Einst besser als Mbappe: Wie DFB-Schreck Odsonne Edouard mit einer Pistole fast seine Karriere zerstörte

Fatih Demireli
01. Februar 202214:07
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Odsonne Edouard (24) war als Teenager einer der talentiersten Stürmer Europas und stellte selbst Kylian Mbappe in den Schatten. Doch dann schoss er einem alten Mann ins Ohr und runierte beinahe seine Karriere. Bei Crystal Palace blüht er nun wieder auf.

Bei der U-17-Europameisterschaft 2015 hatte man beim Deutschen Fußball-Bund ein gutes Gefühl, dass dieser Jahrgang das Turnier erstmals seit 2009 wieder gewinnen kann. 2011 und 2012 kam es jeweils zu Finalniederlagen. 2013 fehlte man komplett, 2014 war in der Gruppenphase Schluss. Bis zum Endspiel sah es auch ganz gut aus.

Die deutsche Mannschaft, bei der Johannes Eggestein, Felix Passlack und Co. spielten, kassierte bis zum Endspiel kein Tor aus dem Spiel heraus. Im Finale kam die Truppe von Christian Wück gegen Frankreich dann mit 1:4 unter die Räder.

Allein drei Tore gingen auf das Konto von Odsonne Edouard, der wenig überraschend zum Spieler des Turniers gewählt wurde. Aufatmen konnte vor allem Trainer Jean-Claude Giuntini, der vor dem Turnier einen gewissen Kylian Mbappe zuhause ließ und auf Edouard setzte. "Mbappe war noch in der Entwicklung. Wir mussten ihm Zeit geben", erinnert sich der Franzose bei BBC Scotland. Und Edouard? "Für einen U-17-Spieler hatte Odsonne eine beeindruckende emotionale Kontrolle, vor allem vor dem Tor." Die er dann auch zeigte.

Es war ein Punktsieg für Edouard im noch jungen aber schon seit Kindesbeinen andauernden Konkurrenzkampf mit Mbappe. Allerdings war es dann auch der Letzte.

Während Mbappe danach zu einem der weltbesten Spieler avancierte, stand Edouard als Teenager kurz davor, seine Karriere zu beenden. Dass er heute bei Crystal Palace in der Premier League spielt und längst wieder das zeigt, was ihn einst zur besseren Wahl als Mbappe machte, ist keine Selbstverständlichkeit.

Rivalität mit Kylian Mbappe seit der Kindheit

Die Geschichte des Odsonne Edouard beginnt in Kourou, Französisch-Guyana. Als Sohn haitianischer Eltern hatte er im französisches Überseedepartement an der Nordostküste Südamerikas nach eigenen Angaben eine glückliche Kindheit.

Daran änderte sich auch nichts, als die Edouards sich entschieden hatten, nach Frankreich auszuwandern. Sie zogen nach Bobigny, eine Banlieue im Nordosten von Paris. Geburtsstädte vieler späterer Nationalspieler.

Hier begann auch die Freundschaft zu Mbappe. "Ich kenne Kylian sehr gut, denn wir sind Kindheitsfreunde - wir wohnten sehr nah beieinander, spielten aber nicht für denselben Verein", so Edouard, der für Académie Football Bobigny spielte, gegenüber Onzemondial. Mbappe kickte für die Rivalen AS Bondy: "Es gab also von Anfang an eine Rivalität."

Zusammen spielten sie eigentlich nur in den Jugendmannschaften Frankreichs. Edouard ist elf Monate älter und war in der Entwicklung Anfangs immer einen Schritt voraus. Ihm gelang auch weit vor Mbappe der Schritt zur Paris Saint-Germain. Scouts wurden auf den jungen Stürmer mit dem unfassbaren Torriecher aufmerksam. Trainiert wurde er damals auch von Said Aigoun, was sich später als glückliche Fügung heraussteleln sollte. Edouard schoss in der PSG-Akademie reihenweise Tore und wurde als kommender Topstar gehandelt. Mit 16 bekam er den ersten Profivertrag bei PSG.

Dann fiel ein Schuss...

Kurze Zeit, nachdem er den DFB-Traum im U-17-Finale zerstörte, durfte er auch bei den Profis ran. In einem Testspiel gegen Leicester City gelang ihm sogar nach Einwechslung ein Tor. Aber man entschied sich, den jungen Burschen zu verleihen. Zu gut für die Jugend, noch zu Grün für die Profis, wo sich im Sturm Kaliber wie Zlatan Ibrahimovic und Edinson Cavani tummelten.

Es sollte ein schicksalhafter Wechsel werden. Der FC Toulouse bekam den Zuschlag und der junge Edouard durfte fast regelmäßig spielen. Bis er eines Tages mit seinem Teamkollegen Mathieu Cafaro auf die Idee kam, in ein Auto zu steigen, eine Luftgewehrpistole mit dabei zu haben und dann auf Höhe des Busca-Viertels auf einen Passanten zu schießen.

Der Betroffene war der damals 62 Jahre alte Francis Guiral. "Ich ging in Busca spazieren, als plötzlich ein Auto anhielt", erzählt er. "Ich dachte, sie wollen nach dem Weg fahren." Doch es kam anders: "Ich hielt meinen Kopf an das Fenster und es gab einen Knall. Ich sackte auf den Boden, mein Ohr blutete. Er sah mich an, ohne etwas zu sagen, und entfernte sich dann leise."

Toulouse schickte ihn zurück nach Paris

Guiral ist seit dem Vorfall auf seinem linken Ohr taub. Identifiziert konnten die Übeltäter werden, weil eine Sicherheitskamera in der Nähe das Kennzeichen aufzeichnete. Für Verwirrung sorgte Cafaro, der zunächst aussagte, er habe geschossen. Die Aussage nahm er aber dann später zurück. Edouard drohte eine Gefängnisstrafe, von der wohl nur verschont blieb, weil er noch jung war. Das Urteil lautete vier Monate auf Bewährung. Zudem Schmerzensgeld von knapp 20.000 Euro, die aber Edouard lange Zeit ignorierte.

Opfer Guiral wandte sich nach Ausbleiben der Zahlungen an die Medien. "Ich werde ihm einen Gerichtsvollzieher schicken, wenn ich die Adresse weiß", sagte er. Die Adresse war da schon längst nicht mehr in Toulouse. Der Klub suspendierte Edouard sofort und schickte ihn zurück nach Paris. Eine Karriere, die so gut begann, schien früh zu Ende. Edouard spricht ungern über diese Zeit. Eigentlich spricht er grundsätzlich ungern.

Aber was war da los? Ein Spitzbube war er schon immer, kriminell bis dato nie. "Ich war zum ersten Mal in meinen Leben aus Paris raus. Zum ersten Mal weg von zuhause", sagt er. Natürlich kein Grund, auf jemanden zu schießen.

Die Ferne war erst Problem, später die Lösung. Im Sommer fanden sich dennoch einige Interessenten, die dem Jungen eine Chance geben wollten. Da flatterte ein Angebot von Celtic Glasgow ein. Noch weiter weg von Paris, noch weiter weg von Zuhause. "Aber genau das richtige", sagt Entdecker Giuntini: "Er musste raus aus Frankreich."

Aber natürlich hatte die Luftpistolen-Geschichte auch Schottland erreicht. Medien stürzten sich auf dieses Thema. Auch Lokalgrößen wie Andy Walker äußerten sich in den Medien kritisch. Aber sie bekamen ein Problemkind und machten aus ihm einen Erwachsenen.

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Interesse von Borussia Dortmund

Nachdem er bei Celtic anfangs nur Ersatzmann für den gesetzten Moussa Dembele war, gelang ihm nach dessen Abgang der Durchbruch. 11,4 Millionen Euro ließ sich Celtic den jungen Franzosen kosten und wurde so zum teuersten Einkauf der Klub-Geschichte. Ex-Celtic-Coach Brendan Rodgers schwärmte in höchsten Tönen: "Er hat einen hohen Fußball-Sachverstand und eine hervorragende Technik für sein Alter. Er ist physisch sehr stark und schießt eine Menge Tore."

86 Tore waren es am Ende für Celtic in 179 Spielen. "Schottland hat ihm geholfen, erwachsen zu werden", sagt Giuntini. So kann man auch sein Spiel bezeichnen. Trotz vieler Fähigkeiten ist Edouard kein Einzelkünstler. Die 39 Torvorlagen in Glasgow lassen auch darauf schließen, dass sich sein Spiel zu einem torgefährlichen Teamplayer entwickelt hat. Klar war auch, dass diese Statistiken und Fähigkeiten in besseren Ligen nicht verborgen bleiben.

Auch hierzulande, wo man beispielsweise bei Borussia Dortmund 2020 offenbar Interesse hatte. Aber vor allem aus der Premier League gab es zahlreiche Interessenten, die natürlich die Entwicklung des Angreifers im nahen Glasgow verfolgten. Dass zu Saisonbeginn Crystal Palace dann die Zusage bekam, ist auch nicht ganz zufällig. Nicht nur, dass Trainer Patrick Vieira Franzose ist, sprach für die Londoner. Der Co-Trainer heißt Said Aigoun. Edouards Trainer aus der Pariser Jugend. Ein Wegbereiter zu Pariser Zeiten. Einer, der weiß, wie der Junge tickt und funktioniert.

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Rekord von Agüero eingestellt

Bei seinem Debüt gegen Tottenham erzielte er mit seiner ersten Ballberührung 28 Sekunden nach Einwechslung sein erstes Tor. Das schnellste Debütanten-Tor in der Liga-Geschichte. Kurze Zeit später gelang ihm auch sein zweiter Treffer. Ein Doppelpack zum Premier-League-Debüt gelang bisher nur Sergio Agüero 2011 für Manchester City.

Aktuell steht er bei sechs Toren und drei Vorlagen in 19 Spielen. Nicht schlecht für den Anfang, zumal er selbst zugibt, dass das Niveau in der Premier League deutlich höher ist als in Schottland.

Außerdem ist er ja noch im Lernprozess. Und hört zu, was der Trainer sagt: "Patrick ist eine Legende in Frankreich. Wenn er dir also sagt, dass du etwas tun sollst, musst du es tun. Wenn er dir zum Beispiel sagt, dass du diesen Lauf machen sollst, dann musst du diesen Lauf machen. Man muss auf ihn hören", so Eduardo. Kindheitsfreund Kylian Mbappe ist ihm inzwischen entwischt, aber wer weiß, vielleicht sehen sie sich ja bald in der Nationalmannschaft wieder.