Jürgen Klinsmann steht als Nationaltrainer von Südkorea vor dem Aus.
Jürgen Klinsmann war zur Krisensitzung in Seoul aus dem knapp 10.000 km entfernten Kalifornien per Video zugeschaltet. Es ging um seine Zukunft als Nationaltrainer Südkoreas - und nach drei Stunden war klar, dass es nach dem ernüchternden Halbfinal-Aus im Asien-Cup und diversen Querelen keine Zukunft für den 59-Jährigen bei den Taegeuk Warriors mehr gibt.
"Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Klinsmann aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage ist, seine Aufgaben als Nationaltrainer wahrzunehmen, und dass ein Führungswechsel notwendig ist", sagte Hwangbo Kwan vom Nationalmannschaftskomitee des Verbandes KFA. Es war die unmissverständliche Rauswurf-Empfehlung des hochrangigen Gremiums an den Vorstand, der letztlich entscheiden muss. Am Donnerstag war es vor dem KFA-Hauptquartier schon zu kleineren Demonstrationen gegen den ungeliebten Coach gekommen: "Feuert Klinsmann sofort", stand auf einem Plakat.
Die Entlassung von Klinsmann nach knapp einem Jahr käme wenig überraschend. Der ehemalige Bundestrainer, mit großen Zielen angetreten, stand nicht erst seit der Pleite gegen den Außenseiter Jordanien massiv in der Kritik. Klinsmann hatte längst den Rückhalt der Fans und der Medien verloren, auch in der Mannschaft um Superstar Heung-Min Son und Bayern-Profi Min-Jae Kim rumorte es gewaltig.
Die Kritik am Weltmeister von 1990 fiel entsprechend deutlich aus. Hwangbo monierte, dass Klinsmanns "taktische Vorbereitung während der enttäuschenden Asienmeisterschaft in Katar zu wünschen übrig ließ". Zudem soll der frühere Torjäger nicht entschlossen genug nach neuen Talenten gesucht haben. Und: Er habe "interne Konflikte oder die Stimmung im Team nicht erfasst".
Doch damit nicht genug der Vorwürfe: Klinsmann, der mit Südkorea eigentlich den ersten Kontinentaltitel nach 64 Jahren holen wollte, habe bei seinen kurzen Aufenthalten im Land die Öffentlichkeit ignoriert. Er habe deshalb das Vertrauen verloren.
Von Beginn an war Klinsmann die Wahl seines Wohnsitzes in den USA vorgeworfen worden. Nach der jüngsten Enttäuschung gegen Jordanien, die in Medien als "Desaster" oder gar "Katastrophe" bezeichnet wurde, war der Druck immer größer geworden. Die Angriffe waren teils auch persönlich gewesen. Doch einen Rücktritt schloss Klinsmann, dessen Vertrag bis zur WM 2026 gilt, aus. Er wolle vor den Spielen in der WM-Qualifikation im März "dieses Turnier analysieren und mit dem koreanischen Verband darüber sprechen, was gut und was nicht so gut war. Es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns."
Zumal es auch im Team gehörig krachte. Nach SID-Informationen war es am Vorabend des Halbfinals beim Essen zu einem Streit innerhalb der Mannschaft gekommen. Son und der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler Kang-In Lee mussten voneinander getrennt werden, dabei kugelte Son sich einen Finger an der rechten Hand aus.
Es tue ihm "sehr leid", schrieb Lee auf Instagram: "Von nun an werde ich versuchen, den älteren Spielern zu helfen und ein besserer Spieler und ein besserer Mensch zu werden." Klinsmann wird das als Südkoreas Nationaltrainer wohl nicht mehr erleben.