Die Saga um Lionel Messi und dem FC Barcelona geht weiter. Der tränenreiche Abschied ist Monate her, doch so richtig losgelassen haben beide Seiten noch nicht. Der kollektive Traum der Rückkehr schwebt über der Fußball-Welt, doch es stellen sich ein paar Fragen. Vor allem: Braucht Barca Messi überhaupt noch?
Dass Cristiano Ronaldo und Lionel Messi im Jahr 2022 noch für positive Schlagzeilen Sorgen, ist doch was Schönes. Seit die beiden weltbesten Spieler der letzten Jahrzehnte im Sommer ihre Vereine wechselten, zu Manchester United und Paris Saint-Germain, wurden die schillernden Momente immer weniger.
So richtig spektakulär waren eigentlich nur ihre Wechsel selbst. Seither gibt es die Erzählung zweier Giganten, die nicht mehr das sind, was sie einmal waren. In Manchester zweifelt man Ronaldo an, in Paris pfeift man Messi aus. Fußball-Welt, was ist los mit dir?
Sorgen muss man sich um die beiden nicht machen. Sie haben alles erreicht, haben ausgesorgt und werden schon gewusst haben, dass sie vom Älterwerden nicht verschont bleiben. Dass nun beide das Ticket für die WM 2022 in Katar gelöst haben, freut die Anhänger der ewigen Duellanten natürlich. Es wird wohl ihre letzte sein. Eine letzte große Bühne im Nationaltrikot.
In ihren Vereinen soll es aber noch ein Weilchen weitergehen. Die Frage ist nur: Wo?
Gerade bei Messi scheint die Frage nicht abschließend geklärt zu sein. Bleibt er bei Paris Saint-Germain, wo er noch Vertrag bis 2023 hat, aber aktuell unglücklich wirkt? Macht er den Sprung in die USA, wo David Beckham nach ihm lechzt?
Oder gibt es gar eine spektakuläre Rückkehr zum FC Barcelona. Dorthin, wo er einst als 13 Jahre alter Bursche auftauchte und in 21 Jahren jeden Rekord brach, 35 Titel holte und dabei unfassbare 672 Tore erzielte.
So schön es klingt, muss man nach kurzer Euphorie doch ein paar Fragen stellen ...
gettyBraucht der FC Barcelona Lionel Messi?
Die Frage wirkt etwas seltsam, wenn es um Lionel Messi geht. Klar hat er etwas an seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt, aber die Magie des kleinen Argentiniers bleibt. Das Problem des FC Barcelona beginnt genau hier: Man hat sich in letzten Jahren zu viel Magie geleistet und dabei ist zu wenig Leistung herausgekommen.
Die Rede ist gar nicht von Messi, der in seiner letzten Saison für Barca 38 Tore in 47 Spielen erzielte und darüber hinaus noch 14 Torvorlagen auf dem Konto hatte. Aber da sich der Klub auch viele andere - vermeintliche - Magier leistete, musste Messi im Sommer gehen.
Hört man sie in Barcelona reden, ist der Respekt - ach was! - die Verehrung immer noch zu spüren. Was auch sonst? Es sei "die traurigste Entscheidung von allen", die er als Präsident des FC Barcelona treffen musste, sagt Joan Laporta. Aber letztlich spricht es dafür, dass es Entscheidung war - gegen Messi, gegen eine Lösung, für die der Argentinier "alles getan" hätte, wie er mal sagte.
Und aus Laporta ist auch rauszuhören, dass es mehr der Mythos als der Stürmer ist, den man vermisst: "Sein Abgang hat mich in persönlicher und familiärer Hinsicht beinahe stärker mitgenommen als in rein sportlicher."
Neues Barca: Keine Magie, aber Siege
Der Barca-Boss sieht im Messi-Abgang längst eine Chance und daher stellt sich für ihn auch nicht die Frage, Messi zurückzuholen: "Wir ziehen Messis Rückkehr nicht in Betracht. Wir stellen gerade ein neues Team zusammen, einen Mix aus jungen Spielern und solchen mit Erfahrung - und diese Symbiose funktioniert."
Barcelona hat seit Messis Abgang tatsächlich viel investiert. Anfangs Quantität, im Winter kam die Qualität hinzu. Mit Adama Traore, Pierre-Emerick Aubameyang und Ferran Torres hat man zwar keine Messi-Magie mehr im Camp Nou, aber sie gewinnen wieder häufiger Spiele und jüngere Spieler wie Pedri oder Gavi haben auch keinen großen Schatten, indem sie stehen, um als junge Leistungsträger wahrgenommen zu werden.
Auch Trainer Xavi Hernandez, der zu Messi ein freundschaftliches Verhältnis pflegt und diesen beispielsweise nach dem PSG-Aus gegen Real Madrid aufmunternde Worte schickte, hört sich nicht so an, dass er unbedingt eine Rückkehr seines ehemaligen Passempfängers durchboxen würde.
"Ohne Messi in Barcelona mussten sich alle verändern"
"Messi ist der beste Spieler aller Zeiten und in der Geschichte des Vereins. Die Türen werden ihm offenstehen und solange ich Trainer bin, kann er jeden Tag hierherkommen, um sich das Training anzusehen oder mit dem Trainer zu sprechen."
Enric Masip, Berater des Präsidenten beim FC Barcelona, sieht bei Messis neuem Verein das, was man bei Barca nicht mehr erleben will und wird deutlich: "PSG zeigt, dass die Macht der Mannschaft viel größer ist als die Macht, die Einzelne haben können. Aber wenn man beides hat, ist es gut. Ohne Messi in Barcelona mussten sich alle verändern. Die Leute sind aufgewacht, und es ist ein Team entstanden."
Die Message ist klar: Man liebt immer noch, aber der FC Barcelona braucht Messi nicht mehr. Und auch wenn: Bezahlen könnte ihn der Klub eh nicht. So viele Lieder kann man bei Spotify gar nicht hören, um Barca so reich zu machen, dass es für Messi reicht.
Braucht Lionel Messi den FC Barcelona?
Vorweg: Ja!
Es ist der einzige Ort der Welt, indem sich der Argentinier wohlfühlt. Jahrelang wurde er nicht mal in der Nationalmannschaft Argentiniens so richtig glücklich, spielte nicht mal ansatzweise das, was er in Barcelona spielte. In seinem Heimatland machte man ihm Vorwürfe, dass er nicht das Herzblut reinsteckt, das er in Barcelona investierte.
Warum soll sich jemand, der große Nähe zu seinem Heimatland fühlt, obwohl er mit 13 auswanderte und nie wieder zurückkam, in Paris besser fühlen? Wobei inzwischen selbst die Nationalmannschaft an Paris vorbeigezogen ist.
Die Zahlen, ausgerechnet von ESPN-Statistikern, lügen nicht: Seit Anfang Juni hat Messi 84 Prozent aller möglichen Spielminuten für Argentinien absolviert - die meisten aller Spieler, einschließlich Stammtorhüter Emiliano Martinez. Bei PSG hat er nur 55 Prozent der Minuten absolviert. Natürlich verweigert Messi seine Einsätze in Paris nicht, aber der Nachdruck des unbedingten Spielens auch bei kleinen Wehwehchen scheint nicht gegeben zu sein.
Messi hält heute noch viele Kontakte nach Barcelona, jettet bei jeder Gelegenheit in die katalanische Hauptstadt und ist gerne im Kreis seiner ehemaligen Kollegen unterwegs. Medial festgehalten wurden Mittagessen mit Gerard Pique und Sergio Busquets. Auch mit Xavi ist der Draht noch eng.
Messi will wieder in Barcelona leben
In einem Interview mit der Zeitung Sport sprach Messi noch sehr innig über seinen Ex-Klub, nannte ihn "den besten Verein der Welt." Wie das bei PSG ankam? Dürfte ihm ziemlich egal sein. Er wolle, dass es Barca "weiterhin gut geht, dass der Verein weiter wächst und einer der besten der Welt bleibt."
Wie groß die Liebe zu Barcelona noch ist, verriet neulich auch Barca-Kumpel Dani Alves: "Leo hat immer zu mir gesagt: 'Wo könnte ich glücklicher sein als hier?' Ich bin der Beweis dafür. Nirgendwo ist es besser als hier. Aus welchen Gründen auch immer, Leo ist heute nicht hier, aber ich hoffe, er kann zurückkommen."
Im besagten Sport-Interview spricht Messi auch ganz offen über seine Pläne, nach Barcelona zurückzukehren. Er würde gerne etwas zurückgeben und könnte sich eine Rolle als Funktionär gut vorstellen. Dass es als Spieler nicht mehr klappt, scheint er auch verstanden zu haben. So oder so werden die Messis bald wieder in Barcelona landen, wie er verrät. Auf jeden Fall wollen seine Familie und er langfristig wieder in Barcelona leben: "Das möchte meine Frau und das möchte ich."
Braucht Paris Saint-Germain Lionel Messi?
Paris Saint-Germain hat seit der Ankunft der Wüsten-Milliarden viele Top-Stars in die Hauptstadt Frankreichs geholt. Ibrahimovic, Neymar, Mbappe, Cavani, Di Maria, Ramos und viele andere - und natürlich überstrahlte und sprengte Messi alles. Ein nie dagewesener Hype löste der Transfer des Argentiniers zu PSG aus.
Dass selbst Messi in diesem Delirium den Erwartungen nicht gerecht werden kann, lag auf der Hand. PSG ist kein normaler Fußballverein, der sich über den ehrlichsten Titel, die Meisterschaft in der Liga, freut. Es muss die Champions League sein - und nur die Champions League. Alles andere ist Misserfolg. Bisher schaffte man einmal das Finale, ansonsten gab es reihenweise frühe Abschiede.
Mit Messi sollte alles anders werden, die Champions League endlich gewonnen werden. Der 34 Jahre alte Stürmer performte tatsächlich in der Königsklasse stärker als in der Liga, hatte prozentual mehr Anteile an Torerfolgen als in der Liga, aber auch mit ihm war gegen Real Madrid im Achtelfinale Schluss.
Dass ihn die Fans im Spiel danach gegen Girondins Bordeaux bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen haben, ist brutal und zeigt, in welchen Sphären man in Paris auch fanseitig angekommen ist. Fanliebe gab es immer für Messi. Auch wenn es mal bei einem Länderspiel 2014 Pfiffe gab, feierten ihn die Gaucho-Fans zuletzt im Bombonera im Rahmen des Länderspiels gegen Venezuela. Ob er so eine Folklore in Paris so schnell erlebt, bleibt abzuwarten.
Wenn Kylian Mappe geht, ist Platz für Messi da
Aber Messi macht keine Anstalten, den Klub sofort wieder verlassen zu müssen. Nicht unwichtig, aber nicht hauptsächlich ist die finanzielle Komponente ein Thema. PSG ist in der Lage, das Messi-Paket zu finanzieren. So viele andere Klubs gibt es da nicht. Aber das Geld ist nicht einzige Komponente.
Und um die Frage zu beantworten: PSG braucht Messi vor allem in der nächsten Saison. Wenn Kylian Mbappe dann zu Real Madrid wechselt, wird Messi wieder die Rolle zuteil, die er am liebsten hat. In der aktuellen Konstellation wirkt er vielmehr wie ein Zuarbeiter für Mbappe. Er ist nicht im Zentrum des Geschehens, sondern der Begleiter.
Ohne Mbappe dürfte alles anders werden. Zumal PSG im Sommer kaum einen Spieler finden wird, der Messi wieder in die aktuelle Rolle verdrängen könnte. Womöglich wird dies Messi auch nicht mehr akzeptieren. Auch sein Biograph Guillem Balague sagte zuletzt, dass er davon ausgehe, dass Messi seinen Vertrag bis 2023 in Paris erfüllt.
Und danach? Ein Wechsel in die USA steht schon länger im Raum. Vor allem David Beckhams Inter Miami lebt den Traum Messi. Ob ihn Messi auch lebt?