Ziel verpasst, Chance vertan: WM-K.o. und Olympia-Aus schmerzen die deutschen Fußballerinnen nicht nur sportlich. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bleibt jedoch positiv und erhält volle Rückendeckung von oben.
Mit hängenden Köpfen und kleinen Augen schleppten sich die deutschen Fußballerinnen zur viel zu frühen Heimreise ein letztes Mal in ihren blauen WM-Bus, Dzsenifer Marozsan humpelte zu ihrem Taxi nach Lyon.
Der Schock über das Viertelfinal-Aus und die verspielte Olympia-Qualifikation saß bei der Abfahrt um 9.35 Uhr noch immer tief, doch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg blieb nichts anderes übrig, als das nächste Projekt in Angriff zu nehmen.
"Wir müssen darin auch eine Chance sehen, dass es uns Zeit und einen Rahmen gibt, Entwicklungen anzuschieben, Veränderungsprozesse kontinuierlich weiterzugehen und bei der EM 2021 eine gute Rolle zu spielen", sagte die 51-Jährige, als sie sich am Sonntagmorgen vor dem Teamquartier in Bruz den Reportern stellte.
gettyOliver Bierhoff voll des Lobes für Voss-Tecklenburg
Nach dem 1:2 (1:1) gegen Schweden und seinen gravierenden Folgen mit einem Leerlauf-Jahr ohne großes Turnier kündigte "MVT" eine "sachliche Analyse" der WM an: "Dann setzen wir uns im August beim DFB zusammen." Aus der Chefetage des Verbandes hatte die als Hoffnungsträgerin verpflichtete Fußballlehrerin direkt nach Abpfiff volle Rückendeckung erhalten.
In nur einem halben Jahr im Amt habe Voss-Tecklenburg "schon sehr viel bewegt, wir haben viele tolle Ansätze gesehen, die Erneuerung schreitet voran", lobte DFB-Direktor Oliver Bierhoff und sagte mit Blick auf die am 31. August gegen Montenegro beginnende Qualifikation für die EM in England: "Wir können sie nur ermuntern, diesen Weg konsequent fortzusetzen."
Diese WM, das hatten die mitunter holprigen vier Siege zuvor ja angedeutet, kam mitten im Umbruch zu früh für die verjüngte Auswahl nach schwierigen Jahren: Die chaotische Ära Steffi Jones inklusive Viertelfinal-Aus bei der EM 2017, dann die dank Feuerwehrmann Horst Hrubesch noch geschaffte WM-Qualifikation.
Dzsenifer Maroszan bitter enttäuscht vom Comeback
Dennoch wähnten sich die Spielerinnen auf einem guten Weg. Bei der Hitzeschlacht im Roazhon Park aber brach das DFB-Team nach der Führung durch Lina Magull (16.) gegen seinen Ex-Lieblingsgegner ein, Sofia Jakobsson (22.) und Stina Blackstenius (48.) bestraften die anfällige deutsche Defensive mit den ersten WM-Gegentoren.
Auch das Comeback von Marozsan (Zehenbruch) nach der Halbzeitpause konnte die erste Pflichtspiel-Pleite gegen Schweden seit 24 Jahren nicht verhindern. "Erst freut man sich, wieder auf dem Platz zu stehen. Nun ist es enttäuschend - auch für mich", sagte die Spielmacherin von Olympique Lyon, die separat in ihre Wahlheimat reiste.
Was neben dem Olympia-Aus am meisten schmerzte: Die verpasste Chance, die große Aufmerksamkeit für den Frauenfußball weiter zu entfachen. Am Samstagabend hatten 7,9 Millionen ARD-Zuschauer am TV mitgefiebert (Marktanteil 43,2 Prozent), ein Halbfinale gegen die Niederlande am Mittwoch (21 Uhr) wäre wohl im zweistelligen Bereich gelandet.
Mannschaft mit Potenzial und Zukunft
Auch Nationaltorhüterin Almuth Schult musste schlucken, als das Thema zur Sprache kam. "Das war unser Ziel, dass wir Leute für den Frauenfußball einnehmen. Und das wollen wir weiter machen."
Voss-Tecklenburgs flammender Appell: "Ich hoffe, dass die Menschen draußen gesehen haben, dass diese Mannschaft Potenzial hat, dass diese Mannschaft eine Zukunft hat und dass wir die Unterstützung brauchen, die die Mannschaft verdient hat."
Das Gesicht dieser Mannschaft wird sich wohl nicht stark verändern. Als älteste Spielerinnen stehen Lena Goeßling (33) und Verena Schweers (30) vor dem Abschied. Das junge Trio Giulia Gwinn (19), Lena Oberdorf (17) und Klara Bühl (18) weckte große Hoffnungen.
Kapitänin Alexandra Popp (28) will in zwei Jahren nach Verletzungspech endlich bei ihrer ersten EM wieder vorangehen. "Ich hoffe, dass mein Körper das mitmacht", sagte die in jedem Spiel aufopferungsvoll kämpfende Wolfsburgerin - und hatte wie so viele Kolleginnen noch "keine Ahnung", was sie mit dem ungewollt frühen Urlaub anstellen sollte: "Ich hatte anders geplant."