Kaum ein Deutscher kennt die Premier League so gut wie Michael Ballack. Im exklusiven Interview mit Omnisport spricht der ehemalige Chelsea-Legionär über die Eigenarten von Guardiola und Mourinho, über die Erwartungen an Pogba, die schwierige Situation von Schweinsteiger, die Stärken von Klopp und analysiert die Situation bei seinem Ex-Verein Chelsea.
Frage: Nach drei Jahren beim FC Bayern wechselte Pep Guardiola in diesem Sommer zu Manchester City - und wertete die Premier League somit enorm auf. Was zeichnet Guardiola aus?
Ballack: Guardiola ist sehr fanatisch in der Art und Weise, wie seine Mannschaften spielen sollen. Ihm geht es nicht darum, sofort zu treffen, sondern das Spiel zu dominieren. Ihm ist es wichtig, dass seine Spieler auf dem Platz perfekt positioniert sind. Er liebt seinen Job, man kann seine Leidenschaft sehen.
Frage: Was kann man von seinem neuen Team Manchester City erwarten?
Ballack: City ist eine große Herausforderung, ein großes Projekt für ihn. Es wird in den nächsten zwei, drei, vier Jahren eine harte Aufgabe für Guardiola, ein funktionierendes Team zu bilden. Deshalb sollte man zu Beginn nicht zu viel von ihm erwarten.
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Frage: Guardiola gilt als Taktik-Guru.
Ballack: Taktik ist das, was der Trainer mit einem Team macht. Die Öffentlichkeit analysiert das dann gerne - und übertreibt es damit manchmal. Es gibt jedenfalls verschiedene Möglichkeiten, Erfolg zu haben. Klopp spielt einen zielstrebigen Fußball mit viel Pressing, Mourinho legt mehr Wert auf eine gesicherte Defensive.
Frage: Sie erwähnen Mourinho, der mittlerweile Manchester United trainiert. Sein erstes Engagement bei Chelsea war deutlich erfolgreicher als das zweite. Woran hat das gelegen?
Ballack: Es scheint so, als ob Mourinho bei seiner zweiten Amtszeit nicht der gleiche Trainer war wie bei der ersten. Ich weiß nicht warum, aber er ist jetzt ruhiger. Ich würde bei United gerne den "alten Mourinho" wiedersehen: Den Mourinho, der sich - in einer fairen Art und Weise - mit anderen Trainern duelliert und die eigenen Spieler an Leistungsgrenzen pusht. Das ist seine große Stärke.
Frage: Wie haben Sie ihn als Chelsea-Trainer erlebt?
Ballack: Er ist einzigartig. Meine Zeit mit ihm bei Chelsea war unglaublich, jeder spielte für ihn. Es war eine sehr gute Gemeinschaft - das hat Spaß gemacht.
Frage: Wie viel Kontakt haben Sie noch zu Ihrem Ex-Verein?
Ballack: Ich bin immer noch voll dabei. Ich schaue die Spiele und bin auch öfters im Stadion, wenn es möglich ist. Ich hatte immer eine gute Beziehung zum Verein und zu den Fans.
Frage: Wie bewerten Sie die vergangene Spielzeit?
Ballack: Ich war natürlich auch ein wenig enttäuscht über die Vorstellungen in der vergangenen Saison, aber nun gibt es einen Neuanfang mit einem neuen Trainer. Man muss abwarten, wie das Team die neuen Anforderungen umsetzt und wie schnell sich Conte an die Premier League gewöhnt.
Frage: Ist er der richtige Trainer für Chelsea?
Ballack: Seit Mourinho das erste Mal entlassen wurde, herrschte bei Chelsea eine große Fluktuation auf der Trainerbank. Deshalb ist es das Wichtigste, Conte Zeit zu geben. Er ist ein Trainer, der sehr gut zum Verein passen könnte. Bei der EM war es spannend zu sehen, was er mit Italien gemacht hat. Bei Chelsea muss er eine neue Hierarchie formen, um in dieser Saison voranzukommen.
Frage: Ein Schlüsselspieler könnte dabei Neuzugang N'Golo Kante sein.
Ballack: Ein guter Transfer! Immer wenn ich ihn für Frankreich spielen sehe, erinnert er mich an Claude Makelele. Er kann dem Team die nötige Stabilität geben und für die Balance zwischen Abwehr und Angriff sorgen. Er spielt jetzt aber für einen größeren Klub mit größeren Erwartungen, was nicht leicht ist.
Frage: Wie erklären Sie sich die schwache vergangene Saison von Eden Hazard?
Ballack: Emotionale Spieler wie er brauchen die Wärme und eine gute Beziehung zum Trainer, um liefern zu können. Er hat unglaubliches Talent, doch er muss lernen, mit dem Druck umzugehen und in den entscheidenden Momenten seine Leistung abzurufen. Er muss verstehen, dass er ein - wenn nicht der - Schlüsselspieler bei Chelsea ist, und nun eine Führungsrolle übernehmen. Wenn ich mir das Team anschaue, dann gibt es keinen, der so eine individuelle Qualität hat wie er.
Frage: Im Kader ist weiterhin auch John Terry. Wie wichtig ist er für das Team?
Ballack: Sehr wichtig, mit seiner Einstellung ist Terry einzigartig. Es ist gut, dass er weiter involviert ist. Andere Spieler wie Cech, Lampard oder Drogba haben den Verein verlassen. Als ich noch bei den Blues spielte, waren viele große Persönlichkeiten dabei. Ich denke, dass sich Chelsea wieder darauf besinnen muss, solche Spieler zu verpflichten.
Frage: Mit Paul Pogba ist in diesem Sommer ein interessanter Spieler zu Chelseas Rivalen Manchester United gewechselt. Der Franzose ist nun der teuerste Spieler der Fußball-Geschichte.
Ballack: Es ist lächerlich viel Geld, aber man wird nicht zum besten Spieler der Welt, nur weil man viel kostet. Im Moment zählt er nicht zu den besten Spielern der Welt, aber er kann diesen Schritt noch gehen. Wichtig ist, dass Pogba diese Summe aus dem Kopf bekommt, damit er seinen Weg weitergehen kann. Seine Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen. Der Umstand, dass ihn United einst ablösefrei gehen ließ und jetzt für so viel Geld zurückholte, zeigt seine großartige Entwicklung der vergangenen Jahre, aber er kann sich immer noch in einigen Bereichen verbessern. Er kann mehr Treffer erzielen und muss seine Führungsfähigkeiten verbessern, denn nun ist er das Gesicht dieses Teams.
Frage: Lange galt Wayne Rooney als das Gesicht von Manchester United.
Ballack: Er hatte großartige Jahre bei United und ist immer noch ein toller Spieler, mittlerweile aber auf einer anderen Position. Ich schaue ihm extrem gerne zu - aber es wird nicht einfacher, wenn man älter wird. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Verhältnis zum Trainer mit fortschreitendem Alter immer wichtiger wird. Mourinho ist jetzt der richtige Coach für ihn.
Frage: Auf Rooney scheint Mourinho zu zählen, Schweinsteiger sortierte er hingegen kaltblütig aus. Wie beurteilen Sie diese Maßnahme?
Ballack: Schweinsteiger hat diese Entscheidung nicht verdient, aber wenn man im Ausland spielt, dann muss man mit solchen Situationen umgehen können. Das ist hart, aber die Realität. Wenn dir ein Trainer so eine Entscheidung mitteilt, musst du das akzeptieren und direkt analysieren, um keine Zeit zu verlieren. Wenn in diesem Team kein Platz für ihn ist, muss er eine Entscheidung treffen.
Frage: Und zwar welche?
Ballack: Er ist zu gut, um in der zweiten Mannschaft zu spielen. Bayern ist ein Verein, bei dem er immer willkommen ist. Als Spieler ist die Sinnhaftigkeit einer Rückkehr aber fraglich, weil ich nicht denke, dass Bayern eine schwächere Mannschaft hat als United. Er hat in Europa aber viele gute Möglichkeiten und die Klasse, vielen Mannschaften zu helfen. Ich wünsche ihm jedenfalls ein besseres Karriereende, als wonach es im Moment aussieht.
Frage: Für Schweinsteiger ist das Abenteuer Premier League wohl bald vorbei, Liverpool-Trainer Jürgen Klopp ist dagegen mitendrinnen. Wie bewerten Sie seine bisherige Arbeit?
Ballack: Er hat sich nun akklimatisiert und die Spieler, den Klub und das Umfeld besser kennengelernt. Das hat Zeit gebraucht. Ich denke, wir werden in dieser Saison ein besseres Liverpool sehen als in der vergangenen, die schwankend verlief. Da es keine Winterpause gibt, werden Spieler in der Premier League oft mental müde. An diesem Punkt ist der Trainer wichtig - und das ist eine große Stärke von Jürgen Klopp. Wie er ein Team motiviert und in die Köpfe der Spieler kommt, ist einzigartig.
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