Ganz oft auch Zerstörer

SPOX
21. November 201322:57
Das Topspiel ist auch das Aufeinandertreffen von Jürgen Klopp (l.) und Pep Guardiolagetty
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Der Kracher zwischen Borussia Dortmund und Bayern München (Sa., 18.30 Uhr im LIVE-TICKER) ist auch das Duell der beiden Trainer Jürgen Klopp und Pep Guardiola. Was haben beide vor ihrem ersten Aufeinandertreffen in der Liga gemeinsam, wo liegen die Unterschiede? Wer beherrscht welche Disziplinen des Coachings besser? Der Versuch eines Vergleichs.

Die Spielidee: Auf den ersten Blick liegen beide Trainer in etwa auf derselben Wellenlänge, was die Ausrichtung ihrer Mannschaften anbelangt. Beide lassen offensiven Fußball spielen, der viel Wert auf eine saubere technische Ausführung legt und für die Zuschauer unheimlich attraktiv wirkt.

Was dabei gerne vergessen wird: der Anfang aller Offensivbemühungen wird bei beiden im Spiel gegen den Ball gelegt. Sowohl der BVB als auch die Bayern spielen ein hohes Angriffspressing, bei entsprechender Gelegenheit schon tief in der gegnerischen Hälfte. Die Kunst des Zerstörens gehört fest zum Programm.

Dortmund generiert eine Vielzahl seiner Abschlussaktionen - übrigens die meisten aller Mannschaften in den europäischen Top-Ligen - nach einem erfolgreich durchgeführten Angriffspressing. Jürgen Klopp hat seit seinem Antritt in Dortmund vor über fünf Jahren diese Art der Gegenbewegung immer noch mehr verfeinert, seiner Mannschaft noch mehr Risiko verordnet, die Abläufe perfektioniert und vor allen Dingen unabhängig von einzelnen Personen klare Zielvorgaben formuliert.

"Es hing uns zum Hals raus, als wir 2008 mit dem Kommen von Jürgen Klopp oft eine halbe Stunde im Training ohne Ball verschieben mussten. Was wir defensiv zu tun haben, hat uns das Trainerteam regelrecht eingeimpft", sagte Nuri Sahin. "Mittlerweile macht es uns aber sogar Spaß, einen Gegner auch mal defensiv total zu dominieren."

Guardiola hat auch in Barcelona die Defensivarbeit gleich gewichtet wie das Spiel mit dem Ball. Nur hat das die große Mehrheit nie so registriert. Dabei wurde Barca auch für einen Trainer wie Klopp, der einen ähnlichen Plan schon im Kopf hatte, zu einer Art Vorbild. Die hohen Ballbesitzzeiten Barcas rührten einerseits von einer grundlegend defensiv orientierten Gangart des Gegners, auf der anderen Seite aber auch daher, dass das komplette Kollektiv sofort und unerbittlich Druck auf den Gegner ausübte, wenn der Ball mal verloren wurde.

Der zentrale Unterschied beider Anschauungen ist das Spiel mit Ball. Dortmund schaltet in der großen Mehrzahl der Fälle sofort auf Angriffsmodus um, bedient sich seiner beiden Außenverteidiger als früher Option für den Konter, spielt raumgreifend und möglichst schnell und risikoreich den Ball vertikal nach vorne. Der klassische Überfall-Fußball, den Jürgen Klinsmann ab 2004 in der Nationalmannschaft implementiert hat.

Guardiolas Mannschaften bedienen sich auch dieses Stilmittels - allerdings trägt die Hauptlast im Offensivspiel das klassische Positionsspiel. Die Bayern haben in dieser Saison einen Ballbesitzanteil von 72 Prozent erzielt, ein fantastischer Wert. Die Borussia kommt derzeit auf knapp 55 Prozent. Während Klopp die aus dem Handball adaptierte "schnelle Mitte" bevorzugt, wollen die Münchener ihren Gegner im Zentrum so lange dominieren, bis sich am Ende einer langen Ballstafette zumeist über die Außen die Chance zum Durchbruch ergibt.

Auffällig ist dabei, dass sowohl bei Klopp als auch bei Guardiolas Mannschaften immer auch eine gewisse Asymmetrie zu erkennen ist: Die jeweils rechten Angriffsseiten lösen deutlich mehr Angriffe aus als die linke Seite. Das hängt aber insbesondere von der personellen Besetzung der Flügel ab. SPOX

"Ich mag am Fußball möglicherweise ein paar andere Dinge als er", sagt Klopp über seine Art des Fußballs im Vergleich zum Guardiola-Stil. "Dadurch arbeiten wir komplett anders." Die Bayern haben sich mit Beginn der abgelaufenen Saison unter Jupp Heynckes in einigen Passagen dem Dortmunder Stil angepasst, viele Parameter (Laufleistung, intensive Läufe, Sprints, hohes Stehen der Viererkette, frühes Nach-vorne-Verteidigen) dem Klopp-System angepasst. Und jetzt mit Guardiola jemanden von außen dazu geholt, der neue Ideen einstreut.

Dadurch erscheint der Gardiola-Fußball der Bayern unberechenbarer für den Gegner, während Dortmund an seinem grundlegenden Spiel seit geraumer Zeit wenig verändert hat. Der BVB offenbart in dieser Saison Probleme, wenn er das Spiel machen muss und der Gegner sehr tief steht. Die Kantersiege gegen den HSV, Freiburg oder Stuttgart kamen auch deshalb zustande, weil der jeweilige Gegner sich auf Dortmunds Spiel in der Defensivbewegung nicht entsprechend eingestellt hatte, sondern sein eigenes Spiel durchdrücken wollte.

Die Bayern dagegen sind in dieser Disziplin vielschichtiger, geduldiger und auf Grund ihrer überragenden personellen Besetzung jederzeit in der Lage, entsprechend zu reagieren. Auch - oder gerade im - absoluten Spitzenbereich steht und fällt jede Spielidee mit den Protagonisten, die sie ausführen sollen.

Die Spielidee

Das Renommee

Die Kommunikation

Das Renommee: Jürgen Klopp hat für Mainz 05 und den BVB jetzt schon jetzt 257 Liga-Spiele absolviert und ist der mit Abstand erfahrenste Trainer der Bundesliga - vor Armin Veh (245) und Dieter Hecking (235). Als Spieler war Klopp guter Zweitliga-Durchschnitt, ein Spiel in der Bundesliga war ihm nicht vergönnt.

"Ich habe es in meiner aktiven Karriere leider nicht geschafft, auf dem Platz das zu bringen, was sich in meinem Gehirn abgespielt hat. Ich hatte das Talent für die Landesliga und den Kopf für die Bundesliga - herausgekommen ist die zweite Liga", sagt Klopp.

Dafür hat er sich quasi von ganz unten an einen Namen als Trainer gemacht. Seine Arbeit in Mainz fand auch europaweit Beachtung, die Zeit in Dortmund machte ihn zu einem der begehrtesten Trainer der Welt.

Zwei Meisterschaften, ein DFB-Pokalsieg und der Einzug ins Champions-League-Finale mit einem Klub wie Dortmund, der vor Klopp eher mit dem Abstieg denn mit europäischen Meriten zu tun hatte und notorisch klamm war, sprechen für sich.

Pep Guardiola dagegen hat schon jetzt (fast) alles erreicht, was man als Vereinstrainer und -Spieler erreichen kann. Sechs Titel mit Barca als Spieler, zwei Pokaltriumphe, ein Sieg im Pokal der Landesmeister und einer im Pokal der Pokalsieger. Dazu der Sieg bei Olympia in seiner Heimatstadt Barcelona im Jahr 1992.

Als Trainer ist er einer unter sieben, die mit ihrer Mannschaft in einer Saison das Triple holen konnten. Insgesamt feierte er in vier Jahren bei Barcas Profis sagenhafte 14 Titelgewinne und ist der einzige Trainer der Geschichte, der das Sextuple aus Meisterschaft, Pokalsieg, Supercup, europäischer Supercup, Champions League und Klub-WM schaffte - und das in seiner Premieren-Saison als Cheftrainer der Profis.

Nicht umsonst waren nahezu alle zahlungskräftigen Klubs Europas hinter Guardiola her, als der während seines Sabbatjahres durchklingen ließ, bald wieder bereit für einen neuen Verein zu sein. Man übertreibt wohl nicht, wenn man Guardiola als begehrtesten Trainer der Welt bezeichnet.

Die Spielidee

Das Renommee

Die Kommunikation

Die Kommunikation: In der Bundesliga nehmen beide Trainer mit ihrer extrovertierten Art an der Seitenlinie eine Ausnahmestellung ein. Momentan kommt vielleicht noch Bremens Robin Dutt annähernd an Klopp und Guardiola heran, was die hektische Gestik, Mimik und verbalen Korrekturen während der 90 Minuten betrifft.

Das sind allerdings nur offensichtliche Äußerlichkeiten. Klopp herrscht seine Spieler bei Fehlern von der Seitenlinie aus auch mal an, weiß aber genau, dass und wie er seine Jungs auch mal härter angehen kann. Prinzipiell unterhält er im Verhältnis zu seiner Mannschaft einen lockeren Umgang - ohne aber jemals den Sinn für Disziplin und eine gewisse Strenge in manchen Situationen zu verlieren. Klopp hat ein unheimlich feines Gespür dafür, wann er hart und wann einfühlsam sein muss, welchen Spieler er direkt oder eben etwas vorsichtiger angehen muss. Und seine Mannschaft vertraut ihm da blind.

Als (verbaler) Motivator ist Klopp in der Bundesliga weiterhin einzigartig, seine Spieler erzählen auch noch fünf Jahren noch von packenden, feurigen Ansprachen. Es macht sich in der Beziehung kein Verschleiß oder eine Abnutzung bemerkbar - eher im Gegenteil.

Von entscheidender inhaltlicher Bedeutung sind Klopps Helfer Zeljko Buvac und Peter Krawietz. Die beiden Co-Trainer teilen sich die Trainingsarbeit auf, Buvac ist das Gehirn von Dortmunds Spielphilosophie, Krawietz als Videoanalyst das Auge.

Klopp transportiert die Erkenntnisse des Trios nach draußen, hat die rhetorischen und didaktischen Fähigkeiten, seine Mannschaft in seinen Bann zu ziehen. Selbst Zugänge wie Henrikh Mkhitaryan oder Pierre-Emerick Aubameyang schwärmten nach wenigen Wochen von Klopp als Motivator - dabei konnten und können beide auf Grund der Sprachbarriere noch längst nicht alles nachvollziehen.

Dass Klopps äußeres Erscheinungsbild bei den Spielen in der Bundesliga und im DFB-Pokal in Trainingsklamotten eine gewisse Nähe zur Mannschaft symbolisieren soll, ist wohl eher eine an den Haaren herbeigezogene These. Sie passt aber schön ins Bild des umtriebigen, hart arbeitenden Trainers mit dieser ganz speziellen Aura, die so perfekt ins Ruhrgebiet passt.

Dass Guardiola dagegen im Anzug an der Seitenlinie steht, ist Zufall. Vielleicht repräsentiert er so unfreiwillig einen gemäßigteren Stil im Vergleich zum teilweise aufbrausenden Klopp.

Viel wichtiger sind die Anweisungen, die der Spanier praktisch während der 90 Minuten kommuniziert. Guardiola korrigiert viel, weist an, unterhält sich mit seinen Spielern. In der Pause besteht er wie Klopp auch bei gegebenem Anlass auf den Einsatz visueller Hilfsmittel, um auf Probleme oder Gefahren hinzuweisen. Allerdings verzichtet Guardiola anders als Klopp auf die schnelle Analyse via Video.

Trotzdem findet sein Gegenüber, dass beide im Umgang mit ihren Spielern doch einiges gemeinsam haben. "Nicht komplett unähnlich sind wir, wenn ich höre, wie er über Spieler spricht", sagt Klopp über Guardiola.

Der formuliert seine Ansprachen zu großen Teilen auf deutsch. Stößt er dabei an seine Grenzen, wechselt er ins Englische. Den Rest regelt die Kommunikation mit Händen und Füßen. Ohne Zweifel kann Guardiola aber nicht so eindringlich auf seine Spieler einwirken wie Klopp dazu in der Lage ist. Dafür fehlt es trotz regelmäßigem Deutschunterricht schlicht an sprachlichem Repertoire.

"Ich bin erst seit zwei bis drei Monaten hier, deshalb brauche ich Zeit. Ich muss die Bundesliga noch besser kennenlernen", sagt Guardiola. Deshalb hält er sich inhaltlich viel an seinen Co-Trainer Domenec Torrent, den er aus Barcelona mit nach München gebracht hat. Zur Eingewöhnung hilft Hermann Gerland, der den Klub, die Spieler und die Liga kennt wie kaum ein anderer.

Bislang schlägt sich der Nachteil der eingeschränkten Kommunikation nicht wirklich nieder. Dafür waren die Gegner in der Bundesliga zu schwach. Mit Beginn der heißen Phase im Frühjahr und den K.o.-Spielen in der Champions League gegen Gegner auf ähnlich hohem Niveau wird es interessant sein zu beobachten, wie intensiv sich das Coaching Guardiolas verändert.

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