Jan Siewert debütiert am Dienstagabend gegen den FC Everton (20.45 Uhr im LIVETICKER und zeitversetzt auf DAZN) als neuer Trainer von Huddersfield Town. Der bisherige U23-Coach von Borussia Dortmund wird Nachfolger von David Wagner, auch der kam vom BVB. Deren U23-Manager Ingo Preuß zeigt sich gegenüber SPOX und Goal von der Verpflichtung überzeugt. Er verrät, wie der neue Coach tickt.
"Das muss er doch sein, der neue Trainer von Huddersfield Town", dachte sich Sky-Reporter Patrick Davison. Er hatte während der Begegnung zwischen den Terriers und Manchester City auf der Tribüne den vermeintlichen Nachfolger von David Wagner erspäht, von dem sich der Klub nur wenige Tage zuvor in beiderseitigem Einvernehmen getrennt hatte. Er drängte durch die Reihe, um an erste exklusive Aussagen zu gelangen, just in dem Moment, als die TV-Kamera die Szenerie filmte. "Sind Sie Jan, der neue Coach?", fragte er einen verdutzt dreinblickenden Zuschauer - und avancierte so unfreiwillig zum viralen Hit im Netz.
Der Grund: Bei dem Befragten handelte es sich mitnichten um Jan Siewert, sondern um einen Fan des Tabellenletzten, der dem gebürtigen Mayener - zugegebenermaßen - durchaus ähnlich sieht. "Ich sagte: 'Nein, nein, das bin ich nicht. Ich bin Martin aus Wakefield'", verriet Martin Warhurst im Anschluss an das 0:3 seines Teams gegen den amtierenden Meister. "Das zog eine Reihe an Reaktionen von den Leuten, die in meiner Nähe saßen, nach sich. Sie machten Selfies mit mir und wünschten mir viel Glück."
Der Verein wusste die witzige Verwechslung für sich zu nutzen. Bei der offiziellen Verkündung des Siewert-Deals postete die Social-Media-Abteilung ein kreatives Video auf den jeweiligen Kanälen. Darin ist ein junger Mann zu sehen, der es sich gerade an seinem Schreibtisch bequem macht und sein erstes Telefonat als Huddersfield-Trainer führt.
Plötzlich klopft es an der Türe, Siewert betritt das Büro und sagt augenzwinkernd: "Jetzt noch nicht, Martin aus Wakefield", nimmt anstelle des Fans Platz und klappt seinen Laptop auf. Spätestens da war das Kuriosum Gewissheit: Huddersfield hat nach Wagner erneut einen Übungsleiter der U23 von Borussia Dortmund auf die Insel gelotst.
Ingo Preuß: "Huddersfield-Interesse an Siewert kein Geheimnis"
Es ist kein Geheimnis, dass Huddersfield vor zweieinhalb Jahren schon einmal an ihm interessiert war", erklärt BVB-U23-Manager Ingo Preuß, somit Weggefährte und guter Bekannter Siewerts, im exklusiven Gespräch mit SPOX und Goal.
Dass sich der Verein, der mit Wagner vor anderthalb Jahren den sensationellen Aufstieg in die Premier League feierte und ebenso sensationell die Klasse zu halten vermochte, erneut einen Nachwuchscoach der Borussia-Zweitvertretung angelte, bewertet Preuß indes als "Zufall". Es sei schlicht "normal, dass sie jetzt auf ihn zurückgekommen sind".
Diesen Umstand bestätigte auch Huddersfield-Besitzer Dean Hoyle auf Siewerts Antritts-Pressekonferenz. "Wir sind schon auf Jan aufmerksam geworden, als er noch U19-Trainer beim VfL Bochum war. Damals haben wir Gespräche mit ihm geführt und sind seither in Kontakt geblieben", sagte Hoyle und ergänzte: "Man muss immer für die Zukunft gewappnet sein."
Nicht nur Huddersfield hatte seit längerer Zeit ein Auge auf den 36-Jährigen geworfen, im Mai vergangenen Jahres buhlten die Queens Park Rangers um dessen Dienste. Damals entschied Siewert sich gegen einen Wechsel nach England. Vor allem, weil er sich in Dortmund heimisch fühlte.
"Bei uns tauchen immer wieder Scouts aus England auf, um sich die U23 anzuschauen. Dabei beobachten sie auch, was der Trainer macht, beziehungsweise, wie er sich weiterentwickelt hat", verrät Preuß. Diesmal schlug Siewert die Offerte aus dem Mutterland des Fußballs nicht aus. "Voller Tatendrang und Vorfreude" nehme er die große Chance wahr, erklärte er mit Hinblick auf seine neue Aufgabe dem kicker.
Doch welche Qualitäten machen Siewert so begehrt? "Er kennt sich im Fußball insgesamt sehr gut aus. Sei es im taktischen Bereich oder im Bereich der Trainingslehre. Selbst in sportmedizinischen Fragen weiß er bestens Bescheid", sagt Preuß. Er schiebt nach: "Er ist ein unheimlich fokussierter Mensch. Zum Trainerdasein gehören viele Dinge. Dazu zählt die Vorbereitung aufs Spiel, die Vorbereitung des Trainings oder der Umgang mit Spielern, Betreuern und dem ganzen Team. Jan pflegt einen sehr offenen Umgang. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass er die Leute von sich überzeugen kann, wenn er sich irgendwo vorstellt."
Demnach handelt es sich bei Siewert um einen absoluten Fußballfanatiker im positiven Sinne. "Ich bin als Mensch von ihm überzeugt, habe anderthalb Jahre wunderbar mit ihm zusammengearbeitet. Da gab es Tage, an denen wir bis zu zehnmal miteinander telefoniert haben und sich alles immer nur um Fußball drehte - bis es einem irgendwann zu den Ohren rauskam. Manchmal haben wir dann beschlossen: 'So, das ist heute das letzte Mal. Jetzt telefonieren wir mal einen Tag lang gar nicht.' Das ist uns allerdings nur selten gelungen. Er ist ein unheimlich fokussierter Mensch", erzählt Preuß.
Preuß über Siewerts Expertise: "Habe davon auch profitiert"
Ihm zufolge verfügt Siewert, der vor seinem Engagement in Dortmund und Bochum bereits unter anderem als Co-Trainer der deutschen U17- sowie U18-Nationalmannschaft sowie als Cheftrainer beim Regionalligisten Rot-Weiss Essen gearbeitet hatte, über ein hervorragendes Netzwerk. "Jan Siewert kennt viele junge Spieler, auch dank seiner Arbeit beim DFB. Er hat einen großen Fundus, aus dem er schöpfen kann. Davon haben wir auch profitiert, wenn wir uns über Spieler unterhalten haben", so Preuß.
Bezüglich der Tatsache, dass mit Huddersfield und den zuletzt an Siewert interessierten Queens Park Rangers ausgerechnet Vereine aus dem Königreich einen jungen BVB-Trainer als Favoriten auserkoren haben, kann Preuß lediglich Mutmaßungen anstellen: "Ich bin natürlich nicht in die Interna der englischen Klubs involviert. Ich kann nur spekulieren, vermute aber, dass viele kleinere Vereine so denken, wie wir es im Nachwuchsbereich beim BVB tun. Es geht darum, junge Spieler zu entwickeln und diese auf den Profifußball vorzubereiten. Für uns ist es wichtig, dass ein Trainer, den wir verpflichten, Spieler kennt und bewerten kann. Deshalb könnten die Ideen von Huddersfield mit unseren deckungsgleich sein. Vielleicht haben sie sich auch aus diesem Grund für einen Trainer von Borussia Dortmund entschieden."
Am Dienstagabend wird Siewert sein Debüt mit dem neuen Arbeitgeber feiern, wenn der FC Everton im John Smith's Stadium gastiert. Dann darf sich neben den rund 25.000 weiteren Anhängern auch Martin aus Wakefield, der mittlerweile schon eine Art Kultstatus erlangt hat, ein erstes genaues Bild von seinem Lookalike machen - nachdem er seine eigenen "Fans" vermutlich mit ein paar Selfies glücklich gemacht hat.