Laurence Bassini heißt eigentlich anders. Er war mehrmals pleite, stand unzählige Male vor Gericht und ist gerade dabei, zum zweiten Mal einen Traditionsklub in England zu kaufen: Birmingham City. Doch wie kann das sein, dass ein nachweislich korrupter Mann den englischen Fußball so an der Nase herumführt. Eine unfassbare Geschichte.
Es kommt derzeit selten vor, dass Anhänger von Birmingham City sich genüsslich zurücklehnen und mal so richtig befreiend aufatmen können. Der Verein hat ein Jahrzehnt hinter sich, in dem sich die Blues von einem Leid ins nächste manövrierten.
Seit zehn Jahren gab es in der zweitklassigen Championship keine bessere Platzierung als Rang zehn. Seit fünf Jahren nicht mal besser als Rang 17. 2019 wurden Birmingham neun Punkte abgezogen, weil der Klub zwischen 2015 und 2018 gegen die Lizenzierungsauflagen verstoßen hatte, mehr Verluste machte als angegeben.
Zuletzt wurden im St. Andrew's Stadium, der Heimspielstätte der Blues, wegen korrodierten Stahlträgern zwei Tribünen komplett geschlossen. Um es recht einfach zu erklären: Das Stadion drohte im schlimmsten Fall teilweise einzustürzen. So wie die Fußballmannschaft.
Birmingham City, das einst den heutigen BVB-Liebling Jude Bellingham hervorbrachte und nun dessen Bruder Jobe zum nächsten Star heranzieht, war nie ein Erfolgsmodell mit vielen Titeln, aber so trost- und aussichtslos wie jetzt war man sportlich selten.
Bassini: Die anderen sind wie Milchgesichter im Knabenchor
Sportliche Kompetenz ist kaum vorhanden. Die kostet Geld, das nicht da ist, aber Geld, das ihnen zuletzt Massimo Cellino geben wollte. Der italienische Geschäftsmann wollte kaufen, fiel aber als möglicher Eigentümer durch, weil er die strengen Kriterien für eine Klub-Übernahme in England wohl nicht erfüllt hätte.
Als ihm einst Leeds United gehörte, wurde er 2014 von der Liga ausgeschlossen und zum Verkauf seiner Rechte gezwungen, weil er beim Erwerb einer Luxus-Yacht die Steuer umging und dabei erwischt wurde. Zwar klagte er sich ein paar Mal zurück, musste aber dann als verurteilter Steuerhinterzieher 2017 endgültig zwangsabgeben.
Cellino, der heute Brescia Calcio in Italien besitzt, zahlte auch mal keine Steuern für seinen neuen Geländewagen und wurde 2013 für zwei Wochen in U-Haft genommen, weil er mit dem Bürgermeister der sardischen Gemeinde Quartu Sant'Elena krumme Geschäfte machte. Dass so eine Person das stolze Birmingham City übernimmt? Unmöglich. Viele Fans atmeten tatsächlich dann mal auf, weil Cellino nicht durfte.
Heute wären sie froh, wenn der Mann aus Sardinien, der auch wegen den Folgen der Pandemie damals zurückzog, die Zusage bekommen hätte. Zwar war Cellino sicher kein Kind von Traurigkeit, aber gegen Laurence Bazini bzw. Laurence Bassini ist er ein Milchgesicht im Knabenchor.
imago imagesWie Catch me if you can - nur besser
Wenn es stimmt, ist Bassini 52 Jahre alt. Das muss man hinterfragen, weil in der Lebensgeschichte dieses Mannes fast nichts stimmt. Zwischen 1993 und 2004 war er Geschäftsführer von fünf Unternehmen, die es heute nicht mehr gibt. 2007 wurde er mit seinem Hotelunternehmen The Fox insolvent, was er öffentlich seinem Vater in die Schuhe schob. Ein Jahr später musste er Sozialhilfe beantragen. Da hieß er aber schon Bassini und nicht mehr Bazini. Er ließ sich seinen Namen ändern, weil er einen "Neuanfang" wollte, wie er mal erzählte.
Aus dem, was in den Jahren danach folgte, bekommen Drehbuchautoren aus Hollywood feuchte Hände. Wenn man über Bassini etwas Positives sagen will, kann man seine Eigenschaft als Stehaufmännchen erwähnen. Der Kino-Hit Catch me if you can war nett, das hier ist True Crime. Nun ist Bassini ein weiteres Mal aufgestanden und arbeitet daran, Birmingham City zu übernehmen. Und in England fragt man sich: Wie kann das nur sein?!
Mit dem Fußball kam Bassini 2011 in Berührung. Vor einem Gericht - und da war er oft in seinem Leben - sagte er mal aus, dass ihm sein Bruder Geld geliehen habe, damit er sich etwas aufbauen kann. Er wollte einen Fußball-Klub kaufen, doch das Geld, das ihm der Bruder in Aussicht stellte, reichte dafür nicht. Er kam mit dem Investmentbanker Keith Harris in Kontakt und diesen überzeugte er, ihm einen Kredit von sieben Millionen Pfund zu geben.
2011 wurde er als neuer Eigentümer des damals klammen FC Watford vorgestellt. "Ich hatte etwa zehn Millionen Pfund zum Spielen", sagte Bassini einem Richter. Doch der windige Laurence sah in dem Geschäft Fußball nicht nur eine Chance, wieder aufzustehen, sondern auch richtig abzusahnen.
Laurence Bassini bekam den Safe-Schlüssel nicht
Bassinis Zeit bei Watford war geprägt von Vorwürfen finanzieller Unregelmäßigkeiten, die im Juni 2012 im sogenannten "Safegate"-Skandal gipfelten. Längst machte sich die Runde, das Bassini den Klub wieder verkaufen wird, auch weil er von den Vereinsgrößen aufgrund der vielen Skandale in nur zwölf Monaten dazu gezwungen wurde.
Im Juni 2012 wollte Bassini Zugang zum Safe des Klubs, als ihn ein langjähriger Mitarbeiter daran hinderte. Er wollte Bassini die Schlüssel partout nicht geben. Bassini rief die Polizei, ließ den Mitarbeiter filmreif abführen und ließ sich die Schlüssel geben. Als einige Wochen später Bassini verkaufte, standen die Nachfolger vor einem Scherbenhaufen.
Im November 2012 berichteten englische Medien darüber, dass sich Bassini 1,5 Millionen Pfund "lieh", in den Büchern war das als "Vorschuss" vermerkt. Das Geld hat Watford nie wieder gesehen, aber nach monatelangen Recherchen wurde er von der englischen Fußballliga für drei Jahre aus dem Fußball ausgeschlossen. Es kam zum Rechtsstreit mit den Russo-Brüdern, von denen er damals Watford übernahm. Sie gaben an, Bassini schulde ihnen 3,5 Millionen Pfund. Bassini zog eine Riesenshow ab, warf mit Verschwörungstheorien um sich, drohte den Russos ein paar Mal, hatte damit aber natürlich keinen Erfolg.
Als Watford 2013 das Aufstiegsspiel gegen Crystal Palace verlor und damit nicht die Premier League aufstieg, soll er den Redakteuren des Watford Observer Nachrichten der Freude geschickt haben. Der Nicht-Aufstieg sei "die schönste Erinnerung an Watford", die er habe.
Laurence Bassini hat ein klares Muster
Ach ja: Im Juni 2014 wurde Bassini zum zweiten Mal für insolvent erklärt. Diesmal behielt er seinen Namen, musste aber dem Gericht erzählen, warum er keinen Privatbesitz hat, wenn er zuvor nachweislich 1,5 Millionen Pfund aus der Watford-Kasse bekam. Dieser Laurence Bassini muss aber ein genialer Überredungskünstler sein, denn seine Insolvenz wendete er drei Jahre später ab, weil er gleich von drei Unternehmen zum Direktor ernannt wurde.
Man würde ja jetzt sagen, dass kein Mensch aus der professionellen Welt des Fußballs je wieder auf den Gedanken kommt, diesen Mann in irgendein Stadion zu lassen, geschweige denn in die Geschäftsstelle.
Aber der Fußball tickt da irgendwie anders. Vielleicht geht es einfach zu schnell, sodass man die Vergangenheit vergisst oder sie verdrängt. Es ist nicht anders als mit einer Amnesie zu erklären. 2019 tauchte Bassini nämlich wieder auf und diesmal arbeitete er daran, die Bolton Wanderers zu übernehmen. Bolton war wie einst Watford finanziell angeschlagen und suchte nach einem Ausweg. Man erkennt durchaus ein gewisses Muster im Vorgehen Bassinis, der später noch andere Klubs dieses Kalibers umwarb. Dazu aber gleich mehr.
In Bolton war man zumindest so schlau, dass man Nachweise einforderte, dass er auch wirklich dazu in der Lage ist, den Klub zu übernehmen. Die Nachweise wurden aber nie geliefert. Als die Übernahme abgeblasen wurde, stand Bassini mit Megafon vor dem Stadion, um den Fans zu erklären, was er alles tun würde, wenn man ihn ließe. Im Klub konnte man darüber nicht lachen, weil Spieler und Mitarbeiter auf Gehalt warteten.
gettyDer Versuch bei Charlton Athletic
Ein alternatives Kaufangebot wurde angenommen, doch Bassini ließ nicht locker. Er erwirkte eine gerichtliche Verfügung, dass Bolton nicht verkauft wird und versuchte es selbst nochmal. Ohne Erfolg. Das endgültige Aus im Fußballgeschäft?
Noch während die Gespräche mit Bolton liefen, saß er schon in der Chefloge von Charlton Athletic. Natürlich finanziell angeschlagen, natürlich auf der Suche nach einem Käufer. Und natürlich war Bassini interessiert. Diesmal umgarnte er Charlton-Geschäftsführer Matt Southall, mit dem er offenbar schon krumme Geschäfte plante, bevor es überhaupt zu den Sondierungen über eine mögliche Übernahme kam.
Lokale Medien leakten damals Nachrichten und Briefe, die die Vorgänge bestätigten. Unter anderem sollten Southalls private Schulden durch Zahlungen des Klubs beglichen werden, wenn natürlich der Verkauf erfolgt. Auch dazu kam es nie. Bassini versuchte sich noch in Oldham, auch Portsmouth soll er ins Auge gefasst haben.
Nun also Birmingham. Glaubt man den Worten Bassinis, aber auch den Verlautbarungen des Klubs, ist er so nah dran wie nie, seit Watford einen Klub zu übernehmen. Zwar nutzt Bassini seine wohl ziemlich ausgeprägten Kontakte in den Medien ziemlich gut und spricht fast täglich über sein Vorhaben, aber der Prozess, der nun schon Monate läuft, ist immer noch nicht abgeschlossen.
Zwar sagt Bassini, dass er selbst keine aktive Rolle im Vorstand einnehmen will, meinte aber im gleichen Interview, dass er Lee Bowyer als Trainer entlassen will, um Mark Warburton als Nachfolger zu verpflichten. Warburton ist nun als Co-Trainer von West Ham United verpflichtet worden und wusste offenbar überhaupt nichts von seinem Glück.
Laurence Bassini: Warum versucht er es immer wieder?
Die Birmingham-Fans sind natürlich sauer, zumal Ex-Profi Bowyer durchaus beliebt ist und Bassini überhaupt keine Funktion im Klub hat. Erst muss er erzählen, wie er die knapp 35 Millionen Pfund aufbringen will, um den Klub komplett zu übernehmen, obwohl er gerade daran arbeitet, zunächst 21,64 Prozent der Anteile zu erwerben.
Persönlich will er zehn Millionen Pfund einbringen. Wie? "Ich habe Aktien im Wert von zehn Millionen Pfund. Ich leihe mir die zehn Millionen gegen meine Aktien." Und der restliche Betrag? Offenbar hat er wieder seine Überzeugungskünste spielen lassen und David Sullivan, Eigentümer von West Ham United, dazu überredet ihm einen Kredit zu geben.
Als Eigner wird Sullivan allerdings nicht auftauchen können, weil es verboten ist, an zwei Klubs beteiligt zu sein. Inzwischen hat Birmingham City an der Börse in Hongkong bestätigt, dass der bisherige Anteilseigner, Vong Pech - ein kambodschanischer Geschäftsmann mit Sitz in Hongkong - 21,64 Prozent des Vereins verkauft hat. An wen? Wurde nicht genannt.
Was ist also nun das Problem, Herr Bassini? "Es gibt ein Problem mit einem Mehrheitsaktionär, wir wissen also nicht, wie es im Moment um ihn bestellt ist und wem der Verein tatsächlich gehört." Er klang dennoch optimistisch, dass die Übernahme bald erfolgt. Eine Aussage, die man aufgrund der Vergangenheit natürlich mit Vorsicht zu genießen hat.
Bei einem Live-Interview mit Talksport, dem bekanntesten Sportradiosender Englands, wurde Bassini nun gefragt, warum er es immer wieder versucht, an die Macht eines Fußballklubs zu kommen und warum er nun bei Birmingham den nächsten Anlauf startet.
In früheren Interviews sagte Bassini noch, dass es "nicht um mein Ego" gehe. Nun klingt er anders: "Ich liebe den Fußball und ich werde ein letztes Mal auf den Platz gehen, um zu beweisen, was ich kann. Mir selbst, aber auch den Leuten da draußen, die viele Dinge über mich gesagt haben. Den Kritikern, die Lügen und Geschichten über mich erfunden haben."
Nur drei Jahre möchte er die Macht über Birmingham City haben. Und danach? "Dann werde ich mich für immer vom Fußball verabschieden." Man mag dem nicht so ganz glauben. Aber wer weiß, vielleicht kommt er ja mit einem neuen Namen dann doch zurück.