Seine Eltern nahmen für jedes Training bei 1860 München eine Strecke von 120 Kilometern auf sich, um ihm seinen Traum vom Fußballprofi ein Stückchen näher zu bringen - dabei war sein Vater Bayern-Fan. Mit 23 ist Florian Neuhaus nicht nur ein gestandener Bundesliga-Spieler, er trägt seit kurzem auch das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Vor seinem zweiten Länderspiel gegen Tschechien (ab 20.45 Uhr im LIVETICKER) erzählt er SPOX und Goal von seinem Weg nach oben.
Im Interview spricht der Mittelfeldmann von Borussia Mönchengladbach auch über den Umgang mit Corona und seine ersten Erfahrungen in der Champions League.
Außerdem erklärt Neuhaus, warum er trotz seiner Vergangenheit bei 1860 einen Wechsel zum FC Bayern nicht ausschließen würde.
Herr Neuhaus, in Leipzig soll heute Abend Fußball gespielt werden. In den vergangenen Tagen stand die Stadt aufgrund einer Anti-Corona-Demonstration von sogenannten "Querdenkern" im Mittelpunkt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie davon mitbekamen?
Florian Neuhaus: Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er so etwas gut findet oder nicht. Ich bin der Meinung, dass wir uns an die Regeln halten sollten, um uns und unsere Mitmenschen zu schützen. Man darf dieses Virus nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir haben hier bei der Nationalmannschaft ja ein paar Spieler, die bereits infiziert waren. Ilkay Gündogan zum Beispiel. Der hat uns auch gesagt, dass wir Corona auf keinen Fall unterschätzen sollen. Wir Fußballer genießen sowieso ein unglaubliches Privileg, dass wir unseren Beruf in diesen Zeiten weiter voll ausüben können. Deshalb ist es für uns umso wichtiger, gute Vorbilder zu sein und den Sicherheitskonzepten Folge zu leisten.
Auf Sie kommt ihr zweiter Länderspiel-Einsatz für die A-Nationalmannschaft zu. Ihr Debüt am 7. Oktober, dem 3:3 gegen die Türkei, krönten Sie mit einem Tor.
Neuhaus: Als kleiner Junge habe ich den Nationalspielern vor dem Fernseher zugejubelt. Wenn man dann plötzlich selbst da unten steht und die Hymne ertönt, geht ein Kindheitstraum in Erfüllung. Das Tor hat diesen besonderen Tag noch ein Stück besonderer gemacht.
Wie erfuhren Sie von Ihrer Nominierung und wie fiel Ihre Reaktion aus?
Neuhaus: Der Bundestrainer hat mich angerufen. Ich habe dann direkt meine Eltern kontaktiert, um es Ihnen zu erzählen. Die konnten es gar nicht richtig glauben und haben vor Freude erst mal nur in den Hörer geschrien.
imago images / Uwe KraftFlorian Neuhaus: "Es war nicht immer einfach für meine Eltern"
Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Eltern?
Neuhaus: Sehr eng. Ich bin ihnen sehr dankbar, weil sie mich vom ersten Tag an unterstützt und intensiv auf meinem Weg begleitet haben, was nicht selbstverständlich war. Ich erinnere mich noch, wie sie mich immer von unserem Wohnort in Landsberg am Lech nach München zum Training von 1860 gefahren haben. 60 Kilometer hin, 60 Kilometer zurück. Fast jeden Tag. Es war auch nicht immer einfach für sie. Deshalb ist es umso schöner, es bis zur Nationalmannschaft gebracht zu haben.
Das Image der DFB-Elf hat in den vergangenen Jahren allerdings sehr gelitten. Häufig wird der Sinn von Länderspielen hinterfragt, in terminlich eng getakteten Zeiten wie diesen erst recht. Wie stehen Sie zu der hohen Belastung?
Neuhaus: Ich finde es nicht schlimm, dass wir so häufig spielen. Ich spiele lieber als zu trainieren. Und die Nationalmannschaft ist und bleibt für jeden Fußballer etwas Besonderes. Wir haben viele junge Spieler hier, die sehr stolz sind, für ihr Land spielen zu dürfen. Ich persönlich freue mich auch auf jedes Testspiel, weil das bedeutet, dass ich mich weiterentwickeln kann. Und darum geht es uns Spielern ja: Wir wollen uns weiterentwickeln. Das geht am besten über Spiele, über Erfolgserlebnisse. Die schweißen eine Mannschaft zusammen. So entsteht dann auch Teamgeist.
Ist das nicht schwierig, wenn man sich nur alle paar Monate trifft und sowohl auf als auch neben dem Platz kaum Zeit miteinander verbringt?
Neuhaus: Einige von uns kennen sich ja untereinander. Wir können uns wegen Corona zwar nicht in großen Gruppen austauschen, Gespräche zwischen einzelnen Spieler sind auf Abstand und mit Maske aber möglich. Ich habe die Tage zum Beispiel viel mit Felix Uduokhai gesprochen. Wir kennen uns seit unserem zehnten Lebensjahr und haben zusammen alle Jugendmannschaften bei 1860 durchlaufen. Generell muss ich sagen, dass wir einige gute Typen in der Mannschaft haben. Am Ende wird es natürlich darauf ankommen, Erfolgserlebnisse auf dem Platz zu sammeln. Aber auch da sehe ich uns auf einem guten Weg. Wenn jeder Einzelne seine Stärken abruft und wir eine kompakte Einheit bilden, sind wir für jeden Gegner auf der Welt unangenehm.
imago images / SchülerFlorian Neuhaus: EM? "Ich mache mich nicht verrückt"
Im Team dürfte im Hinblick auf die EM-Nominierungen im kommenden Jahr aber auch ein gewisser Konkurrenzkampf herrschen. Wie gehen Sie damit um?
Neuhaus: Ich mache mich nicht verrückt. Wir leben in einer Pandemie und da bringt es einfach nichts, groß nach vorne zu schauen. Ich konzentriere mich auf die Spiele, die jetzt anstehen.
Sie können sich ja auch über Ihren Verein empfehlen - so wie zuletzt in der Champions League mit Spielen gegen Real Madrid, Inter Mailand oder Shakhtar Donetsk.
Neuhaus: Für solche Spiele wirst du Fußballer. Allein das Gefühl, sich mit den besten Mannschaften Europas zu messen, ist besonders. Und wenn man dann merkt, mit solchen Mannschaften mithalten und sogar gewinnen oder fast gewinnen zu können, fühlt sich das noch besser an.
Man hat das Gefühl, in Mönchengladbach entsteht etwas.
Neuhaus: Wir haben sehr gute Jungs, einen tollen Trainer und sind als Mannschaft unangenehm zu bespielen. Das gilt aber auch für andere deutsche Mannschaften. Wenn man auch die Ergebnisse von Bayern, Dortmund oder Leipzig sieht, muss man sagen: Der deutsche Fußball braucht sich im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. Die Bundesliga ist eine starke Liga.
Sie haben Ihren Trainer Marco Rose angesprochen. Er ist dafür bekannt, großen Wert auf Taktik zu legen. Wie hat er Sie in dieser Hinsicht voran gebracht?
Neuhaus: Er hat, wie auch der Bundestrainer, eine sehr kommunikative Art und gibt seinen Spielern viel Feedback. Taktisch war meine Versetzung auf die Position des Sechsers entscheidend. Zuvor habe ich etwas offensiver, mal auf der Acht oder auf der Zehn, gespielt. Es tut meinem Spiel gut, nun noch mehr Aktionen im Spielaufbau zu haben. Trotzdem kann ich weiterhin selbst mit nach vorne stoßen, den vorletzten oder letzten Pass spielen und auch selbst den Abschluss suchen. Das passt zu meinem Spielerprofil.
Florian Neuhaus: FC Bayern? "Ich will mich nicht festlegen"
Wenn Sie auf Ihren bisherigen Werdegang blicken: Haben Sie 2017 mit dem Wechsel von München nach Mönchengladbach alles richtig gemacht?
Neuhaus: Der Schritt nach Mönchengladbach war goldrichtig. Es war anfangs zwar nicht einfach, so weit von der Heimat entfernt zu sein, aber es lief sportlich eigentlich auf Anhieb gut. Auch die Leihe zu Fortuna Düsseldorf hat mich vorangebracht, weil ich viele Einsätze bekommen habe. Jetzt bin ich froh, so viele Spielanteile bei der Borussia zu bekommen.
Im vergangenen Jahr gab es Gerüchte um Sie und eine Rückkehr nach München. Es hieß, der damalige Bayern-Trainer Niko Kovac sei sehr an Ihnen interessiert. Wäre ein Wechsel zum FCB aufgrund Ihrer Vergangenheit als "Löwe" überhaupt denkbar?
Neuhaus: Ich will mich da nicht festlegen. Der FC Bayern ist ein großer Verein. Ich habe bei der Nationalmannschaft ja auch ein paar Jungs von den Bayern kennengelernt, die nur positiv über den Verein sprechen. Außerdem ist mein Papa ein riesiger Bayern-Fan. Aber ich bin Spieler von Borussia Mönchengladbach und konzentriere mich auf nichts anderes.
Florian Neuhaus im Steckbrief
geboren | 16. März 1997 in Landsberg am Lech |
Größe | 1,83 m |
Gewicht | 75 kg |
Position | zentrales Mittelfeld |
starker Fuß | rechts |
Stationen | VfL Kaufering (2003-2007), TSV 1860 München (2007-2017), Fortuna Düsseldorf (2017-2018), Borussia Mönchengladbach (seit 2018) |
Spiele in der Bundesliga/Tore/Vorlagen | 69/7/11 |