Schreckliche Schauergeschichten

Bernd Schmidt
25. September 200714:15
SPOXGetty
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München - Es war circa 15.52 Uhr, als dem letzten Fußball-Fan bewusst wurde, warum Valdas Ivanauskas auf den Kosenamen "Ivan der Schreckliche" hört.

Die Augen ermüdet zu Schlitzen verengt, die Schultern schlaff nach unten hängend, die Körpersprache eines Greises: Ivanauskas war fertig. Bedient, erschöpft und desillusioniert. Ein in der Tat schrecklicher Anblick des sonst so hünenhaft wirkenden Litauers.

Wenige Minuten zuvor misslang seine Premiere als Trainer des FC Carl Zeiss Jena gründlich, mit einer 1:5-Klatsche bei Aufsteiger SV Wehen Wiesbaden.

"Die erste Halbzeit war gar nichts. Ich bin enttäuscht - vor allem von den erfahrenen Spielern", sagte Ivanauskas. Erst zwei Tage vor dem Spiel wurde der 41-Jährige als Frank Neubarths Nachfolger vorgestellt. Seine Antrittsworte: "Die Mannschaft ist stark genug, um die Abstiegsplätze schnell zu verlassen."

"Es gibt kein Zusammenspiel" 

Nach dem Wehen-Spiel müsste es eher heißen: "Die Mannschaft ist schwach genug, um die Abstiegsplätze nicht mehr zu verlassen." Jan Simaks Version einer Bankrotterklärung klingt ähnlich: "Jeder spielt nur für sich. Es gibt kein Zusammenspiel. Und wir bekommen einfach zu viele Tore."

Entsprechend wütend reagierten die Fans bereits zur Pause beim Stand von 0:4 und randalierten. Polizisten mussten in den Block, um eine Eskalation zu vermeiden.

Zipfel mit seltsamen Aussagen

Als ob dies nicht schon schlimm genug für den Ruf des Klubs war, legte Klub-Präsident Rainer Zipfel im Premiere-Interview noch einmal nach und sorgte für kollektives Kopfschütteln. Auf die Frage, was er zu den Gewaltausschreitungen denn zu sagen habe, zuckte er mit den Schultern.

Man müsse Verständnis haben für solche Art der Frustbewältigung, so seine Botschaft. Kredibles Krisenmanagement sieht wohl anders aus.

Die bittere Jenenser Realität lautet letzter Tabellenplatz. Die vergangenen fünf Spiele verloren, bereits 16 Gegentore kassiert, Gewalt in den eigenen Reihen. Aber Zipfel scheint noch immer seinem Traum nachzuhängen.

Russen wollen investieren

Den Traum, Carl Zeiss mit Hilfe russischer Investoren zu einer vorzeigbaren Adresse in Fußball-Deutschland zu machen. "Es ist fast ein Märchen", ist Zipfels Lieblingszitat. So habe das russische Baustoff- und Immobilienunternehmen "Alpha Invest Group Cooperation" vor drei Wochen angeboten, in den nächsten fünf Jahren 20 bis 25 Millionen Euro in den Verein zu investieren. Der Vertrag sei mittlerweile unterschriftsreif, heißt es aus Klubkreisen.

Die Drahtzieher im Hintergrund: die beiden Geschäftsmänner Atlan Schischkanow und Murat Lujanow, laut Zipfel "zwei junge Männer, die viel Geld haben und begeisterte Fußballfans sind".

Doch es gibt Zweifel an der Seriosität der beiden Mini-Abramowitschs. Die "Berliner Zeitung" berichtet etwa, dass hinter dem Geld, das Jena angeboten wird, womöglich ein gewisser Michail Guzerijew steht. Seines Zeichens Oligarch, drei Milliarden Dollar schwer - und: Von Russland per Haftbefehl gesucht wegen illegaler Börsengeschäfte und Steuerhinterziehung.

DFL erwartet Änderungen

Zipfel scheinen solche Schauergeschichten nicht weiter zu interessieren. Er will am 29. September auf der Mitgliederversammlung die Ausgliederung der Profiabteilung zu einer GmbH von einer Zweidrittel-Mehrheit absegnen lassen, damit "Alpha Invest" 49 Prozent der Anteile aufkaufen kann.

Die DFL wiederum ist nicht ganz so glücklich über Zipfels Bestrebungen und erwartet, dass Jena Abstand von den Plänen nimmt. Es sei zu riskant, einem ausländischen Investor ein derart großes Machtvolumen einzuräumen, daher könne die DFL den geplanten Kooperationsvertrag in der vorgelegten Form nicht akzeptieren.

"Wir haben unseren Standpunkt deutlich gemacht. Nun ist der Klub am Zuge, entsprechende Änderungen vorzunehmen", sagte DFL-Pressesprecher Christian Pfennig nach einem mehrstündigen Gespräch beider Parteien am Montag.

Unter Feuer oder schon verbrannt?

Zipfel selbst bleibt dennoch Optimist. Seine Maxime: Geld ist immer gut, und wer ganz unten steht, für den kann es nur aufwärts gehen. Eine Kostprobe seines nimmermüden Optimismus?

Nach der Bekanntgabe der Ivanauskas-Verpflichtung sagte er: "Ich bin erleichtert und erlöst. Er ist genau der, den wir gesucht haben. Er brennt auf die Aufgabe."

Von Feuer ist bei Ivanauskas zwei Tage darauf nicht mehr viel zu sehen. Ausgebrannt wäre wohl zutreffender.