Vier Spiele, kein Sieg - und wegen der Corona-bedingten Verschiebung des DFB-Pokalspiels beim Bremer SV nun zwei Wochen Pause. Was blieb von den Vorbereitungsspielen unter dem neuen Trainer Julian Nagelsmann abgesehen von den schlechten Resultaten hängen? Die Erkenntnisse.
1.: Julian Nagelsmann setzt zunächst auf bewährte Systeme
Taktik-Guru Pep Guardiola war im Sommer 2013 gerade ein paar Wochen Trainer des FC Bayern, da spielte er zum allseitigen Erstaunen die Wichtigkeit von taktischen Systemen herunter. "Nur Telefonnummern" seien das, erklärte er damals. Viel wichtiger dagegen, wie sie mit Leben gefüllt werden.
Vor allem in seinem zweiten und dritten Jahr beim FC Bayern wählte Guardiola unterschiedlichste Telefonnummern - womit er sich von seinen meist System-treuen Vorgängern und Nachfolgern Jupp Heynckes, Carlo Ancelotti, Jupp Heynckes, Niko Kovac und zuletzt Hansi Flick unterschied. Mit der Verpflichtung von Julian Nagelsmann als neuem Trainer wurde die Rückkehr des wilden Telefonnummern-Wählens erwartet. Bei seinem Ex-Klub RB Leipzig hatte er sich in dieser Hinsicht doch äußerst experimentierfreudig gezeigt.
Bei den vier Testspielen war davon aber noch nichts zu sehen, Nagelsmann wechselte lediglich zwischen einem 4-2-3-1 und einem 4-3-3. Das in seiner bisherigen Karriere am häufigsten angewandte 3-4-2-1 testete er noch nicht.
Da viele EM-Fahrer erst spät ins Training einstiegen und der Kader darüber hinaus von Verletzungsproblemen geplagt ist, setzt Nagelsmann auf bewährte Systeme. "Ich habe oft betont, dass ich ein paar neue Dinge reinbringen möchte, aber nicht auf Teufel komm raus in den ersten Spielen", sagte er nach der 0:2-Heimniederlage gegen Borussia Mönchengladbach im vorletzten Testspiel.
2.: Die zweite Reihe drängt sich kaum auf
Es gibt eine Situation, die die Leistungen der sogenannten zweiten Reihe in der Vorbereitung am besten symbolisiert: die vergebene Torchance von Joshua Zirkzee beim zweiten Testspiel gegen Ajax Amsterdam (2:2). Alleine vor dem Tor zögerte er so lange, bis ihm ein Verteidiger doch noch den Ball vom Fuß grätschte. "Ich denke und hoffe, dass er in einem Pflichtspiel eine andere Seriosität in so einer Situation an den Tag legt", sagte Nagelsmann danach.
Ähnlich wie Zirkzee, der in der Rückrunde bei Parma Calcio kaum spielte und abstieg, überzeugten auch die beiden anderen Leih-Rückkehrer in der Vorbereitung nicht. Michael Cuisance (zuletzt bei Olympique Marseille) und Chris Richards (zuletzt bei der TSG Hoffenheim) bekamen zwar viele Einsatzminuten, blieben dabei aber zumeist wirkungslos. Zirkzee hat den Klub mittlerweile schon per Leihe zum RSC Anderlecht verlassen, Cuisance könnte ihm folgen.
Sven Ulreich vertrat den urlaubenden Manuel Neuer in drei der vier Testspielen, kassierte dabei acht Gegentore und strahlte kaum Sicherheit aus. Der ablösefreie Neuzugang vom FC Reading Omar Richards zeigte sich zwar bemüht, oftmals aber mit Schwächen im taktischen Bereich. Unverschuldet nicht empfehlen konnten sich in der Vorbereitung Marc Roca (Außenbandriss Sprunggelenk) und Corentin Tolisso (Corona-Infektion), die alle Testspiele verpassten.
Ordentliche Leistungen zeigten immerhin Eric Maxim Choupo-Moting, gegen Ajax der vielkritisierte Rechtsverteidiger Bouna Sarr und in seinen 45 Minuten bei der 3:0-Niederlage gegen den SSC Neapel im abschließenden Testspiel Jamal Musiala. Im Großen und Ganzen wird es aber von Beginn an auf die etablierten Schlüsselspieler der vergangenen Jahre um Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Thomas Müller und Robert Lewandowski ankommen.
3.: Drei Nachwuchsspieler haben Chancen auf Kaderplätze
Anders als die sogenannte zweite Reihe machten immerhin drei Vertreter der vielleicht sogenannten dritte Reihe auf sich aufmerksam und dürfen vor allem zu Beginn der Saison mit Kaderplätzen und vielleicht sogar Einsätzen rechnen: Josip Stanisic, Torben Rhein und Armindo Sieb.
Der 21-jährige Defensivallrounder Stanisic aus der eigenen Jugend stand in allen vier Testspielen in der Startelf und überzeugte dabei gleich auf mehreren Positionen mit aggressivem Zweikampfverhalten und sauberem Passspiel: Sowohl auf der linken und der rechten Außenbahn als auch in der Innenverteidigung und der Sechs. Bereits vor Beginn der Vorbereitung hatte er einen Profivertrag bis 2023 unterschrieben.
Genau wie Stanisic kam auch der 18-jährige Mittelfeldspieler Rhein in allen Testspielen zum Einsatz. Beim 2:2 gegen Ajax gelang ihm sogar ein Assist.
Gleich alt wie Rhein ist Flügelspieler Armindo Sieb, der beim 2:3 gegen den 1. FC Köln ein Tor erzielte. Er hat gute Chancen, den Platz als vierter Flügelspieler hinter Leroy Sane, Kingsley Coman und Serge Gnabry einzunehmen und somit zum festen Kadermitglied aufzusteigen. Nagelsmann kennt Sieb schon aus seiner Zeit bei Hoffenheim. Als er bei einer Pressekonferenz im April seinen Wechsel zum FC Bayern verkündete, nannte er ihn einen "sehr guten Spieler, der sicherlich oben rauskommen könnte". Quirlig und dribbelstark ist Sieb und laut Nagelsmann ein Spieler, der "sehr eklig zu verteidigen ist".
4.: Die Innenverteidigung ist ein Lichtblick
Die durch die Abgänge von David Alaba und Jerome Boateng ausgedünnte Innenverteidigung ist die einzige Position, bei der sich im Laufe der Vorbereitung eine langfristig denkbare Besetzung einspielen konnte: Neuzugang Dayot Upamecano und So-gut-wie-Neuzugang Tanguy Nianzou, der große Teile der vergangenen Saison verletzt verpasst hatte. Beide schafften es nicht in den französischen EM-Kader und trainieren daher seit dem ersten Vorbereitungstag unter Nagelsmann.
"Upa und Tanguy haben eine gute Entwicklung genommen und sich beide gesteigert", lobte Nagelsmann. Obwohl sich die Defensive generell wackelig präsentierte und in vier Spielen insgesamt zehn Gegentore kassierte, unterstrichen Upamecano und Nianzou wiederholt ihre Qualitäten: Zweikampfstärke und Spieleröffnung.
Großes Lob hatte Nagelsmann vor allem für Upamecano übrig: "Er ist einer, der vorangeht, weil er verteidigen will, weil er Wucht und Tempo an den Tag legt. Er wird sich schrittweise zu einer noch größeren Führungsperson entwickeln."
Upamecano und Nianzou werden wohl auch zum Saisonstart das Innenverteidiger-Duo bilden. Weil Lucas Hernandez weiterhin verletzt fehlt, kämen als ernsthafte Alternativen ansonsten nur die beiden gerade erst aus dem EM-Urlaub zurückgekehrten Niklas Süle und Benjamin Pavard in Frage.
FC Bayern München: Nächste Termine im Überblick
Datum | Uhrzeit | Gegner |
Freitag, 13. August | 20.30 Uhr | Borussia Mönchenglabdach (Bundesliga) |
Dienstag, 17. August | 20.30 Uhr | Borussia Dortmund (Supercup) |
Sonntag, 22. August | 17.30 Uhr | 1. FC Köln (Bundesliga) |