Huddersfields kurioser Ansatz in der Nachwuchsarbeit - und warum er eine Europacupteilnahme verhindern könnte

Nino Duit
22. Januar 201910:30
Leigh Bromby leitet seit Januar 2018 die Akademie von Huddersfield Town.getty
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Vor knapp eineinhalb Jahren strukturierte Huddersfield Town seine Akademie um, löste alle Nachwuchsmannschaften unterhalb der U17 auf und verfolgt seitdem einen gänzlich neuen Ansatz in der Nachwuchsarbeit. Warum sich der Premier-League-Klub zu dieser Maßnahme genötigt sah, warum sie eine Europacupteilnahme verhindern könnte - aber trotzdem eine große Chance ist.

Huddersfield ist aktuell Tabellenletzter der Premier League und steht nicht im akuten Verdacht, sich für einen Europacup zu qualifizieren. Das bewahrt den Klub aber wohl immerhin vor einer heiklen Situation: denn es ist völlig unklar, ob er bei einer erfolgreichen Qualifikation denn auch in einem Europacup mitspielen dürfte. Der Grund dafür prangte am 16. September 2017 in Versalien auf der Vereinshomepage: "RESTRUCTURING OF ACADEMY AT HUDDERSFIELD TOWN".

Was hinter dieser Schlagzeile steckt, ist einmalig für einen Premier-League-Verein. Huddersfield löste im Zuge einer Umstrukturierung seiner Akademie alle Nachwuchsmannschaften unterhalb der U17 auf. Die Weiterführung der U8- bis U16-Mannschaften mache aus Sicht der Klubführung keinen Sinn mehr. Seitdem unterhält Huddersfield abgesehen von der Profimannschaft lediglich eine U17, eine U19 und ein sogenanntes "Elite Development Team", eine Art Reservemannschaft.

Huddersfield erfüllt die UEFA-Klublizensierungs-Kriterien nicht

Die Akademie verlor dadurch ihren Kategorie-2-Status und wurde auf die niedrigste Stufe 4 heruntergesetzt. Für die UEFA-Wettbewerbe Champions League und Europa League würde Huddersfield wohl keine Zulassung bekommen. Im UEFA-Reglement zur Klublizenzierung (Teil II, Artikel 18) sind "mindestens eine Juniorenmannschaft der Altersklassen von 10 bis 14 Jahren" sowie "mindestens eine Mannschaft der Altersklassen unter 10 Jahren" gefordert. Stellungnahme will Huddersfield zu dieser Thematik auf Anfrage von SPOX und Goal keine abgeben, der Problematik sei man sich aber durchaus bewusst.

"Es war die weitreichendste Entscheidung, die wir während meiner Amtszeit trafen, und keine einfache", wurde Präsident Dean Hoyle in einem Statement zur Umstrukturierung zitiert. "Für den langfristigen Erfolg des Klubs ist das aber entscheidend." Ein entscheidender Einschnitt war es zunächst für dutzende Kinder und Jugendliche, die keine Zukunft mehr im Klub hatten. "Ihnen das mitzuteilen war sehr schwierig für uns, aber wir haben versucht, neue Klubs für sie zu finden", sagt Akademieleiter Leigh Bromby, der damals in anderer Funktion im Klub tätig war, im Gespräch mit SPOX und Goal. In knapp 90 Prozent der Fälle hätte das auch geklappt.

Warum sah sich der Klub aber zu diesem Schritt gezwungen? Wie konnte es so weit kommen, dass Huddersfield freiwillig auf eine durchgängige eigene Spielerausbildung verzichtet?

Leigh Bromby leitet seit Januar 2018 die Akademie von Huddersfield Town.Huddersfield Town

Der Kosten-Nutzen-Ertrag der Akademie stimmte nicht

Huddersfield führte zunächst eine detaillierte Analyse der Akademie seit Gründung 1999 durch. Das Resultat: Mit Jon Stead (mittlerweile beim Viertligisten Notts County) schaffte in dieser Zeit lediglich ein Spieler den Sprung von Huddersfields Akademie zu einem Premier-League-Einsatz. Der aktuelle Profi Philip Billing spielte zwar kurzzeitig für eine Nachwuchsmannschaft, kam aber erst mit 17 vom dänischen Klub Esbjerg fB in den Verein. Als selbst ausgebildeter Spieler zählt er deshalb nicht. Transfererlöse durch verkaufte Jugendspieler erzielte der Klub kaum, in den fünf Jahren vor der Umstrukturierung lediglich knapp 2,5 Millionen Euro.

Der Kosten-Nutzen-Ertrag der Akademie stimmte schon lange nicht, beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Einführung des sogenannten Elite Player Performance Plan (EPPP) im Jahr 2011. Es war eine Maßnahme von Liga und Verband, um die fußballerische Ausbildung für junge Engländer zu verbessern. Eingeführt wurden in diesem Zuge unter anderem festgeschriebene Ablösesummen für Jugendspieler, die Transfers ab einem jungen Alter erheblich erleichterten. Will sich ein Top-Klub bei einem Konkurrenten bedienen, kann er das mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ohne Probleme tun.

Die Folgen des EPPP

Profitiert hat vom EPPP die Spitze. Einerseits Englands Nachwuchsnationalteams, die wegen der besseren Spielerausbildung zuletzt Titel um Titel gewannen. Und andererseits die großen Vereine mit den am besten klassifizierten und im Bau sowie Erhalt entsprechend teuren Kategorie-1-Akademien, wo sich die besten Nachwuchsspieler konzentrierter als je zuvor versammeln.

Gelitten haben dagegen kleinere Vereine, vor allem welche mit vielen guten Akademien in der näheren Umgebung. Vereine wie Huddersfield, das sich im Einzugsgebiet der Städte Manchester und Liverpool befindet, verkamen zum Selbstbedienungsladen. Der Weg zu internationalen Top-Klubs ist kurz. Die Verlockung für junge Spieler, diesen für eine bessere Ausbildung auf sich zu nehmen, groß. "Es war schwierig für uns, talentierte Spieler anzuziehen, da wir mit diesen Klubs nicht konkurrieren konnten", sagt Bromby.

Der FC Brentford aus London und die Tranmere Rovers aus der Nähe Liverpools hatten mit den gleichen Problemen zu kämpfen - und strukturierten ihre Akademien ähnlich wie Huddersfield um. "Der EPPP hat ja eine gute Intention, aber er bevorzugt die großen Klubs", begründete Tranmere-Präsident Mark Palios die Entscheidung seines Vereins im Frühling 2018.

Zurücklehnen, andere ausbilden lassen, zugreifen

In Huddersfield sieht man diesen Umstand seit der Umstrukturierung aber mehr als Chance, denn als Ärgernis. In den besten und teuersten Akademien des Landes sammeln sich mehr und mehr der besten Talente. Und vor allem mehr, als die entsprechenden Klubs letztlich für ihre Profimannschaften brauchen. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, bei dem es zu viele gut ausgebildete Spieler für zu wenige Kaderplätze gibt. Genau an diesem Punkt setzt Huddersfield an.

"Die Akademien in England sind zwar die besten der Welt, aber die Premier League ist gleichzeitig die Liga mit der höchsten Leistungsdichte. Deswegen ist der Sprung in die Profimannschaft eines Topklubs für junge Spieler schwierig", erklärt Bromby. "Es ist unsere Strategie, genau nach diesen Spielern zu suchen. 17- bis 20-Jährige, die bei einem Topklub ausgebildet wurden, aber den Sprung dort nicht geschafft haben." Zurücklehnen, andere ausbilden lassen, zugreifen.

Seit der Umstrukturierung vor etwa eineinhalb Jahren tätigte Huddersfield bereits vier solcher Transfers: Von Manchester United kamen Jake Barrett und Harry Spratt, von Tottenham Hotspur Jaden Brown und von Manchester City Demeaco Duhaney. Letztere beide waren sogar englische U-Nationalspieler. Statt weniger talentierte Spieler von einem jungen Alter an selbst zu schulen und im steten Risiko zu leben, dass sie abgeworben werden, wartet Huddersfield ab und holt stattdessen ältere, bereits fast fertig ausgebildete, aber andernorts chancenlose Talente.

Huddersfield im Kleinen, die Bundesliga im Großen

In gewisser Hinsicht verfolgt Huddersfield damit das gleiche Konzept, das auch in der deutschen Bundesliga zunehmend in Mode kommt. Auch Jadon Sancho, Reiss Nelson (und demnächst vielleicht Callum Hudson-Odoi) verließen ihre englischen Ausbildungsklubs mangels Spielpraxis und starten andernorts durch. Die ausgezeichneten Akademien der englischen Top-Klubs produzieren schlicht zu viele gute Spieler, als die Profimannschaften brauchen. Die Bundesliga profitiert davon im Großen genau wie Huddersfield im Kleinen.

In Huddersfield führt der Weg dieser Spieler zunächst in die höchste Nachwuchsmannschaft, das Elite Development Team. Der Übergang zur Profimannschaft soll dann fließend erfolgen, der Austausch untereinander intensiv sein. Huddersfields Elite Development Team nimmt genau wie die U19 an keinem geregelten Ligabetrieb teil, sondern reist für etliche Freundschaftsspiele durch England und Europa. Gegner waren in dieser Saison Erwachsenenmannschaften aus niedrigeren Ligen sowie Nachwuchsmannschaften von Top-Klubs, unter anderem des FC Bayern München.

Philipp Billing wechselte mit 17 von Dänemark nach Huddersfield - und soll damit ein Vorbild für andere sein.getty

Geld für die Breite und die Spitze

Durch die Auflösung der jüngeren Nachwuchsmannschaften spart der Klub gleichzeitig Geld, das dafür der Spitze und der Breite zu Gute kommt. Einerseits investiert Huddersfield in lokale Breitenfußballprojekte, andererseits in einen qualitativ hochwertigeren Trainerstab für die verbliebenen Mannschaften sowie eine größere Scoutingabteilung. "Wir haben jetzt weniger, aber bessere Mitarbeiter", sagt Bromby.

Die Scoutingabteilung richtet sich seit der Umstrukturierung und der damit einhergehenden personellen Vergrößerung internationaler aus und sucht Spieler nicht mehr nur in England, sondern ganz Europa. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf kleineren Märkten, mit denen Huddersfield bereits gute Erfahrungen gemacht hat, etwa Dänemark. Mit Billing, Jonas Lössl und Zanka stehen bereits drei Dänen unter Vertrag, die weiteren das Einleben erleichtern könnten. "Unser Klub hat ein gutes Standing in Dänemark", sagt Bromby. Mit theoretischen Europacupauftritten in Dänemark wird Huddersfield dieses Standing künftig jedoch nicht verbessern können.