Wie geht man mit dem Druck in einem Fußballspiel um? Deutschlands Torhüterin Almuth Schult sowie die Verteidigerinnen Verena Schweers und Sara Doorsoun erklären vor dem Achtelfinale gegen Nigeria am Samstag (17.30 Uhr live auf DAZN) im exklusiven Interview mit DAZN ihre Ansätze und geben einen Einblick in die Arbeit beim DFB.
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Wenn man sich überlegt, wie gut ein Spieler ist, wird meistens über Dinge wie die Athletik, über die Technik oder das Spielverständnis gesprochen - selten aber über die mentale Komponente, obwohl der Druck als Profisportler ja definitiv da ist.
Sara Doorsoun: Das unterschätzt man gerne, wenn man dann doch oft nur als Sportler gesehen wird. Aber viele äußere Faktoren gehören dann doch dazu. Wenn man das alles geregelt kriegt und sagen kann: Das passt alles, wie es in meinem Umfeld ist und ich fühl mich gut, ich fühl mich wohl, dann kann man auch seine Leistung bringen.
Haben Sie Mentalcoaches, die mit Ihnen gerade den Umgang mit Fehlern trainieren?
Verena Schweers: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, gerade auch auf diesem Niveau ist es wirklich sehr wichtig, auch Mentalcoaches oder Psychologen zu haben. Wenn du weißt, was du kannst, wenn du dir selber vertraust, dann kannst du es meistens auch auf dem Platz umsetzen. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass wir jemanden dabei haben wie jetzt die Birgit Prinz, die ja auch schon ganz viel Erfahrung hat, die uns dann unterstützt und mit der man auch mal reden kann, wenn man sich vielleicht mal nicht so gut fühlt.
Almuth Schult: Man versucht ja immer, durch Training seine Ressourcen, die man hat, zu verbessern und auszuschöpfen. Wenn ich schlecht in der Ausdauer bin, gehe ich laufen, um sie zu verbessern. Wenn ich eine schlechte Technik habe, dann nehme ich mir den Ball und spiele Bälle. Wenn ich ein Problem habe mit der Mentalität und mit dem Druck, warum soll ich mir dann nicht einen Psychologen oder Mentaltrainer nehmen? Diese paar Prozent können mir unglaublich viel helfen, dass ich auch die Technik und die Taktik ausführen kann auf dem Platz.
Gegen China waren zwei Pässe dabei, die nicht so geplant waren. Was denken Sie in solch einer Situation unmittelbar danach?
Doorsoun: Unmittelbar danach muss ich zunächst noch versuchen, die Situation zu bereinigen. Ich habe den Ball dann noch selber zur Ecke geklärt. Ich denke einfach 'Okay, abhaken. Weiter geht's', weil ich mich in dem Moment nicht so lange damit auseinandersetzen kann. Ich glaube, zwei Minuten später ist mir fast derselbe Fehler nochmal unterlaufen. Ich habe mir selbst vorgenommen 'Okay, jetzt erst recht'. Natürlich ist es etwas, womit man sich beschäftigt, wenn man in die Halbzeit geht. Schenkt die Trainerin mir das Vertrauen? Nimmt sie mich raus? Das sind alles Dinge, die ich nicht beeinflussen kann. Man hat Dinge in der Kabine angesprochen. Dadurch, dass die Trainerin mich auf dem Platz gelassen hat, hat es mir auch nochmal sehr, sehr viel Vertrauen gegeben in dem Moment. Ich bin ein Typ, der das dann immer zurückgeben möchte. Ich sehe das nicht als selbstverständlich an, dass ich die zweite Halbzeit auch starten durfte und wollte das einfach nur zurückgeben, das Vertrauen.
Wie reflektieren Sie jene Situationen nach einer Partie?
Doorsoun: Am nächsten Tag sehe ich mir die Szenen bewusst nochmal an. Wenn ich mir das nicht ansehen würde oder mich nicht damit auseinandersetzen würde, dann würde es mir im nächsten Spiel wieder passieren. Deswegen beschäftige ich mich schon damit. Das ist mir nicht egal, weil es ein Teamsport ist. Wenn mir das egal sein würde, dann wäre ich, glaube ich, falsch an dieser Stelle. Ich will für mich das Bestmögliche geben, aber vor allem für das Team. Da müssen wir einfach alle gemeinsam an unseren Fehlern arbeiten.
Sie stehen zu elft auf dem Feld und können die Fehler ausgleichen. Das gilt für Ihre Mitspieler noch mehr als für Sie, weil Sie letztendlich die entscheidende letzte Frau sind.
Schult: Ich habe keinen Spaten, um mich einzugraben. Und das ist auch kein gutes Zeichen, wenn ich zum Trainer gehe und sage "Heute ist ein Scheiß-Tag, wechsle mich doch einfach aus." Das geht nicht. Man muss eine Konzentrationsfähigkeit haben und auch eine Ausdauer in dieser Konzentration. Man darf nie abschalten, weil es auch mal sein kann, dass jemand aus 50 Metern aufs Tor schießt, wenn man es nicht erwartet. Mir hat es damals viel geholfen, dass ich Luftpistole geschossen habe, weil du dich da auch auf jeden Schuss konzentrieren musst.
Schweers: Wenn du konzentriert bist, dann bist du auch wach im Spiel. Dann kannst du auch Situationen anders einschätzen.
Doorsoun: Ich bin wirklich absolut mit mir selbst im Reinen. Das musst du dir selbst auch immer sagen können, dann kannst du auch deine Leistung bringen. Dann ist es auch einfach so, dass Fehler absolut menschlich sind. Keiner von uns macht das absichtlich. Wenn ich Fehler mache, dann weiß ich aber trotzdem, dass ich mich auf die anderen verlassen kann.