Das Jahr 2020 sollte eigentlich für einen Neuanfang stehen. Chicharito heuerte im Januar beim MLS-Klub Los Angeles Galaxy an, allerdings wurde er nur wenige Monate später mit einem harten Rückschlag konfrontiert. Sein Großvater und Förderer, die mexikanische Fußball-Legende Tomas Balzacar, verstarb im Alter von 88 Jahren.
Im Gespräch mit SPOX und Goalspricht Chicharito offen über die Trauer, die innere Leere und seine Ängste. Außerdem verrät er, wie er seine inneren Dämonen bezwang und warum Ruhm und Geld als falsche Idealbilder in der Gesellschaft betrachtet werden.
Chicharito über ...
... die Trauer über den Tod seines Großvaters Tomas Balcazar: Als mein Großvater verstarb, war ich natürlich extrem traurig. Ich habe mich nicht unbedingt einsam gefühlt, sondern eher die Angst vor einer möglichen Einsamkeit verspürt, weil ich mich bis dato nie wirklich akzeptiert oder geliebt habe. Im Zuge seines Todes habe ich viel an Gewicht zugelegt. Es war eine große Leere in mir.
... die Verarbeitung des Todes und die Arbeit mit einem Mentalcoach: Der Tod meines Großvaters hat mir rückblickend am Ende dabei geholfen, mich selbst zu akzeptieren und Dinge hinzunehmen, über die ich ohnehin keinerlei Kontrolle habe. Ich habe losgelassen. Zu lernen, dass ich bestimmte Geschehnisse nicht beeinflussen kann, war wie eine Art Training für mich. Anfangs konnte ich nicht loslassen, aber dann habe ich es getan.
... den generellen Umgang mit inneren Ängsten und Verletzlichkeit: Die wichtigsten und kompliziertesten Entscheidungen, die mich dem Leben nähergebracht haben, waren die, bei denen ich Angst hatte, sie zu treffen. Ich glaube, dass 99 Prozent der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens nicht mit Vorfreude im Hinterkopf getroffen wurden. Es war das genaue Gegenteil. Ich habe gemerkt: Sei verletzlich, sei du selbst, wachse. Jeder Mensch hat Angst davor, aber renn nicht vor deinen Ängsten davon, denn nur dann kann dein Ego gestärkt werden. Es bewahrt dich vor dem Tod.
... die Einsicht, dass Fehler Teil des Sports und des Lebens sind: Ich bin mit mir im Reinen, weil ich gelernt habe, Herausforderungen und Schwierigkeiten anzunehmen. Nicht nur im Sport, sondern auch im Leben. Was das heißt? Ich mache Fehler, ich bin nicht der größte und beste Fußballer, ich bin nicht der beste Freund oder beste Partner - und ich bin auch nicht der beste Vater und nicht der beste Mensch. Niemand von uns ist das, weil das Beste nicht existiert.
Chicharito: "Renne nicht vor unangenehmen Momenten davon"
... den Umgang mit Ruhm: Haben Sie die Billie-Eilish-Doku gesehen oder die über Taylor Swift? Auch im Song "Lonely" von Justin Bieber kann man heraushören, dass Geld und Ruhm nicht automatisch Perfektion und Sorglosigkeit bedeuten. Es ist auch eine Verantwortung der Gesellschaft, Geld, Bekanntheit und Ruhm eben nicht zu überhöhen. Geld und Ruhm sind nur Werkzeuge. Es definiert mich nicht, mich definiert, wie ich diese Werkzeuge einsetze.
... seine derzeitige Gefühlslage: Ich befinde mich an einem Punkt, an dem ich mich selbst akzeptiere. Ich renne nicht vor unangenehmen Momenten davon und habe realisiert, an welchen emotionalen beziehungsweise mentalen Aspekten ich an mir arbeiten muss. Ein Teil dieser Arbeit ist physischer Natur, der andere Teil betrifft mein Umfeld und die Menschen, die ich liebe.
... den Unterschied zwischen Javier und Chicharito: Es gab früher sicherlich einen Unterschied (zwischen Javier und Chicharito, d. Red.), aber es ist letztlich ein und dieselbe Person. Ich bin sowohl Javier der Privatmensch als auch Chicharito der Fußballspieler. Ich glaube, es kommt darauf an, wie die Leute dich wahrnehmen, oder?
... seine präferierte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit: Schwer zu sagen. Letztlich kümmert es mich nicht, wie die Leute mich wahrnehmen,, weil es nun einmal ihre subjektive Einschätzung ist. Sie kennen mich nicht, bis sie sich mit mir zusammensetzen. Und selbst dann ist es schwierig, sich ein Urteil über einen Menschen zu bilden. Es bedarf einer langen Zeit, um jemanden wirklich komplett kennenzulernen.