Die Brüder Kroos. Der eine ist 19 und bereits Angestellter beim FC Bayern München. Der andere ist gerade mal 17 und bei Hansa Rostock tätig. Und der jüngere gilt genauso wie der große Bruder als fußballerisches Wunderkind. Toni und Felix Kroos. SPOX beobachtete Felix an der Ostsee.
Er spaziert gemächlich aus der Kabine, vorbei an drei Trainingskiebitzen, sagt leise "Hallo" und geht dann auf den noch einsamen Kunstrasenplatz vor dem Ostseestadion. In einer guten Viertelstunde wird Hansa-Trainer Dieter Elits das Vormittagstraining starten.
Seine Körpersprache wirkt ruhig, fast schüchtern. Von wegen Brust raus und Kopf hoch. Dieser schmale Blondschopf wirkt hier wie ein Jugendspieler, der sich auf den Trainingsplatz der Profis verlaufen hat.
"Außergewöhnliche fußballerische Qualitäten"
"Ein Panzer wird das nicht mehr", sagt einer der Kiebitze, "aber der Junge hat was." Unspektakulär kommt er rüber, dieser Felix, der wie sein älterer Bruder Toni vom FC Bayern München zu den größten Hoffnungen des deutschen Fußballs zählt. Eilts sagt über ihn: "Er hat außergewöhnliche Qualitäten."
Seit einigen Wochen gehört er zum festen Kreis der Profis bei Hansa Rostock und trainiert mehrmals am Tag unter einem Europameister. Wohlgemerkt: mit 17.
Erste Gehversuche in Greifswald
Doch was bietet Felix Kroos außerdem? Die Eckdaten: 1,84 Meter groß, 75 Kilogramm schwer. Seit 2002 ist er bei Hansa Rostock. In fünf Länderspielen für die U 18 gelangen ihm drei Treffer. Sein aktueller Marktwert: 500.000 Euro.
Das Fußballspielen lernte er beim Greifswalder SC. Es begann 1996: Sein jetziger Trainer wird Europameister in England, Kroos hat zum ersten Mal überhaupt einen Ball am Fuß.
Er ist elf, als ihn ein Hansa-Scout nach Rostock holt. Zusammen mit Bruder Toni und Vater Roland wechselt die Fußball-Family in die 100 Kilometer entfernte Hansestadt.
"Er stand schon immer im Fokus"
Das "Projekt Kroos" nimmt Fahrt auf. Und aus zwei sehr jungen Hobbykickern werden in Windesweile Jung-Profis, die jeden Tag mehrere Stunden auf dem Trainingsgelände verbringen.
"Er stand schon immer im Fokus", sagt Vater und Förderer Roland Kroos - und weiß, dass der eigentliche Trubel erst noch bevorsteht.
Kroos senior begleitet seinen jüngsten Sohn über neun Jahre als Trainer. "Wir hatten auch kritische Phasen", sagt er, will aber nicht auf Details eingehen.
Viele Vereine haben seinen Namen auf der Liste
Erst als Kroos in Hansas U 23 wechselt, trennen sich die Wege von Vater und Sohn. Felix spricht gerne über seinen Vater: "Ihm habe ich unglaublich viel zu verdanken. Er hat sicher den größten Anteil an meiner Entwicklung."
Und nun, im Januar 2009, steht Felix Kroos dank Papa bei vielen namhaften Vereinen auf der Einkaufsliste. Warum das so ist, weiß Felix offenbar selbst am besten: "Ich bin ein spielstarker Stürmer und habe einen guten Abschluss", sagt er, wie es ein 17-Jähriger nun mal sagt.
Neben diesen Qualitäten schätzt Hansa-Chef Elits vor allem "seine enorme Ballsicherheit".
Spielpraxis in der zweiten Mannschaft sammeln
Die ersten Profi-Erfahrungen hat er nun gemacht. Sein Fazit nach dem letzten Testspiel gegen den Hamburger SV: "Es ist anstrengend und viel härter. Die Jungs gehen einfach anders zur Sache. Aber inzwischen habe ich keine Probleme mehr."
Einer wie Enrico Kern kümmert sich um den Rostocker Rohdiamanten, er bringt ihm das Profigeschäft bei. Aber "Bälle schleppen und Tore tragen, das sind Aufgaben, die muss man mir nicht vorschreiben. Das gehört für einen jungen Spieler einfach dazu."
In den nächsten Wochen wird Kroos sein Fachabitur in der Tasche haben "und danach konzentriere ich mich nur noch auf Fußball". Seine Pläne für die Rückrunde wirken allerdings überhaupt nicht mehr jugendlich: "Ich will meine Spielpraxis in der zweiten Mannschaft sammeln. Stimmen die Leistungen, ergibt sich der Rest doch automatisch. So ist das doch im Fußball."
"Ich habe noch viel Zeit"
Fast alle Spieler der aktuellen U-18-Nationalmannschaft, der er seit kurzen angehört, stehen bei Erstligisten oder gar im Ausland unter Vertrag. Kroos nicht. Er setzt auf die Faktoren Heimat und Geduld. "Ich war schon als kleines Kind Hansa-Fan und habe ein ganz besonderes Verhältnis zu dem Verein. Außerdem bin ich doch gerade erst 17. Ich habe noch viel Zeit."
Womöglich hat er diese Einstellung exklusiv. Denn viele bezeichnen den jungen Hoffnungsträger als Hansas größtes Talent - und zwar seit Ewigkeiten. Immer häufiger sagen sie an der Küste: "Der ist besser als Toni. Und der muss uns nach oben schießen ..."
Der Druck wird wachsen
Nun muss er schnell lernen, dass viele Menschen viel von ihm erwarten und das Interesse der Medien wächst. Gelingt dies nicht, wird er eines der viel zitierten Wundertalente bleiben - und womöglich scheitern. Beispiele gibt es genug.
Doch davon will vor allem sein Vater und Berater Roland Kroos nichts wissen. "Ich sehe in ihm kein Wundertalent. Er soll sich bei Hansa erstmal beweisen."
Er selber sagt: "Ich bin es gewohnt, dass man Leistungen und Tore von mir erwartet. Ich kann damit aber ganz gut umgehen und ich spüre keinen zusätzlichen Druck. Im Gegenteil: Es gibt doch Schlimmeres."
Wenig Gemeinsamkeiten mit Bruder Toni
Was noch dazukommt: Die Vergleiche zu seinem Bayern-Bruder Toni werden ihn bis an sein Fußballerende begleiten. Das weiß er mittlerweile. Trotzdem muss er fast jedem Journalisten erklären, dass es bis auf den inzwischen prominenten Nachnamen wenige Gemeinsamkeiten gibt.
"Wir sind auf dem Fußballplatz zwei völlig unterschiedliche Typen. Er ist ein Mittelfeldspieler, ich bin Stürmer. Er lebt in München, ich in Rostock." In etwa so klingen seine Standardantworten zu dem Thema.
"Da wollte ich immer hin"
An die süßen Dinge, die das Profidasein mit sich bringen, würde er sich dennoch gerne gewöhnen. "Das ist ein Traum, da wollte ich immer hin. Jetzt muss ich nur irgendwann den nächsten Schritt machen."
Ob hinter dem nächsten Schritt ein gewisser Uli Hoeneß wartet - wer weiß? Immerhin gab es schon ein Treffen zwischen ihm und dem Bayern-Manager. "Aber da ging es nicht um mich, sondern um meinen Bruder", ergänzt Kroos sofort.
Klar ist: Felix will seine Fußballkarriere mit weniger Tempo angehen als sein Bruder. Und das ist gut so.
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