So rasend schnell kann Zeit vergehen. Sechs Jahre nach seiner Flucht war Marco Reus wieder in Schwarz-Gelb gekleidet. Ob es ihm wie ein Fingerschnippen vorkam, lässt sich nur vermuten.
Viel getan hat sich in dieser Spanne bei Reus und Borussia Dortmund, dem deutschen Fußball-Meister und DFB-Pokalsieger. "Ich freue mich riesig auf die Saison mit den Mannschaftskollegen, dem Trainerstab und den Fans", sagte der 23-Jährige am Montag anlässlich seiner Präsentation bei der Borussia: "Es ist hier viel Positives passiert."
Diese Feststellung gilt auch für ihn selbst. Im WM-Jahr 2006 verließ Reus seine Heimatstadt und seinen Heimatverein, bei dem er in der Jugend spielte. Eine sportliche Perspektive bei den Profis war seinerzeit für ihn nicht gegeben. Aus heutiger Sicht erscheint das kaum vorstellbar, und der Umweg, den Reus gehen musste, reut auch BVB-Sportdirektor Michael Zorc.
Er gestand nach Bekanntwerden der Rückholaktion von Borussia Mönchengladbach im Januar, die den BVB die festgeschriebene Ablösesumme von 17,1 Millionen Euro kostete, dass er es lieber gesehen hätte, wenn Reus seine unglaubliche Entwicklung in Dortmund genommen hätte.
Über Umweg zurück zum BVB
Hat er aber nicht. Der Offensivspezialist wechselte zu Rot-Weiß Ahlen in die 2. Liga, spielte dort mit seinem Kumpel Kevin Großkreutz zusammen und wurde dann von Gladbach für nur eine Million Euro Ablösesumme geholt.
Aus ihm wurde nach dem Beinahe-Abstieg der Gladbacher unter Trainer Lucien Favre in der vergangenen Saison eine echte "Granate", wie es Dortmund Innenverteidiger Neven Subotic einmal umschrieb. Wirklich weit weg war er trotzdem nie; seine Familie und Freunde besuchte Reus stets in Dortmund.
Zorc, der am Montag neben seinem Königstransfer auf dem Podium saß, ließ nicht unerwähnt, dass die Profi-Kollegen Reus zum Spieler der Saison gewählt hätten. "Das ist die höchste Auszeichnung", sagte Zorc. Reus bestätigte bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine, dass er eines der größten deutschen Talente im Offensivbereich ist - wenn nicht sogar das derzeit größte.
Sein 4:1 beim 4:2 im Viertelfinale gegen Griechenland wurde zum "Tor des Monats" gewählt. "Er ist ein fast kompletter Offensivspieler, der eine Hohe Spielintelligenz hat. Er verfügt über eine enorme Schnelligkeit, die er auch mit Ball nicht verliert. Marco hat zudem eine gute Abschlussqualität, er kann Chancen kreieren und Tore vorbereiten", sagte Zorc, der selbst 463 Bundesliga-Spiele machte und 131 Tore erzielte. "Er ist ein Offensivspieler, der mit vielen Talenten gesegnet ist."
Klopp sieht Steigerungspotenzial
Jürgen Klopp kam zwei Jahre nach dem Abgang von Reus als Trainer nach Dortmund. Er hätte diesen Spieler wohl nicht ziehen lassen. Der Erfolgscoach nimmt bei den sportlichen Vorzügen von Reus bewusst die Adjektive "unglaublich" und "fantastisch" in den Mund - und sieht trotzdem selbstverständlich noch Steigerungspotenzial.
Wie auch Reus selbst. "Grundsätzlich versuche ich erst mal richtig fit zu werden und meine Leistung zu zeigen, mich zu verbessern, um noch einen Schritt nach vorne zu kommen", erklärte er. Noch besser? Die Fans in Dortmund, aber auch die, die mit der deutschen Nationalmannschaft fiebern, dürfen sich freuen.
Eine besondere Qualität von Marco Reus blieb unerwähnt. Er scheint mentale Stärke zu besitzen. Reus ist stets trocken und sachlich in dem, was er sagt. Von Vergleichen mit prominenten Abgängern wie in Dortmund Shinji Kagawa und damals in Gladbach Marko Marin lässt er sich nicht irritieren. "Kagawa ist Kagawa, Marin ist Marin. Ich bin ein anderer Spieler", sagte er.
Druck verspürt Reus scheinbar nicht; so unbefangen ist er auch bei der EM unter Bundestrainer Joachim Löw aufgetreten. "Ich beschäftige mich nicht mit der Ablöse. Ich habe einfach Spaß am Fußball und Spaß daran, mit den Jungs zu kicken", erklärte Reus. Und damit hatte er fürs erste alles gesagt und wollte, na klar, am liebsten sofort zurück auf den Platz.
Marco Reus im Steckbrief