Mit Schaum vor dem Mund liegt Ronaldo in der Hotel-Lobby auf dem Boden, am selben Tag spielt er noch ein WM-Finale - warum, weiß bis heute niemand.
Am 12. Juli 1998 kam es im WM-Finale zum Duell zwischen Brasilien und Frankreich. Der 21-jährige Ronaldo galt als Shootingstar der Seleção, konnte in ebenjenem Turnier bis dahin vier Tore erzielen.
Für das Finale war "O Fenomeno" somit ein wichtiger Bestandteil des Brasilien-Teams - könnte man meinen. Denn letzten Endes zeigte Ronaldo eine desaströse Leistung. Das Unglaubliche daran: Am selben Tag kämpfte der Mittelstürmer noch um sein Leben. Wieso stand er also gegen 'Les Bleus' auf dem Platz?
Es ist noch eine Stunde bis zum Anpfiff, Ronaldo ist jedoch noch nicht mal im Stadion. Der Grund: Der brasilianische Teamarzt Dr. Lidio Toledo lässt ausrichten, Ronaldo könne aufgrund einer Verletzung am linken Sprunggelenk nicht spielen.
WM-Finale 1998: Ronaldo nicht in der Startelf - oder doch?
Auch in der Startelf ist Brasiliens Nummer neun nicht zu finden. Dann aber gibt es eine überraschende Wendung und im Stadion wird eine neue Liste mit der Aufstellung des amtierenden Weltmeisters verteilt - Ronaldo ist plötzlich dabei.
Die Brasilianer erhoffen sich, dass er gegen die Franzosen den Unterschied ausmachen kann. Dies sollte allerdings 90 Minuten lang eine Hoffnung bleiben. Denn Ronaldo findet einfach nicht ins Spiel, zeigt eine unterirdische Leistung.
Am Ende heißt der neue Weltmeister Frankreich, die Südamerikaner gehen mit 0:3 unter. Nach dem Abpfiff gibt es sofort Diskussionen, wie der offensichtlich angeschlagene Ronaldo auf dem Platz stehen konnte und was der wahre Grund für seinen gesundheitlichen Zustand war.
Bis heute gibt es keine Klarheit über die Umstände, einzelne Details konnten aber enthüllt werden - und lassen unglaubliche Geschehnisse an diesem 12. Juli 1998 vermuten.
gettySchaum vor dem Mund: Ronaldo schaut Formel 1 - und bricht zusammen
Ronaldos damaliger Mitspieler Edmundo berichtet, Ronaldo habe in der Hotel-Lobby das Rennen der Formel 1 verfolgt. Auf einmal erlitt er aber einen Anfall und schlug wild um sich. Seine Mitspieler mussten ihn demnach festhalten und der 21-Jährige hatte Schaum vor dem Mund.
"Es war schockierend, denn er ist so groß und stark und machte es mit aller Kraft", erklärte Edmundo im Nachhinein. Zimmerkollege Roberto Carlos lief auf den Flur und schrie: "Ronaldo stirbt!"
Und es wurde noch dramatischer: Die Ärzte kamen nicht schnell genug und Mitspieler César Sampaio rettete dem jungen Ronaldo das Leben. Er hatte nämlich seine Zunge verschluckt und Sampaio zog diese aus dem Hals. Ronaldo selbst erzählte später: "Ich kann mich an nichts erinnern. Ich war drei, vier Minuten bewusstlos".
"Als wir um 17.30 Uhr gegessen haben, kam Ronaldo als Letzter, saß aber nur mit hängendem Kopf da, schwieg und aß nichts", berichtete Edmundo weiter. Anschließend macht sich das Team auf den Weg in Richtung Stadion - ohne Ronaldo und die sonst übliche Samba-Musik zur Einstimmung.
Er wurde nämlich in die Klinik Lilas gebracht. Dort konnte kein epileptischer Anfall diagnostiziert werden und es blieb unklar, warum Ronaldo solch einen Anfall erlitten haben. Auch nach der Krankenhaus-Entlassung am selben Tag gab es vorerst keinen Kontakt zur Mannschaft oder den Teamärzten.
Ronaldo kommt im Stade de France an: "Ich werde spielen!"
Schließlich machte sich der Youngster auf den Weg zum Stade de France, um mit der Seleção auf Torejagd zu gehen. In der Kabine angekommen machte Ronaldo vor der Mannschaft deutlich: "Ich habe keine Probleme. Ich möchte spielen und ich werde spielen!"
Trainer Mario Zagallo stellte Ronaldo also auf - obwohl sich der Mittelstürmer nicht einmal aufwärmte. "Wenn ich ihn nicht aufgestellt und Brasilien 0:3 verloren hätte, dann würden die Leute immer noch sagen, Zagallo ist ein Holzkopf, er hätte Ronaldo spielen lassen müssen, schließlich ist er der beste Fußballer der Welt", begründete Zagallo seine Entscheidung später.
Anschließend machten erste Verschwörungstheorien die Runde, wonach Ronaldo von Sponsor Nike dazu gezwungen worden war, auf dem Platz zu stehen. Die Fußball-Legende widersprach dem jedoch und sagte: "Mein Verhältnis zu ihnen war immer sehr gut, sie haben von mir nur verlangt, ihre Schuhe zu tragen und ein paar Tore zu schießen."
Im Gespräch mit der spanischen Tageszeitung El País kam er eines Tages erneut auf die Geschehnisse vom 12. Juli 1998 zu sprechen und erläuterte: "Ich kann es nicht erklären. Ich weiß nur, dass ich mich sehr krank fühlte, dass wir ins Krankenhaus fuhren und alle nur möglichen Tests machten. Medizinisch war nichts, rein gar nichts."
So oder so schaffte es Brasilien gegen Frankreichs Mannschaft um Zinédine Zidane nicht, den WM-Titel zu verteidigen. Ob Ronaldos Anfall in der Hotel-Lobby der Grund dafür war? Man wird es vermutlich nie erfahren.