Die Talfahrt von Luka Jovic geht ungebremst weiter. Nach drei mehr als enttäuschenden Jahren ist seine Zeit bei Real Madrid beendet. Endlich - das lässt sich sowohl aus Sicht des Spielers als auch aus der des Vereins bedenkenlos sagen.
"Ein Fußballer von Real Madrid zu sein, ist das Schönste", sagte Jovic kurz nach seinem Wechsel und traf den Nagel im nächsten Atemzug auf den Kopf: "Und zugleich das Schwerste der Welt."
Dabei lag ihm die Welt zu Füßen, als er 2019 nach Madrid gekommen war. An der Seite von Sebastien Haller (heute BVB) und Ante Rebic (heute AC Milan) hatte er Eintracht Frankfurt in der Vorsaison als Teil der "Büffelherde" bis ins Halbfinale der Europa League geführt und die Fußball-Welt verzückt. Jovic avancierte zu einem der größten Transferziele auf dem Markt, Real bekam den Zuschlag und ließ sich den damals 21-Jährigen satte 63 Millionen Euro kosten. Zudem stattete man ihn mit einem fürstlichen Fünfjahresvertrag aus.
Nur für zwei Angreifer griffen die Königlichen vor Jovics Ankunft tiefer in die Tasche: 2009 für Cristiano Ronaldo (94 Millionen Euro, Manchester United) und 2013 für Gareth Bale (101 Millionen Euro, Tottenham Hotspur). Eden Hazard, der dann ebenfalls 2019 kam, war mit 115 Millionen Euro (FC Chelsea) noch teurer.
Drei Saisons und 51 größtenteils enttäuschende Pflichtspiele später ist das Projekt derart gescheitert, dass Real für den inzwischen 24-Jährigen trotz des noch zwei Jahre gültigen Vertrags nicht mal mehr Geld wollte und ihn an die AC Florenz regelrecht verschenkte. Die Fiorentina zahlte keinen Cent für Jovic, der ein Arbeitspapier bis 2024 mit einer Option für zwei weitere Jahre erhielt.
Doch damit nicht genug! Real übernimmt dem Vernehmen nach auch noch das Gehalt während der ersten beiden Spielzeiten. Ganz nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Im Gegenzug sicherte sich der spanische Meister immerhin eine Weiterverkaufsklausel von 50 Prozent, sollte der italienische Traditionsverein Jovic vor 2026 abgeben.
gettyJovics Start bei Real Madrid: Nur Higuain war schlechter
Damit gehört Jovic zweifelsohne zu den größten Fehlentscheidungen der madrilenischen Vereinsgeschichte. Wirklich überraschend ist das Scheitern des Serben allerdings nicht. Er passt schlichtweg nicht in das sowohl von Zinedine Zidane als auch von dessen Nachfolger Carlo Ancelotti so geliebte 4-3-3-System. In Frankfurt hatte er nur selten den alleinigen Mittelstürmer gegeben. Seine Klasse blitzte meist auf, wenn er die Unterstützung eines anderen Spielers um sich herum hatte. Das stach auch bei seiner kurzen, aber bezeichnenden Rückkehr zu den Hessen heraus.
Während seiner halbjährigen Leihe 2021 erlebte Jovic seine erfolgreichste Zeit als Spieler des Champions-League-Rekordsiegers. Als Partner oder Entlastung von Andre Silva erzielte er in 18 Einsätzen, oft von der Bank aus kommend, immerhin vier Tore - insgesamt doppelt so viele als zuvor für Real. Hinzu kommt, dass er in Madrid im direkten Duell mit dem immer besser werdenden Karim Benzema nie eine Chance hatte. Wahrlich keine Schande: Der Franzose verdrängte schließlich schon Größen wie Gonzalo Higuain, Emmanuel Adebayor, Alvaro Morata oder Chicharito.
Trotzdem trägt auch Jovic selbst einen großen Anteil an seiner Misere. Zum Saisonstart 2019/20 hatte er noch regelmäßig auf dem Platz gestanden, weil gleich mehrere Offensivspieler ausgefallen waren. Die Chance nutzte er aber nicht. Es dauerte nicht lange, bis die spanische Zeitung Marca ein erstes vernichtendes Urteil fällte und ihn als "einen der unproduktivsten Stürmer des Jahrtausends" abstempelte. Erst nach zehn Pflichtspielen und 312 Einsatzminuten traf Jovic das erste Mal ins Netz und überbot damit Michael Owen, der mit 291 Minuten lange auf Platz zwei der vereinsinternen Rangliste von Ladehemmungen der Stürmer-Neuzugänge gestanden hatte. Higuain brauchte sogar 669 Minuten für sein erstes Pflichtspieltor.
Luka Jovic im Steckbrief
geboren | 23. Dezember 1997 in Bijeljina, Bosnien-Herzegowina |
Größe | 1,82 m |
Gewicht | 85 kg |
Position | Mittelsturm |
Fuß | beidfüßig |
Stationen | FK Loznica Jugend, Roter Stern Belgrad Jugend, Roter Stern Belgrad, Benfica, Eintracht Frankfut, Real Madrid, AC Florenz |
Jovic bei Real: Corona-Eklat und Mauersturz
"Es war nicht einfach. Ich musste lange Zeit auf mein erstes Tor warten. Ich stand unter großem Druck, aber ich war mir meiner Qualitäten bewusst und mir war klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde", sagte Jovic damals und richtete sich mit einem hinterher betrachtet schon etwas angeknacksten Selbstvertrauen, welches noch weiter sinken sollte, an die Medien: "Obwohl weder ich noch die Leute um mich herum wie der Trainer oder meine Mitspieler an meinen Qualitäten gezweifelt haben, war die Öffentlichkeit sehr hart zu mir und es war nicht schön, solche Artikel zu lesen. Ich hoffe, künftig vertrauen sie mir mehr."
Die wenigen Einsatzzeiten, aber auch seine Leistungen ließen jedoch nicht zu, dass er dieses Vertrauen hätte erwarten können. Obendrein kamen Verletzungen und fragwürdige Aktionen hinzu, die ihn noch weiter ins Abseits manövrierten. Zum einen hatte er im Frühjahr 2020 Madrids Quarantäne-Auflagen ignoriert und sich heimlich nach Belgrad auf den Geburtstag seiner Lebensgefährtin begeben - mit der Folge, dass sich sogar der serbische Staatspräsident einschaltete und Jovic eine Haftstrafe drohte. Zum anderen hatte er sich wenige Monate später auf dubiose Art und Weise nach einem angeblichen Sturz von einer Mauer den Fuß gebrochen.
In der folgenden Zeit und auch nach seiner Rückkehr aus Frankfurt fand sich Jovic noch häufiger auf der Bank wieder. Keine Transferperiode ging ohne Gerüchte um seine Person vorüber, in der abgelaufenen Saison hatte es sogar Spekulationen über einen möglichen Wechsel zum BVB gegeben, Geld in die Hand nehmen wollte aber offensichtlich kein anderer Klub. Damit fand sich nun auch Real ab - die wohl für beide Seiten beste Lösung. Und Jovic legte in Florenz direkt einen Start nach Maß hin.
imago imagesJovic bei Florenz-Debüt: Mehr Tore als für Real Madrid
Gleich in seinem ersten Spiel für seinen neuen Verein erzielte Jovic beim 7:0-Sieg gegen den unterklassigen Klub Real Vicenza einen Viererpack, nachdem er erst zur Pause gekommen war. Damit traf er bei seinem Debüt häufiger als zuvor in zweieinhalb Jahren im Real-Dress. Denn nach seiner Frankfurt-Leihe kam nur ein weiteres Tor hinzu, auf dem Konto stehen also lediglich drei Pflichtspieltreffer für die Königlichen. Auch bei Testspielen netzte er in sieben Anläufen nicht. Gemessen an seiner Ablöse bezahlte Real also 21 Millionen Euro pro Jovic-Tor.
"Es war ein Schritt, den ich in meiner Karriere gebraucht habe", sagte Jovic bereits vor seiner Torgala. Für Vater Milan hat sich sein Filius ohnehin zu Unrecht zu einem Flop entwickelt. "Es ist eine Chance für alle, um zu sehen, wer recht hat und wer sich täuscht", erklärte er vielsagend in Richtung Real. Jetzt liegt es an Jovic, diesen Worten Taten folgen zu lassen und sich zu beweisen. Weit weg von Madrid.
Luka Jovic: Leistungsdaten bei Real Madrid
Saison | Spiele | Tore | Assists | Spielminuten |
2021/22 | 19 | 1 | 3 | 549 |
2020/21 | 5 | - | - | 208 |
2019/20 | 27 | 2 | 1 | 806 |