Raffael ist Mönchengladbachs bester Fußballer und der Fixpunkt im Angriffsspiel der Borussia. Die vergangenen Wochen haben aber gezeigt, dass er auch für den Verein eine Gefahr darstellt. Andre Schubert und vor allem Max Eberl stehen vor einer schweren Aufgabe.
Wenn die Borussia am Freitagabend in Berlin gastiert (20.30 Uhr im LIVETICKER), wird Raffael sein 100. Bundesligaspiel für die Fohlen absolvieren. In den bisherigen 99 Partien traf der Brasilianer 42 Mal und legte weitere 19 Tore auf. Damit ist der 31-Jährige der gefährlichste Offensivspieler Gladbachs seit vielen Jahren, selbst Marco Reus blickt auf eine schwächere Quote im Dress der Fohlen zurück.
Sein Wert für Mönchengladbach geht aber weit über das Toreschießen und Vorbereiten hinaus. Raffael ist das Bindeglied zwischen Defensive und Offensive, der wichtigste Umschaltspieler im Kader. Er fordert den Ball, treibt ihn nach vorne und findet die Schnittstelle in der gegnerischen Defensive oder die freien Räume auf den Außen. Raffael ist gleichzeitig Goalgetter, Assistgeber und Regisseur im Spiel der Borussia.
"Das kriege ich im Leben nicht hin"
Seine Bewegungen mögen auf manchen Beobachter langsam wirken. Tatsächlich gibt es in der Liga aber nur wenige Spieler, die in der Lage sind, den Ball mit so viel Tempo so eng am Fuß zu führen wie der Brasilianer. Gegenspielern bleibt meist nur der Griff ans Trikot oder die Grätsche. Es ist viel mehr die unaufgeregte, abgeklärte Art Raffaels, die den Eindruck der Behäbigkeit entstehen lässt und ihn gleichzeitig so unberechenbar macht.
Raffael im Porträt: Der 90-Minuten Exhibitionist
"Es macht keinen Sinn, mir anzugucken, wie Raffael seine Gegenspieler ausdribbelt. Das ist zwar schön anzusehen und das finde ich auch gut, aber das kriege ich ja im Leben nicht hin", sagte Christoph Kramer Mitte September im Interview mit SPOX über seinen Mannschaftskollegen Raffael und deckte damit gleichzeitig ein großes Problem des Vereins auf: Gladbach ist abhängig von Raffael. Zu abhängig.
In der Liga viermal torlos
Seit der 31-Jährige gegen den FC Barcelona verletzt ausgewechselt wurde, lahmt das Offensivspiel der Borussia. Es fehlt an Ideen, Tempo und Abschlüssen. Ohne Raffael blieben die Fohlen in der Liga zuletzt viermal torlos. Selbst im Borussia-Park, wo Gladbach in den letzten Jahren nur sehr selten Punkte liegen ließ, stand gegen den Hamburger SV und Eintracht Frankfurt nach 90 Minuten kein Heimtreffer auf der Anzeigetafel. Im Pokal und in der Champions League fuhren die Fohlen während Raffaels Abwesenheit gleichzeitig zwar zwei Siege und ein Unentschieden ein, wie sehr der Ausfall des Brasilianers das Offensivspiel der Borussia limitiert, war aber auch dort deutlich sichtbar.
"Vorn hat uns etwas die Beweglichkeit, die Überraschung gefehlt gegen einen Gegner, der nach dem Platzverweis nicht mehr richtig am Spiel teilnehmen wollte", analysierte Andre Schubert nach der Partie gegen den HSV. Die Aussage des Gladbacher Trainers kann auf jedes Spiel der letzten fünf Wochen übertragen werden, in dem Raffael auf der Tribüne zuschauen musste.
Schubert findet keine Lösung
Schubert kann man dabei nicht vorwerfen, nicht nach einer adäquaten Ersatz-Lösung gesucht zu haben. Gegen Schalke setzte er auf zwei Stürmer und Mahmoud Dahoud als verbindendes Glied und hängende Spitze, gegen den HSV durfte sich Johnson auf der Raffael-Position versuchen und gegen Frankfurt bot der 45-Jährige in Kramer und Dahoud zwei Achter auf. Einzig der Erfolg blieb aus. Die Variante mit Lars Stindl hinter Andre Hahn im Zentrum funktionierte gegen Glasgow und Stuttgart noch am besten.
Gladbachs Coach experimentiert damit im Rahmen seiner Möglichkeiten. Einen tatsächlichen Backup sucht man im Kader Gladbachs, der eigentlich darauf ausgelegt ist, auf jeder Position doppelt besetzt zu sein, vergebens. Jonas Hofmann, der im Zentrum und auf den Flügeln agieren kann, läuft den Erwartungen noch immer hinterher, Dahoud hatte zu Saisonbeginn sogar Probleme, sich überhaupt für die Startelf zu empfehlen. Der junge Laszlo Benes ist frühestens in einem Jahr eine Option.
Bleibt Thorgan Hazard, der seine Geschwindigkeit und seine Stärken im Eins-gegen-eins auf den Außen zwar besser zur Geltung bringen kann, zentral aber durchaus auch eine wichtige Rolle übernehmen kann. Allerdings verletzte sich auch der Belgier und verschlimmerte Gladbachs Sorgen damit zusätzlich. Immerhin: Gegen Glasgow feierte der 23-Jährige sein Comeback und war auf Anhieb der umtriebigste Spieler auf dem Platz.
Raffael auch extern nicht zu ersetzen
Die eminent wichtige Bedeutung Raffaels ist keinesfalls eine neue Erkenntnis für Borussia Mönchengladbach. Strahlend verkündete man Ende Juni die Vertragsverlängerung des Brasilianers, einer der wichtigsten Personalien, bis 2019. Neu ist hingegen die jederzeit sichtbare spielerische Armut Gladbachs ohne den Taktgeber, der seit seines Wechsels an den Niederrhein überhaupt nur viermal verletzt war und dabei nie mehr als zwei Spiele in Folge verpasste. Erst sein jetziger Ausfall (sieben Spiele) und die direkt damit verbundene Negativ-Serie decken die fehlenden Alternativen eklatant auf und rufen Max Eberl auf den Plan.
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Dessen Aufgabe ist aber denkbar schwer. Raffael ist ein einzigartiger Spieler, für den sich auch auf dem Transfermarkt kaum ein Äquivalent finden lässt. Gleichzeitig wird kein Spieler, der auch nur über ähnliche Fähigkeiten verfügt wie Raffael, nach Gladbach kommen, um sich hinter dem 31-Jährigen anzustellen.
Vor Eberl liegt eine Mammut-Aufgabe, die er im besten Fall bereits im Winter, spätestens aber im Sommer lösen muss, um einen Einbruch wie den der letzten Wochen zukünftig verhindern oder zumindest besser abfangen zu können. Bis dahin muss man in Gladbach hoffen, dass Raffael von weiteren schwereren Verletzungen verschont bleibt.
Raffael im Steckbrief