oder: "Wir stoßen nicht in Gehalts-Regionen vor, die nicht zum FC Bayern passen."
David Alaba hatten den Klub in diesem Sommer auch wegen nicht erfüllter Gehaltsvorstellungen ablösefrei verlassen. Ein ähnliches Szenario könnte nun bei Leon Goretzka (Vertrag bis 2022) oder Kingsley Coman (Vertrag bis 2023) drohen. "Wir sind in Gesprächen mit Goretzka und Coman. Absolute Topspieler wollen dementsprechend bezahlt werden. Da sind wir nicht naiv, das ist auch vollkommen in Ordnung. Bei Alaba hat man aber gesehen, dass wir ab einem gewissen Punkt nicht mehr bereit waren weiterzugehen", erklärte Kahn. Trotzdem ist er "optimistisch", dass Goretzka und Coman ihre Verträge vorzeitig verlängern.
Kostspielige Neuzugänge wird es beim FC Bayern in diesem Sommer unterdessen wohl keine mehr geben. Kahn sieht den Kader "sehr, sehr gut aufgestellt" und glaubt, dass das große Ziel Champions-League-Titel in dieser Konstellation "absolut zu erreichen" sei. Man könne auch "mit großer Vernunft großen Erfolg" haben. Im Vergleich zu spendierfreudigeren Klubs wie das von ihm namentlich genannte Paris Saint-Germain sei "die unglaubliche Erfolgskultur der Mannschaft unser Wettbewerbsvorteil".
Neu verpflichtet hat der FC Bayern in diesem Sommer bisher Innenverteidiger Dayot Upamecano (22 Jahre, 42,5 Millionen Euro von RB Leipzig), Linksverteidiger Omar Richards (23 Jahre, ablösefrei vom FC Reading) und Keeper Sven Ulreich (32 Jahre, ablösefrei vom Hamburger SV). Verlassen haben den Klub Alaba (ablösefrei zu Real Madrid), Javi Martinez (ablösefrei zum Qatar SC), Jerome Boateng (ablösefrei, Ziel unbekannt) und Alexander Nübel (per Leihe zur AS Monaco).
Kahns Erwartungen an Trainer Julian Nagelsmann sind immens
Während Kahn am Montag seinen ersten öffentlichen Auftritt als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern hinlegte, erlebte Julian Nagelsmann seinen ersten Arbeitstag als neuer Trainer. Im Idealfall sollte er wohl noch am selben Abend Titel präsentieren oder wenigstens ein Konzept für einen spontanen Wettbewerb, den er dann spätestens am Dienstag gewinnen könnte.
"Beim FC Bayern muss der Erfolg immer sehr, sehr schnell kommen", betonte Oliver Kahn, angesprochen auf die Erwartungen an Nagelsmann. "Wir haben mit der zehnten Meisterschaft in Folge und in der Champions League Großes vor." Wie für die vergangenen Trainer des FC Bayern gibt es also auch für den erst 33-jährigen Nagelsmann keine Schonfrist. Trotz fünfjähriger Vertragsdauer, trotz der Ablösesumme von bis zu 25 Millionen Euro an RB Leipzig.
Abgesehen von den Titel-Ambitionen richtete Kahn noch eine zweite Zielvorgabe an Nagelsmann: "Wir erwarten auch von ihm, dass er jüngere Spieler entwickelt und Spieler nach vorne bringt, die wir vielleicht so gar nicht auf dem Schirm gehabt haben." Konkret nannte Kahn in dieser Hinsicht die Leih-Rückkehrer Chris Richards und Joshua Zirkzee.
Während der 21-jährige Defensivallrounder Richards bei seinem halben Jahr in Hoffenheim überzeugte, war die Leihe des ein Jahr jüngeren Stürmers Zirkzee nach Parma ein Reinfall. Bei vier Kurzeinsätzen gelang ihm kein Tor, anschließend fehlte er wochenlang mit einer Innenbandverletzung.