Sadio Mané auf dem Zaun, zwei große Pyrotechnik-Einsätze, sinkende Ticket-Nachfrage - und die bevorstehende Jahreshauptversammlung: Im Interview mit SPOX und GOAL ordnet Alexander Salzweger Fan-Themen rund um den FC Bayern München ein. Salzweger ist Sprecher des Club Nr. 12, der Vereinigung aktiver Bayern-Fans.
Herr Salzweger, vor Saisonbeginn war auf der Website der Südkurve München zu lesen, dass "die letzten Heimspiele in der abgelaufenen Saison leider nicht so stimmungsvoll wie erwartet" gewesen wären: "Das muss wieder besser werden." Wie zufrieden sind Sie bisher?
Alexander Salzweger: Wir sind positiv überrascht, die Stimmung hat sich deutlich verbessert. Eine Rolle gespielt haben dabei sicher die großen Choreos und Pyro-Aktionen gegen Gladbach und Inter, sowas motiviert die Leute. Was aber auffällt: Die Ticket-Nachfrage ist deutlich gesunken. Ich habe hier noch nie ein Champions-League-Spiel gegen einen Top-Gegner erlebt, bei dem Tickets einfacher erhältlich waren als gegen Barcelona. Es kommen immer weniger Event-Fans und insbesondere asiatische Touristen ins Stadion. Einen großen Nachwuchs-Schub stelle ich gleichzeitig nicht fest.
Das Spiel gegen den FC Barcelona war Robert Lewandowskis erster Auftritt in München seit seinem turbulenten Abschied im Sommer. Von den Rängen gab es hauptsächlich Applaus und vereinzelte Pfiffe. Wurde sein Empfang in der Fanszene zuvor besprochen?
Salzweger: Nein, überhaupt nicht. Gedanken machen wir uns nur bei der Rückkehr von Spielern, zu denen wir eine emotionale Bindung haben. Lewandowski hat zwar immer seine Leistung gebracht, war aber nie ein Liebling der Massen. Sein Abschied hätte anders laufen können. Aber dafür muss man ihn auch nicht auspfeifen.
Lewandowskis Superstar-Nachfolger Sadio Mané suchte unterdessen sofort die Nähe zu den Fans. Nach dem Sieg zum Bundesliga-Auftakt bei Eintracht Frankfurt hing er auf dem Zaun vor dem Auswärtsblock.
Salzweger: Wir haben ihn nicht hochgerufen, das hat er selbst entschieden. Wir finden es natürlich sympathisch, dass er einen engen Kontakt zu uns Fans sucht. Das darf er gerne so weiterführen, aber bitte auch ein bisschen öfter das Tor treffen.
imago imagesWelcher Zaun-Besuch eines Spielers ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Salzweger: Am emotionalsten war es beim Abschied von Franck Ribéry. Er ist den Fans weinend in den Armen gelegen.
Zurück zum Spiel gegen Barcelona: Erstmals waren in der Allianz Arena bei einem Champions-League-Spiel Stehplätze erlaubt. Seit dieser Saison gibt es einen entsprechenden Testlauf in Deutschland, England und Frankreich. Welchen Anteil daran haben die Fanszenen?
Salzweger: Die internationale Fan-Organisation hat sich 18 Jahre lang dafür eingesetzt und Lobbyarbeit geleistet. Auch Bayern-Vertreter sind bei solchen Themen oft involviert. So leistet zum Beispiel unser ehemaliger Vorsitzender Gregor Weinreich schon viele Jahre Arbeit über die Vereinsgrenzen hinaus. Generell sind die deutschen Fanszenen gut strukturiert und europaweit vernetzt. Deutschland dient als Vorbild: Wir beweisen, dass auf Stehplätzen nicht jede Woche Leute sterben. Mit Stehplätzen gibt es eine bessere Stimmung, was schönere Fernsehbilder schafft, und die Vereine können mehr Tickets verkaufen.
Von wo gab es beim Kampf für Stehplätze in der Champions League die größte Hilfe?
Salzweger: Auf internationaler Ebene beschränkt sich die organisierte Fanarbeit auf Deutschland, England und die nordischen Länder. Solche Initiativen kommen immer aus den gleichen Ecken.
Ein großes Anliegen der Fanszenen ist seit jeher auch die Legalisierung von Pyrotechnik: Wie sehen Sie diesbezüglich die Chancen?
Salzweger: Wenn beim Abbrennen konsequent Abstand gehalten und das Zeug nicht geschmissen wird, hätten wir gute Chancen. Aber solange es Vorfälle wie von den Kopenhagen-Fans in Dortmund gibt, wird es nichts mit der Legalisierung. Das war dumm und torpediert die Arbeit von vielen Fan-Organisationen. Wir waren dagegen sehr zufrieden, wie unsere Pyro-Einsätze dieser Saison gelaufen sind. Es wurde Abstand gehalten und keiner hat etwas geschmissen.
Was würde in der Bayern-Fanszene passieren, wenn sich jemand nicht daran halten würde?
Salzweger: Wir gehen da sehr strukturiert vor. Den Leuten wird klar kommuniziert, wo sie währenddessen zu stehen haben. Es gibt auch immer Aufpasser, die schauen, dass den Umstehenden nichts passiert. Jeder kennt die Absprachen. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft.
Salzweger: So ein Jubiläum feiert man nicht so oft, deshalb wollten wir etwas Besonderes machen. Zum Standard wird das aber sicher nicht, dafür ist es uns einfach zu teuer. (lacht) Außerdem hätte der Verein dann ein Problem. Das wollen wir auch nicht. Aktuell gibt es mit dem Verein einen sehr regen und guten Austausch zu vielen Themen.
Nach dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart stieg in der Allianz Arena anlässlich des Südkurven-Jubiläums eine große Feier. Wie war es?
Salzweger: Super, am nächsten Morgen hatte ich jedenfalls Kopfschmerzen. Bis nach Mitternacht herrschte eine tolle Stimmung mit einem bunt gemischten Publikum. Es waren 15-Jährige da und ebenso Leute, die die Anfänge vor 50 Jahren miterlebt haben. Stadionsprecher Stephan Lehmann hat eine Rede gehalten und auch ein paar Ex-Spieler haben vorbeigeschaut.
imago imagesSeit wann gehören Sie der Fanszene des FC Bayern an?
Salzweger: Seit meinem Umzug nach München 2014.
Was hat sich seitdem getan?
Salzweger: Die größten Veränderungen gab es kurz davor mit der Einführung der Drehkreuze und dem daraus resultierenden Stimmungsboykott. Nachdem das geklärt war, haben sich das Verhältnis zum Verein und die Stimmung im Stadion deutlich verbessert. Mittlerweile treten wir organisierter auf und übermitteln unsere Anliegen geschlossener nach außen. Wir haben eine Selbstorganisation, die es früher nicht gab. Der Verein erlaubt uns beispielsweise, eine hohe dreistellige Anzahl an Tickets in der Südkurve selbst zu vergeben. Außerdem haben wir einen eigenen Stand im Stadion, an dem wir Fragen beantworten und die Anwesenheit der Leute kontrollieren. Nennenswert ist in den letzten Jahren außerdem die antirassistische Arbeit der Schickeria München und ihr Einsatz für Denkmäler zu Ehren von Gerd Müller und Kurt Landauer.
Am 15. Oktober steigt die diesjährige Jahreshauptversammlung. Was sind aus Fan-Sicht die wichtigsten Themen?
Salzweger: Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich da nichts groß geändert: Katar. Wir werden den Verein nicht davon überzeugen, das Sponsoring sofort abzubrechen. Aber vielleicht davon, dass er nach Vertragsende stattdessen einen anderen Partner sucht. Der Umgang des Klubs mit Katar hat sich seit der letzten JHV geändert. Davor hieß es: Das ist unser Sponsor, nehmt es hin. Jetzt versucht man, das Engagement besser darzustellen und in den Austausch zu kommen. Ein Beispiel dafür ist der Round Table vor einigen Wochen. Es war gut, dass das versucht wurde. Aber großen Erkenntnisgewinn gab es leider keinen.
Befürchten Sie bei der JHV eine Eskalation wie im vergangenen Jahr?
Salzweger: Das steht und fällt mit der Sitzungsleitung: Wenn Präsident Herbert Hainer und Herr Prof. Dr. Mayer die Leute letztes Jahr am Ende hätten ausreden lassen, hätte es sicher nicht so geknallt. Die Verantwortlichen haben immerhin schnell eingesehen, dass sie zu arrogant aufgetreten sind. Ein Problem ist auch der Aufbau der Veranstaltung. Neulich gab es einen Mitglieder-Workshop darüber, was bei der JHV besser gemacht werden könnte - und da hieß es von allen Seiten: Strafft das Programm! Warum gibt es bei einer Mitgliederversammlung des e.V. einen Finanzbericht der AG? Warum werden eine halbe Stunde lang Pokale präsentiert, die wir bei den Siegerehrungen im Stadion alle schon gesehen haben? Und am Ende heißt es: Sorry, für Diskussionen haben wir keine Zeit mehr. Ich denke, das hat der Verein verstanden und wird es anpassen.