Lebenserhaltende Maßnahmen

SPOX
01. Juni 201516:39
Die Stadionuhr des HSV wird im Falle des Abstiegs abgestelltgetty
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Mit beeindruckender Zähigkeit klammert sich der Hamburger SV an den letzten Strohhalm, um den ersten Bundesligaabstieg der Vereinsgeschichte zu verhindern. Erhebliche Personalsorgen plagen die Hanseaten vor dem Relegationsrückspiel beim Karlsruher SC (19 Uhr im LIVE-TICKER). Im Falle des Absturzes kommen noch viel größere Probleme auf den Klub zu.

Wer kann den HSV retten?

Heiko Westermann und der zuletzt so erstaunlich wiedererstarkte Gojko Kacar fehlen ausgerechnet im Schicksalsspiel. Beide sind nach ihrer Gelben Karte im Hinspiel gesperrt. Dennis Diekmeier wird Westermann rechts in der Viererkette ersetzen. Kacars Ausfall wirft die Frage auf, ob Rafael van der Vaart, der im Hinspiel 90 Minuten auf der Bank saß, doch noch einmal zum Einsatz kommt. Es gilt, den Platz neben Marcelo Diaz im Zentrum zu besetzen.

Eine Alternative wäre Petr Jiracek, der im Vergleich zu van der Vaart defensiv stärker ist. Der Tscheche litt allerdings zuletzt an Knieproblemen und es ist fraglich, ob er bis Montagabend wirklich zu 100 Prozent fit wird. Ohnehin scheint sich Trainer Bruno Labbadia festgelegt zu haben: Im Training durfte van der Vaart im Stammteam ran.

Fragezeichen stehen auch noch hinter anderen Kandidaten. Gerade die Offensive ist arg gebeutelt. Ivo Ilicevic musste am Samstag beim Training passen. Den Torschützen vom 1:1 am Donnerstag plagen die Adduktoren. Labbadia hielt sich bedeckt im Hinblick auf die Einsatzfähigkeit des Kroaten. Ebenfalls fraglich ist Ilicevic' Landsmann Ivica Olic, der nach seinem Allergieschock am Freitag pausieren musste. Seine anhaltenden Rückenprobleme machen einen Einsatz des 35-Jährigen über die volle Distanz eigentlich unmöglich.

Alternativen für die Offensive wären Nicolai Müller und Maximilian Beister, die nach Verletzungsproblemen allerdings noch nicht in Bestform sind. Zoltan Stieber könnte ebenfalls in die Startelf rutschen. Entweder als Ersatz für einen der Angeschlagenen oder als Alternative für den im Hinspiel arg enttäuschenden Lewis Holtby. Mittelstürmer Pierre-Michel Lasogga hat zwar immer noch Probleme mit der lädierten Schulter, wird aber spielen.

Was würde ein Abstieg wirtschaftlich bedeuten?

Er wäre ein Horrorszenario, so viel ist sicher. Ohnehin ist die Geschäftsbilanz der Saison katastrophal. Nach Informationen des "Hamburger Abendblatts" wird die HSV-AG das Geschäftsjahr mit einem Verlust in Höhe von zehn Millionen Euro abschließen. Das ist mehr als das Doppelte als die noch im Oktober kalkulierten drei bis fünf Millionen und das fünfte Minus in Serie.

In der 2. Liga müsste der Klub den Gürtel deutlich enger schnallen. Die Ausgaben für Spielergehälter müssten halbiert werden; aktuell unterhält der HSV mit rund 53 Millionen Euro den sechstteuersten Kader der Bundesliga. Die TV-Gelder würden um mehr als die Hälfte sinken (12 statt 26 Millionen), im Sponsoring kalkuliert der HSV mit einem Minus von 10 Millionen Euro, die Einnahmen aus Ticketverkäufen würden ebenfalls zurückgehen. Die zwangsläufige Folge wäre wohl der Ausverkauf der Mannschaft. SPOX

Hinzu kommt ein kurzfristiges Finanzloch: Für die Bundesliga hat der HSV die Lizenz ohne Auflage erhalten, für die 2. Liga muss man aber bis zum kommenden Mittwoch noch nachbessern. Von einer Lücke in Höhe von 10 Millionen Euro ist die Rede. Laut Medieninformationen hat die HSV Fußball AG Klub im Ringen um die erforderliche Liquidität aber einen Erfolg erzielt: Nach dem Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne (18,75 Mio. Euro/7,5 Prozent) und dem Landwirt Helmut Bohnhorst (4/1,5) soll ein dritter Investor Anteile erworben haben. Der Umfang der Beteiligung ist aber noch unklar.

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Was würde ein Abstieg für den Kader bedeuten?

Die Verträge von sieben Spielern laufen im Sommer ohnehin aus: Rafael van der Vaart und Marcell Jansen werden den Verein ablösefrei verlassen, Julian Green nach ganzen 113 Bundesligaminuten im HSV-Dress zu den Bayern zurückkehren. Gojko Kacar und Ivo Ilicevic stehen ebenfalls auf der Liste der Aussortierten, wenngleich sich beide zuletzt nachhaltig empfehlen konnten. Heiko Westermann und Slobodan Rajkovic könnten vermutlich zu reduzierten Bezügen weitermachen.

Die Verträge aller anderen Lizenzspieler gelten auch für die 2. Liga, aber alle Spieler mitzunehmen, kann sich der Klub nicht leisten, zumal die Gehälter der Profis auch im Unterhaus gelten. Akteure wie Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby, Valon Behrami, Johan Djourou, Matthias Ostrzolek oder auch Rene Adler würde der HSV bei entsprechenden Angeboten wohl ziehen lassen, um Geld in die klammen Kassen zu bringen und gleichzeitig das horrende Gehaltsvolumen zu drücken.

Die Leihspieler Jonathan Tah, Kerim Demirbay, Jacques Zoua und Lasse Sobiech sowie einige U-23-Akteure wie Ronny Marcos, Mohamed Gouaida, Ashton Götz, Ville Matti Steinmann, Tolcay Cigerci oder Ahmet Arslan wären denkbare Alternativen für den Neuanfang.

Wäre Labbadia der Richtige für den Neuanfang?

Was nicht passt, wird passend gemacht. Nach diesem Motto hat Bruno Labbadia alles aus dem HSV-Kader herausgeholt, was irgendwie noch drinsteckte: 10 Punkte aus 6 Spielen im Saisonendspurt, die Ausbeute war aller Ehren wert. Das Hinspiel gegen Karlsruhe hat aber gezeigt, dass der HSV in seiner jetzigen Zusammensetzung allenfalls phasenweise in der Lage ist, bundesligareifen Fußball zu zeigen und selbst im Vergleich mit einem homogenen Zweitligisten spielerisch abfällt.

Dennoch hat es Labbadia geschafft, einer völlig verunsicherten Mannschaft neues Leben einzuhauchen. Der 49-Jährige lebt eine absolut glaubhafte Identifikation für den Klub vor. "Volle Hingabe und Leidenschaft aller Beteiligten", forderte er bei seinem Amtsantritt Mitte April ein. Er selbst füllte seine Worte bedingungslos mit Leben und mobilisierte so Spieler wie Anhänger, die nach der Zinnbauer-Entlassung und den beiden Knäbel-Spielen (0:4 Leverkusen, 0:2 Wolfsburg) am Boden zerstört waren und sich in ihr Schicksal zu fügen schienen.

Labbadia gelang der emotionale Turnaround: "Die Mannschaft ist immer wieder aufgestanden, hat schwerstem Druck standgehalten. Wir haben uns die Situation bewahrt, dass wir uns mit einem Sieg die Bundesliga erhalten." Trotz seiner positiv-kämpferischen Ausstrahlung kann aber auch Labbadia den Klassenerhalt nicht garantieren. Er hat aber gezeigt, dass er der richtige Trainer für den HSV sein kann, zur Not auch beim Neustart in der 2. Liga.

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