Dass Dänemarks Nationalspieler nach dem schrecklichen Vorfall um ihren Mitspieler Christian Eriksen die Partie gegen Finnland bei der EM 2021 noch am selben Tag aus Mangel an sinnvollen Alternativen zu Ende gespielt haben, darf kein weiteres Mal geschehen. Es muss für Ereignisse dieser Art eine klare Regel geben. Ein Kommentar.
"Es war besser, zu sagen: Wir bringen es jetzt hinter uns." Das war die Erklärung von Dänemarks Nationaltrainer Kasper Hjulmand, weshalb sich seine Mannschaft für diese von zwei Optionen entschied, nachdem Christian Eriksen in der Partie gegen Finnland bei der EM 2021 auf dem Spielfeld kollabierte. Die andere Möglichkeit, die die UEFA anbot: Das Spiel am nächsten Tag um 12 Uhr fortzusetzen.
Diese vorgegebene Auswahl ist nichts anderes als ein Unding. Es darf kein weiteres Mal passieren, dass Fußballspieler nach einem schrecklichen Vorfall wie nun dem um Eriksen noch am selben Tag aus Mangel an sinnvollen Alternativen ihren Beruf ausüben. Stattdessen muss es für derartige Ereignisse eine klare Regel geben, die sich die Verbände FIFA und UEFA selbst auferlegen und dann stringent beachten.
Diese Regel muss nicht nur unzweifelhaft besagen, dass am Tag eines solchen Vorfalls kein Sport mehr gemacht werden darf. Sie muss vor allem im Nachgang der Geschehnisse eine größtmögliche Flexibilität im Zeichen der Menschlichkeit besitzen, ohne dass seitens der Verbände mit dem vermeintlichen "Druck" des Spielplans argumentiert werden kann. Sinnlose Alternativen anzubieten, wie es die UEFA am Samstagabend gemacht hat, muss ausgeschlossen sein.
Der Verband berief sich auf Artikel 29 des Regelwerks. In diesem wird jedoch nur das Prozedere bei einer Neuansetzung thematisiert, Ausnahmesituationen wie in Kopenhagen fehlen gänzlich. Den Spielern somit von oben herab starr vorzugeben, lediglich eine Nacht darüber schlafen zu können, um letztlich nur wenige Stunden nach einem derartigen Schock-Erlebnis wieder die Arbeit aufnehmen zu müssen, unterstreicht ganz und gar nicht die zahlreichen wie richtigen Bekundungen aller Seiten, wonach sich in solchen Momenten die ganze Unwichtigkeit des Fußballs zeige.
Fall Eriksen: Was passiert beim nächsten kollabierten Spieler?
Um die Flexibilität zu wahren und in solchen Fällen gewissermaßen "individuelle" Lösungsansätze zu erarbeiten, hat zudem zwingend ein intensiver Dialog mit den Betroffenen stattzufinden, der bei Bedarf von Experten wie Psychologen und Ärzten unterstützt wird. Augenhöhe muss hier das Stichwort sein, damit gesichert ist, dass Fußballspieler als Menschen und nicht als bloße Teilnehmer eines Unterhaltungsprogramms wahrgenommen werden.
Gleichermaßen ist es vollkommen unverständlich, dass von den Verbänden nicht längst eine Blaupause erarbeitet wurde, wie man mit Geschehnissen dieser Qualität umgeht. Das hätte spätestens nach dem Anschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund im Jahr 2017 erfolgen müssen. Auch hier gab die UEFA ein unflexibles wie unmenschliches Bild ab und schickte die BVB-Spieler tags darauf mehr oder weniger sehenden Auges ins Verderben.
Was passiert jetzt beim nächsten Anschlag auf eine Mannschaft im Bus, was passiert beim nächsten kollabierten Spieler? Eine freilich zynische Fragestellung, die hoffentlich niemals mehr einer Antwort bedarf. Das ist jedoch Wunschdenken. Die derzeit wahrscheinlichste Replik lautet vielmehr: Es passiert genau dasselbe wie beim letzten Mal - es wird hektisch irgendeine unüberlegte Lösung zusammengeschustert. Und das kann es besonders in einem Sport, dessen Natur mittlerweile bis ins Detail reglementiert ist, ja wohl nicht sein.