"Bei 1860 wurde ich verarscht"

Thomas GaberBenjamin Semmler
12. Februar 200915:28
Mustafa Kucukovic (l.) spielte von September 2007 bis Januar 2009 für 1860 MünchenGetty
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Entlassungen, Investoren-Knatsch, Rücktritte - kaum ein Tag vergeht ohne neue Negativ-Meldungen aus dem Lager des TSV 1860 München. Der Verein hat sich in den letzten Tagen den Namen "Chaos-Löwen" redlich verdient.

Mustafa Kucukovic bekam von den letzten Entwicklungen bei den Löwen nicht mehr unmittelbar etwas mit. Der Angreifer wechselte schon im Januar nach Frankreich zu Grenoble Foot 38. Im Interview mit SPOX rechnet der 22-jährige Stürmer mit seinem Ex-Klub ab.

SPOX: Herr Kucukovic, haben Sie das "Chaos" bei 1860 München in den letzten Tagen mitbekommen?

Kucukovic: Ja, ich habe mich übers Internet informiert. Sogar die "L'Equipe" hat darüber berichtet. Das sieht wohl nicht so gut aus. 

SPOX: Kommt die Entwicklung für Sie überraschend?

Kucukovic: Nein. Ich habe das Gefühl, dass bei 1860 immer etwas passieren muss, sonst wird es langweilig. 1860 hat in den letzten Jahren immer wieder für Skandale gesorgt. Nur wurden die Dinge teilweise unter den Teppich gekehrt.

SPOX: Zum Beispiel?

Kucukovic: Zwei Tage vor dem Spiel in Aachen (0:2, 5. Dezember 2008, d. Red.) waren zwei Spieler bis fünf Uhr morgens besoffen in der Disko. Der Trainer hat davon gewusst, die Spieler wurden trotzdem aufgestellt und haben durchgespielt. Ich dagegen wurde für ganz andere Dinge bestraft.

SPOX: Wofür denn?

Kukucovic: In der Woche vor dem Spiel gegen Augsburg (0:1, 14. November 2008, d. Red.) lag ich vier Tage mit Schüttelfrost und Fieber im Bett. Ich habe nur einmal trainiert, stand aber trotzdem im Kader. Nach dem Spiel hat Co-Trainer Uwe Wolf zu mir gesagt, ich solle am nächsten Tag bei den Amateuren spielen. Ich habe gesagt: 'Ich kann nicht spielen, weil ich lange krank war.' Er meinte: 'Wie, du willst nicht spielen?' Ich habe gesagt: 'Ich kann nicht spielen.' Am nächsten Tag hat mich Sportdirektor Stefan Reuter in seinem Büro angebrüllt und mir Vertragsbruch vorgeworfen. Er meinte, ich könne meine Papiere abholen.

SPOX: Wie ging die Sache aus?

Kucukovic: Ich wurde für vier Wochen suspendiert und musste eine Geldstrafe von 4.300 Euro zahlen. Ich habe die Geldstrafe nicht eingesehen.

SPOX: Mussten Sie trotzdem zahlen?

Kucukovic: Ja. Reuter meinte: 'Dann wird das Geld eben von deinem Gehalt abgebucht.'

SPOX: Fühlen Sie sich von 1860 ungerecht behandelt?

Kucukovic: Ja. Ich hatte von Anfang an keine Lobby bei 1860.

SPOX: Inwiefern?

Kucukovic: Mir wurde gesagt, ich sei ein schwieriger Typ. Begründet hat man mir das nicht. Ich habe in der Öffentlichkeit nie jemanden vom Verein kritisiert, bin nie zu spät zum Training gekommen. Reuter hat mir gesagt, der Trainer wolle mich nicht in der Mannschaft haben.

SPOX: Mit welcher Begründung?

Kucukovic: Wegen schlechten Trainingsleistungen. Dabei habe ich von Marco Kurz und Stefan Reuter oft gehört, dass ich einer der besten Stürmer in der Liga sei. Am Anfang der Saison war ich auch gesetzt und habe in drei Spielen zwei Tore geschossen. Dann konnte ich wegen einer Verletzung ein paar Tage nicht trainieren, bin aus der Mannschaft geflogen und habe nie mehr von Anfang an gespielt. Für mich ist das überhaupt nicht nachzuvollziehen. 

SPOX: Fühlen Sie sich vom Verein "verarscht"?

Kucukovic: Von ein paar Leuten schon. Ich kann zu 1860 zurückgehen und jedem in die Augen schauen. Bei 60 gibt es aber Leute, die das nicht können.

SPOX: Ist Kurz noch der richtige Trainer für die Löwen?

Kucukovic: Bei den Spielern kommt er gut an. Auch ich hatte eigentlich immer Spaß im Training.  

SPOX: Wären Sie gerne bei 1860 geblieben?

Kucukovic: Ich habe mich in der Mannschaft sehr wohl gefühlt. Meine Mitspieler haben sich bei Kurz und Reuter für mich stark gemacht, aber das wurde abgeblockt.

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SPOX: Reuter wurde letzte Woche entlassen. Ist das ein Vorteil für 1860?

Kucukovic: Das kann ich nicht beurteilen. Ich hatte eigentlich keine Probleme mit ihm. Er wollte mich schon nach München holen, als ich bei Greuther Fürth gespielt habe. Aber er war nicht ehrlich zu mir. Mir ein großes Talent zu attestieren, mir aber immer schlechte Trainingsleistungen vorzuwerfen -  was ist das für ein Argument? Für mich ein ganz schwaches.   

SPOX: Kennen Sie eigentlich die Herren Rainer Beeck und Franz Maget?

Kucukovic: Ja, aber ich kann nichts über sie sagen. Was im Vorstand bei 1860 abging, hat mich nie interessiert.

SPOX: Können Sie im Zuge des geplatzten Investoren-Deals die Rücktrittsforderungen an den Vorstand verstehen?

Kucukovic: 1860 ist ein Traditionsverein. Das ist nicht Koblenz oder Ahlen. Dieser Verein hat enormes Potential. Und irgendwann muss in diesem Verein etwas passieren. Aber nicht dauernd in die falsche Richtung. Man darf in diesem Verein ja nicht mal seine Meinung äußern. Uns Spielern wurde verboten, in der Öffentlichkeit kritisch zu sprechen. Wenn einer was gesagt hat, wurde er zur Kasse gebeten.

SPOX: Hätten die Millionen des Investors dem Verein geholfen?

Kucukovic: Sicherlich. Ich kenne Miroslav Stevic aus meiner Zeit beim VfL Bochum. Er kann den Verein nach vorne bringen. Das hätten auch die Fans verdient.

SPOX: Was trauen Sie der Mannschaft in dieser Saison noch zu?

Kucukovic: In der Mannschaft steckt viel mehr, als sie bislang gezeigt hat. Teilweise lief es in der Hinrunde ja auch sehr gut.

SPOX: Und dann hat man Timo Gebhart verkauft.  

Kucukovic: Diese Entscheidung passt ins Bild. Wenn man sagt, man baut auf junge Spieler, weil man sich die alten nicht leisten kann, kann man nicht den besten jungen Spielern verkaufen.

SPOX: Auch Sie wurden abgegeben. Was versprechen Sie sich von Ihrem Wechsel nach Frankreich? 

Kucukovic: Für mich ist der Wechsel aus der zweiten Liga in Deutschland in die erste Liga nach Frankreich ein Schritt nach vorne. Ich habe das Gefühl, die Leute in Grenoble stehen hinter mir. Es ist eine neue Herausforderung für mich. Für mich steht die Bundesliga aber an erster Stelle. Das wird auch immer so bleiben.

Mustafa Kucukovic im Steckbrief