Irre Aufholjagd beschert Hannover drei Punkte

Stefan RommelFabian Swidrak
11. November 201223:06
Mohammed Abdellaoue erzielte in den ersten sechs Minuten nach seiner Einwechslung zwei ToreGetty
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Hannover 96 hat einen Big Point im Kampf um die internationalen Plätze gelandet. Die Niedersachsen siegten beim VfB Stuttgart nach einem 0:2-Rückstand noch 4:2 (0:2).

Vor 50.670 Zuschauern in der Mercedes-Benz Arena besorgten Christian Gentner (21.) und Vedad Ibisevic per Foulelfmeter (36.) vor der Pause die vermeintliche Vorentscheidung.

Nach dem Wechsel drehte Hannover aber binnen 16 Minuten die Partie und erzielte durch Artur Sobiech (57.), Jan Schlaudraff (65., Handelfmeter) und Mo Abdellaoue (68., 73., Foulelfmeter) vier Treffer.

Durch den zweiten Auswärtssieg rückt Hannover auf Rang sechs vor. Der VfB, der zuvor fünf Spiele am Stück ungeschlagen war, steckt auf Platz zwölf im Mittelfeld der Tabelle fest.

SPORTAL Einzelkritik: Matchwinner Abdellaoue - Huszti schwach

Reaktionen:

Bruno Labbadia (Trainer VfB Stuttgart): "Das war eine brutale Niederlage für uns, die schwer zu fassen ist. Wir haben in der ersten Hälfte sensationell gespielt und bis auf eine Chance, die wir auch noch selbst vorbereitet haben, nichts zugelassen. Wir sind auch gut aus der Pause gekommen, doch durch einfache Ballverluste haben wir Hannover in die Karten gespielt. Wir haben gesehen, wenn wir 100 Prozent geben, dass wir richtig tollen Fußball spielen können. Wenn wir aber zehn bis 15 Prozent nachlassen, dann bekommen wir Probleme. Wir müssen uns in den Hintern beißen und sind extrem enttäuscht."

Mirko Slomka (Trainer Hannover 96): "Der VfB war uns in der ersten Hälfte klar überlegen und verdient mit 2:0 vorne. Wir wussten aus der Vergangenheit, dass uns eine gute Aktion helfen könnte. Darauf haben wir uns in der Pause eingeschworen, und wir haben auch taktisch umgestellt. Das hat sich gelohnt. Wir haben dann klar und gut nach vorne gespielt und sind sehr glücklich mit dem Sieg gegen starke Stuttgarter."

Christian Gentner (VfB Stuttgart): "Wir hatten in der zweiten Hälfte viele Ballverluste und haben dadurch den Gegner eingeladen. Besonders die Art und Weise, wie wir das Spiel verloren haben, ist bitter. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir stabiler sind als zu Beginn der Saison und dass uns diese Niederlage nicht umwirft."

Mo Abdellaoue (Hannover 96): "Was wir heute gemacht haben, war fantastisch. Wir wussten, dass wir uns nach der Halbzeit steigern mussten und dass sich Stuttgart vielleicht zu sicher fühlen würde. Das war unsere Chance, die wir genutzt haben, auch weil wir dann einfach an uns geglaubt haben."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Der VfB muss auf seine wichtigste Figur verzichten. Kvist fehlt wegen Magen-Darm-Problemen. Für den Dänen gibt Kuzmanovic den Abräumer im 4-1-4-1. Ansonsten keine Änderungen bei den Gastgebern.

Hannover muss weiter auf da Silva Pinto verzichten. Dafür rückt Schulz auf die Doppel-Sechs. Schlaudraff sitzt erneut nur auf der Bank. Im Sturm bringt Trainer Slomka wieder Sobiech und Diouf. Ya Konan nur auf der Bank.

19.: Langer Ball Kuzmanovic auf Gentner. Der schickt Ibisevic perfekt in den Lauf. Satter Volleyschuss aus 23 Metern. Knapp über die Latte.

21., 1:0, Gentner: Seitenwechsel von Ibisevic auf Holzhauser. Dessen Flanke von rechts verpasst Ibisevic. Am zweiten Pfosten steht Gentner aber frei. Nimmt den Ball an und schlenzt überlegt mit rechts ins langte Eck.

27.: Katastrophenpass von Holzhauser ins Zentrum. Diouf ist schneller am Ball als Niedermeier und plötzlich völlig frei vor Ulreich. Diouf versucht es mit Gewalt, anstatt aus 20 Meter einfach über den weit aus dem Tor geeilten Ulreich zu lupfen. Sein satter Rechtsschuss knallt aber an den rechten Innenpfosten und von dort wieder aus dem Tor.

36., 2:0, Ibisevic: Klasse Diagonalball von Traore auf Gentner, der die komplette Seite vor sich frei hat. Dringt in den Strafraum ein und zieht auf. Huszti viel zu ungestüm, räumt Gentner ab. Elfmeter. Ibisevic trifft an und versenkt den Ball im rechten Eck.

57., 2:1, Sobiech: Stindl setzt gut gegen Boka nach. Seine scharfe Hereingabe lässt Ulreich nach vorne abprallen. Sobiech ist da und staubt aus sieben Metern ab.

65., 2:2, Schlaudraff: Diouf schießt im Strafraum Tasci aus einem Meter an die Hand. Brych gibt Elfmeter. Schlaudraff knallt den Ball links oben in den Winkel.

68., 2:3, Abdellaoue: Konter 96. Stindl schickt Diouf, kein Abseits. Der scheitert aus elf Metern an Ulreich. Der Abpraller fällt Abdellaoue aber irgendwie vor die Beine. Der Norweger schiebt aus zehn Metern ins linke untere Eck ein.

73., 2:4, Abdellaoue: Stindl im Sechzehner. Boka fährt ihm in die Beine. Schon wieder Elfmeter. Abdellaoue zielt ins linke Eck. Ulreich ist dran, der Ball flutscht ihm aber durch die Hände ins Tor.

90.+2: Okazaki mit dem Kopfball aus vier Metern. Eggimann klärt auf der Linie.

Fazit: In einem Spiel mit derart grundverschiedenen Halbzeiten ist Hannover letztlich der glückliche Sieger.

Der Star des Spiels: Mo Abdellaoue traf 114 Sekunden nach seiner Einwechslung zum 2:3, danach per Elfmeter zur Entscheidung. Insgesamt hatte der Norweger nur zwölf Ballkontakte, darunter drei Torschüsse und zwei davon waren drin. Alleine das zeigt die Hannoveraner Effektivität. SPOX

Der Flop des Spiels: Szabolcs Huszti erwischte einen gebrauchten Tag. Der Ungar hatte keine einzige Szene, handelte sich eine Gelbe Karte ein und verursachte den Elfmeter zum 0:2. Hatte nur 18 Ballkontakte und gewann keinen seiner acht Zweikämpfe. Zudem konnte er sich bei Brych bedanken, dass er nicht nach dem Foul, das zum VfB-Elfmeter führte, vom Platz flog.

Der Schiedsrichter: Dr. Felix Brych lag lange Zeit bei den wichtigen Entscheidungen richtig, insgesamt aber zu kleinlich und ein wenig schnell mit den Gelben Karten zur Hand. Fünf Verwarnungen in einem an sich sauberen Spiel sind zu viel - verschonte Huszti aber bei dessen zweitem Gelb-würdigen Foul vor dem Platzverweis. Den Handelfmeter für Hannover kann man geben, wenngleich er aus Sicht des VfB auch unglücklich war.

Die Trainer:

Bruno Labbadia gab seiner Mannschaft mit auf den Weg, die gefährlichen Flanken von Huszti und Stindl aus dem Halbfeld zu unterbinden. Seine Mannschaft setzte die Vorgabe eine Halbzeit lang perfekt um. Nach der Pause sah Labbadia seiner körperlich abbauenden Mannschaft aber zu lange zu und wechselte erst, als es schon fast zu spät war.

Mirko Slomka korrigierte zur Pause und brachte Schlaudraff für den schwachen Huszti. Einher ging eine Umstellung auf eine Mittelfeldraute, mit Schulz als Abräumer, Schmiedebach links und Schlaudraff hinter den Spitzen. Vor allen Dingen gab er seiner Mannschaft aber eine andere Einstellung mit auf den Weg. Hannover bekam das Mittelfeld so in den Griff. Der Sieg geht auch klar auf Slomkas Rechnung, der zum ersten Mal überhaupt als Trainer in Stuttgart gewann.

Das fiel auf:

  • Hannover überließ dem VfB mehr oder weniger das Mittelfeld, zog sich mit zwei Viererketten weit zurück. Für 96-Verhältnisse eine recht dezente Herangehensweise. Frühes Pressing gab es kaum. Erst gegen Ende der ersten Halbzeit attackierte Hannover auch mal tief in der VfB-Hälfte - allerdings immer nur einzelne Spieler, die so natürlich kaum Chancen auf einen Ballgewinn hatten. Der Rest der Mannschaft verharrte in seiner Lauerstellung.
  • Stuttgart antwortete darauf seinerseits mit aggressivem Pressing bei gegnerischem Ballbesitz. Nach gut einer Viertelstunde fand der VfB auch in der Offensive ein paar brauchbare Mittel: Die Flügelspieler Traore und Harnik besetzten konsequent den Bereich nahe der Seitenlinie und machten so in der Mitte mehr Platz. Kuzmanovic streute immer mal wieder eine geschickte Spielverlagerung ein. Hannovers Bollwerk geriet so ins Laufen und offenbarte ein paar Lücken.
  • 96 hatte eine Halbzeit lang kein ordentliches Zweikampfverhalten. In den entscheidenden Duellen war der VfB deutlich giftiger und wirkte aufmerksamer als die schläfrigen Gäste. Nach dem Wechsel trat Hannover dann völlig anders auf, war präsent und spielte endlich den gewohnten Kombinationsfußball.
  • Der VfB begann die zweite Halbzeit zu sorglos und wirkte ab der 60. Minute körperlich platt. Nahezu jede Aktion wurde schlampig gespielt - auf der Gegenseite kam Hannover so richtig in Schwung und hatte in den entscheidenden Szenen auch das nötige Glück auf seiner Seite.
  • Letztlich war es auch ein Sieg der deutlich besser besetzten Auswechselbank. Nicht nur wegen der Tore der Einwechselspieler Schlaudraff und Abdellaoue - sondern auch, weil Hannover dann eben noch eine oder zwei Schippen drauflegen kann, während der VfB allenfalls verwalten kann.

Stuttgart - Hannover: Daten zum Spiel