Lange Zeit stand die japanische Frauen-Nationalmannschaft im Schatten von Nordkorea und China. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und sie sind die Nummer eins in Asien. Doch das reicht den Nelken, wie sie genannt werden, noch lange nicht: Bei der WM 2011 in Deutschland will Japan den Titel.
Beim Herren-Fußball sind Japaner momentan ein Export-Schlager: Shinji Kagawa von Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund gehört zu den Shooting-Stars der Saison und mit Atsuto Uchida (FC Schalke 04), Kisho Yano (SC Freiburg) und Makoto Hasebe (VfL Wolfsburg) stehen weitere Spieler aus dem Land der untergehenden Sonne in der Bundesliga unter Vertrag.
"Kagawa ist ein großartiger Spieler. Er ist ständig im Fernsehen oder in der Zeitung zu sehen", erzählt die japanische Nationalspielerin Yuki Nagasato von Turbine Potsdam im Gespräch mit SPOX. "Zuhause sind die Leute sehr interessiert an den japanischen Spielern aus der Bundesliga. In den Medien wird viel über sie berichtet".
Bei den Damen sieht das etwas anders aus: Die heimische L-League wird nicht im landesweiten Fernsehen übertragen, zu den Spielen kommen im Schnitt 800 Leute - bei freiem Eintritt. Und das, obwohl sich die japanische Frauenmannschaft vor der Männertruppe nicht verstecken muss.
Sie sind die großen Aufsteigerinnen der letzten Jahre und stehen mittlerweile auf Platz fünf der Weltrangliste. Der bislang größte Erfolg der Japanerinnen war der vierte Platz bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Außerdem haben sie am 23. November diesen Jahres bei den Asien-Spielen in China die Goldmedaille gewonnen, durch einen 1:0-Finalsieg gegen Nordkorea.
Nadeshiko Japan
Ein Triumph über die Erzrivalinnen führte schon einmal zum großen Aufschwung im japanischen Frauenfußball: Nachdem die Nationalmannschaft die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2000 in Sydney verpasst hatte, sackte das Interesse im Heimatland auf einen Tiefpunkt herab.
Die Krise hielt an, bis Japan im entscheidenden Qualifikationsspiel für Olympia 2004 ausgerechnet auf Nordkorea traf. Durch einen souveränen 3:0-Erfolg lösten die Spielerinnen das Ticket und zudem eine landesweite Euphoriewelle aus. In der Folgezeit stiegen die Zuschauerzahlen in den Stadien und vor den Fernsehern deutlich an.
Im Rahmen des Booms ließ die Japan Football Association (JFA) die Fans einen Spitznamen für das Team wählen. Aus 2700 Einsendungen wurde Nadeshiko Japan ausgewählt. Der Begriff Nadeshiko bezeichnet eine wild wachsende rosafarbene Nelke und symbolisiert die ideale japanische Frau.
Wenig ideal lief es für die Japanerinnen bislang bei Weltmeisterschaften. Zwar konnten sie sich seit 1991 für jede Endrunde qualifizieren, überstanden dabei aber nur ein Mal (1995 in Schweden) die Vorrunde.
"Unser Ziel ist natürlich der Weltmeistertitel"
Das soll sich im kommenden Jahr bei der WM in Deutschland ändern. Die ehemaligen Spitzenmannschaften Asiens, China und Nordkorea, hat Japan bereits überholt - als nächstes sollen die Topteams aus Deutschland, Brasilien und Schweden folgen. "Unser Ziel ist jetzt natürlich der Weltmeistertitel. Ich glaube, dass wir das schaffen können", gibt sich Nagasato selbstbewusst.
Und dazu hat sie auch allen Grund, denn die 23-jährige Stürmerin kann bereits eine beeindruckende Titelsammlung vorweisen. Im Alter von gerade einmal 13 Jahren debütierte sie in der L-League beim NTV Beleza, mit dem sie drei Meisterschaften und vier Pokalsiege holte. Ihre persönliche Bilanz: 111 Ligaspiele, 69 Tore.
Seit 2002 trägt Nagasato zudem das Trikot der japanischen Nationalmannschaft, für die sie bislang 43 Länderspiele bestritt und dabei 26 Treffer erzielte. Im Januar 2010 wechselte sie nach Potsdam und gewann dort prompt die deutsche Meisterschaft sowie die Champions League.
Unterschiede in der Spielweise zwischen Japan und Deutschland sieht Nagasato vor allem im athletischen Bereich und im Zweikampfverhalten - beides Felder, in denen die Nadeshiko in den letzten Jahren stark zugelegt haben. Schwerpunkte des japanischen Spiels sind inzwischen das Kombinationsspiel, systematische Verteidigung und intensives Laufspiel.
Hohe Erwartungen
Star der Mannschaft ist Rekordspielerin Homare Sawa (156 Spiele, 75 Tore). Die 32-jährige Mittelfeld-Akteurin steht bei Washington Freedom in der WPS (USA) unter Vertrag. Zudem sind noch drei weitere Nationalspielerinnen im Ausland aktiv: Aya Miyama (Los Angeles Sol, USA), Mami Yamaguchi (Atlanta Beat, USA) und Kozue Ando, die wie Nagasato zu Jahresbeginn nach Deutschland wechselte und für den FCR Duisburg kickt.
"Es werden hohe Erwartungen in mich gesetzt, ich muss viele Tore schießen. Wir möchten unsere Qualitäten bei der WM unter Beweis stellen, und das gilt auch für mich persönlich. Ich habe das nötige Selbstvertrauen, weil ich inzwischen genügend Erfahrung gesammelt habe", weiß Nagasato.
Die Japanerinnen konnten zwar auf dem großen internationalen Parkett bislang noch nicht triumphieren, aufgrund ihrer Entwicklung in den letzten Jahren muss man aber mit ihnen rechnen. Sie haben konsequent die physischen und taktischen Defizite, die sie gegenüber den Mannschaften aus Europa und Amerika hatten, ausgemerzt und werden nach den Erfolgen der letzten Jahre beflügelt in das Turnier gehen. Der Einzug ins Viertelfinale muss das Minimalziel sein, und mit einem guten Lauf sowie etwas Glück könnten die wilden Nelken sogar den Titel holen.
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren



