"CL-Finale hat Eindruck hinterlassen"

Andreas Lehner
10. Dezember 201320:31
Sascha Riether ist bei Fulham unumstrittener Stammspielergetty
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Sascha Riether ist seit seinem Wechsel zum FC Fulham eine unverzichtbare Größe im Team von Rene Meulensteen. Der ehemalige Kölner über das Leben in der Metropole London, den deutschen Trend in der Premier League und die Faszination Darts.

SPOX: Herr Riether, Sie spielen seit rund anderthalb Jahren für den FC Fulham und leben seitdem auch in London. Wie schwer fiel die Umstellung auf die Metropole?

Sascha Riether: Es war schon ein riesiger Schritt ins Ausland und dann auch noch in diese große Stadt. Ich habe mich aber schnell zurechtgefunden und den Schritt noch keine Sekunde bereut. Ich wohne etwas außerhalb im Süden, nicht weit vom Trainingsgelände entfernt in Wimbledon, weil die Wege in London wahnsinnig weit sind und viel Zeit fressen.

SPOX: Die deutsche Nationalmannschaft ist in London mit der U-Bahn zum Abschlusstraining nach Wembley gefahren. Nutzen Sie auch die Tube?

Riether: Ab und zu schon. Aber ich bin meistens mit dem Auto unterwegs. Wenn man die Wege mal kennt, findet man sich auch zurecht. Aber es gibt natürlich noch viele Ecken, in denen ich mich nicht so auskenne.

SPOX: Es gibt aktuell eine Menge deutscher Spieler bei Londoner Klubs. Wie ist da der Kontakt? SPOX

Riether: Wir kennen uns alle aus der Bundesliga oder der Nationalmannschaft. Den engsten Kontakt habe ich mit Lukas Podolski und Lewis Holtby, mit Andre Schürrle habe ich mich neulich auch getroffen. Aber wenn ich zu Poldi oder Lewis fahre, muss ich schon viel Zeit einplanen, das ist echt brutal. Beide wohnen auf der anderen Seite der Stadt. Deshalb ist meistens Central London der Treffpunkt, dort gehen wir dann in ein Restaurant.

SPOX: In Deutschland wird man als Bundesliga- oder Nationalspieler fast überall angesprochen. Wie ist das in London?

Riether: Ab und zu wird man schon erkannt, aber London ist eine Celebrity-Stadt, da gibt es so viele Schauspieler, Musiker und sonstige bekannte Leute, da wirst du eher in Ruhe gelassen. Wenn du mit Poldi in Köln irgendwo unterwegs warst, dann brach der Wahnsinn los.

SPOX: Nutzen Sie die Ruhe für Sightseeing oder sonstige Angebote in London?

Riether: Ich bin froh, dass ich kein Sightseeing mehr machen muss. (lacht) Wie oft ich am Anfang in einem dieser roten Busse rumgefahren bin und die Tour gemacht habe, war Wahnsinn. Jeder, der mich besuchen kam und zum ersten Mal in London war, wollte die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sehen und mit dem Bus geht das in London am leichtesten. Das habe ich zum Glück hinter mir.

SPOX: Haben Sie dabei einen Lieblingsort für sich entdeckt?

Riether: Es gibt so viele schöne Orte in dieser Stadt, wo man das Leben genießen kann. Ich gehe gerne in Restaurants und bin gerne auf der Oxford Street beim Shopping. Jetzt beim Weihnachtsshopping ist die Hölle los. Bei Harrods drücken sich die Leute an Weihnachten durch die Türen rein, das ist unglaublich. Das ist ein Erlebnis.

SPOX: Bei Twitter kann man sehen, dass sie auch oft bei der Konkurrenz im Stadion sind.

Riether: Das ist der Vorteil hier, es gibt so viele Vereine in London, da ist immer was los. Arsenal und Chelsea spielen Champions League, Tottenham spielt in der Europa League, außerdem kann ich auch zu anderen Spielen der Premier League gehen.

Sascha Riethers Statistiken in der Premier League

SPOX: Sie gehen aber nicht zur zum Fußball. Auch von der Darts-WM haben Sie Fotos gepostet.

Riether: Das war ein Highlight. Ich habe schon in Deutschland immer Darts verfolgt und in der Weihnachtszeit die WM geschaut. Als ich dann nach London gekommen bin, war klar, dass ich da hin muss. Also bin ich mit ein paar Jungs von Fulham in den Alexandra Palace. Es war eine einzige Party und eine fantastische Atmosphäre. Wir waren bei den beiden Halbfinals, als Michael van Gerwen seine 17 perfekten Darts geworfen hat. Den ersten Neun-Darter habe ich sogar auf Video. Aber natürlich extrem verwackelt, weil es in der Halle so richtig abging. Einfach gigantisch. Ich will dieses Jahr unbedingt wieder hin.

SPOX: Richtig Feuer gab es auch zuletzt für Sie, als Sie wegen dem Tritt gegen Manchester Uniteds Adnan Januzaj negativ in die Schlagzeilen kamen. Sie haben sich via Twitter entschuldigt, gab es auch direkten Kontakt mit Januzaj?

Riether: Nein, direkten Kontakt gab es nicht. Es ist Fakt, dass ich es in diesem Zweikampf übertrieben habe. Das war ein Fehler, ein Blackout. Dafür bin ich bestraft und drei Spiele gesperrt worden. Ich hoffe, dass die Sache damit erledigt ist. Ich bin kein Rüpel. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Rote Karte gesehen und in den zehn Spielen in dieser Saison bisher nur eine Gelbe.

SPOX: Hing der Blackout auch mit dem schlechten Saisonstart zusammen?

Riether: Wenn es nicht läuft, gehen manchmal die Emotionen mit einem durch. Das darf mir natürlich nicht passieren, aber ich habe daraus gelernt.

SPOX: Warum läuft's in dieser Saison bei Fulham noch nicht?

Riether: Wir hatten ein schweres Auftaktprogramm. Mit den Siegen gegen Crystal Palace und Stoke hatten wir gedacht, wir haben die Kurve gekriegt. Aber dann haben wir zwei Auswärtsspiele verloren und dann kam eben Manchester United zu uns, und gegen die kann man mal verlieren. Es gibt viele gute Mannschaften in der Liga. Schauen Sie sich mal Southampton an, die sind die Überraschung der Saison, haben aber im Sommer 40 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben. Fulham hat zwar auch Geld zur Verfügung, gehört aber in der Premier League trotzdem zu den Kleinen und deshalb kämpfen wir jede Saison darum, in der Liga zu bleiben oder unter die besten Zehn zu kommen.

SPOX: Ist es in der Premier League schwieriger oben reinzurutschen als in der Bundesliga?

Riether: In Deutschland gibt es an der Spitze Bayern und Dortmund und der Rest folgt mit Abstand. In England sind die internationalen Plätze eigentlich schon vor der Saison vergeben mit Arsenal, Chelsea, ManUnited, ManCity, Liverpool, Tottenham. Jetzt habe ich aber nur ein paar Teams aufgezählt, die extrem viel Geld zur Verfügung und auch wahnsinnig gute Spieler haben. Kleineren Mannschaften fällt es bei dieser Konkurrenz schwer, zu bestehen.

Seite 2: Riether über das Erlebnis Craven Cottage und Christian Streich

SPOX: Was hat Sie bisher in der Premier League am meisten beeindruckt?

Riether: Auf Liverpool und die Anfield Road war ich schon immer gespannt. Es war ein beeindruckender Moment, als Spieler rauszugehen und You'll never walk alone zu hören. Noch mehr hat mich aber der gegenseitige Respekt zwischen Fans und Spielern beeindruckt, der ist viel höher als in Deutschland. In Liverpool sind wir als erste Mannschaft zum Aufwärmen rausgekommen und das ganze Stadion hat applaudiert. Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film. Für 90 Minuten bist du als Gegner der Feind. Aber davor und danach zollen sie dir Respekt. Die Fans honorieren den Einsatz, auch wenn du am Ende verlierst.

SPOX: Das kommt Ihrer Spielweise entgegen.

Riether: Die Fans mögen mich, weil ich immer 100 Prozent gebe. Das kommt ganz gut an.

SPOX: Wie gefällt Ihnen die Atmosphäre im altehrwürdigen Craven Cottage?

Riether: Spiele im Craven Cottage sind ein Erlebnis. Man kann es nicht mit den Stadien in Deutschland vergleichen, wo alles neu und hightech ist. Hier sind viele Stadien etwas älter, kleiner und traditioneller. Das bringt ein besonderes Flair.

SPOX: Der Trend in der Premier League geht zum Deutschen. Was schätzen die Engländer an deutschen Spielern?

Riether: Die Engländer haben großen Respekt vor dem deutschen Fußball. Die Spieler, die in der Premier League spielen, machen einen guten Job und das Champions-League-Finale zwischen Bayern und Dortmund hat auch Eindruck hinterlassen. Ich denke, dass bald noch ein paar Deutsche auf der Insel hinzukommen werden. Ich kann allen nur sagen: In England geht es nicht immer so streng zu wie in Deutschland.

SPOX: Es geht nicht immer so streng zu?

Riether: In Deutschland ist alles strikter, in England ist mehr Easy Going. Sei es jetzt auf dem Platz oder in der Kabine. Wenn du in Deutschland in der Kabine das Handy angefasst hast, gab es gleich eine Strafe, hier telefoniert jeder. In Deutschland muss jeder pünktlich sein, hier kommt der eine drei Minuten später, der andere fünf und es interessiert keinen. Manchmal kommt einem das schon komisch vor, weil man noch im deutschen Denken drin ist. Aber es funktioniert trotzdem alles und wenn der Schiri pfeift, geben alle Vollgas.

SPOX: In England soll es ja auch bei Teamabenden etwas lockerer zugehen...

Riether: Insgesamt wird mit dem Team in Deutschland mehr unternommen, da gibt es öfter mal einen Mannschaftsabend. Zumindest in Fulham ist alles etwas distanzierter. Wir gehen immer zur Weihnachtszeit gemeinsam raus, aber dann richtig...(lacht)

SPOX: Es gibt ja auch dieses Harlem-Shake-Video, in dem Sie mit Schwimmreifen und Badekappe zu sehen sind. Wie kam das zustande?

Riether: Das war eine super witzige Aktion. Nach einem Tag hatten wir zwei Millionen Klicks, den Leuten hat's offensichtlich auch gefallen. Die Engländer im Team haben die ganzen Sachen mitgebracht und wir haben uns dann etwas herausgepickt. Es hat richtig Spaß gemacht, die Kollegen in den Kostümen zu sehen.

SPOX: Wo Sie auch in ungewöhnlichem Outfit zu sehen sind, ist das berühmte Bild von Mesut Özil mit Kanzlerin Angela Merkel nach dem Länderspiel gegen die Türkei 2010.

Riether: Wir waren in der Dusche und dann hieß es: die Kanzlerin kommt. Wir haben uns dann alle noch schnell ein Handtuch umgeworfen und gehofft, dass es nicht rutscht. Die Kanzlerin hat sich dann mit jedem kurz unterhalten und uns beglückwünscht. War nett.

SPOX: Ihr letztes Länderspiel haben Sie 2010 gemacht. Deutschland hat aber keinen klassischen Rechtsverteidiger außer Philipp Lahm, der zuletzt immer häufiger im Mittelfeld eingesetzt wurde. Hoffen Sie noch auf eine Berufung?

Riether: Es gab seit meinem letzten Länderspiel keinen Kontakt mit dem Bundestrainer. Ich habe mich damals leider verletzt und andere Spieler sind in dieser Zeit aufgekommen. Ich mache mir aber auch keine Gedanken und keinen Druck. Ich bin immer gut damit gefahren, im Verein Gas zu geben und dann zu schauen, was passiert. Bisher hat das in Fulham ganz gut geklappt. Die Fans haben mich zum Spieler der Saison gewählt und ich war in allen möglichen Top-11-Auswahlen. Ich habe mir hier in England einen guten Namen gemacht. Man muss aber auch dazusagen, dass die Qualität der deutschen Nationalmannschaft schon enorm ist und ich nicht mehr der Jüngste bin.

SPOX: Eine Rückkehr nach Deutschland hätte Ihre Chancen vielleicht erhöht. Vor der Saison war ein Wechsel nach Schalke im Gespräch, Sie haben schließlich in Fulham verlängert.

Riether: Wir hatten Gespräche mit Schalke, die Champions League wäre auch nicht übel gewesen, aber es hat dann nicht geklappt. Ich fühle mich auch sehr wohl in Fulham, deshalb habe ich meinen Vertrag verlängert. Den Fußball in der Premier League mag ich, es macht Spaß.

SPOX: Eine Rückkehr nach Deutschland ist aber nach wie vor vorstellbar?

Riether: Klar. Ich bin jetzt zwölf Jahre dabei und will solange spielen, wie es der Körper zulässt. Aber aktuell bin ich zufrieden in Fulham.

SPOX: Wie oft sind Sie noch in Deutschland?

Riether: Ich bin ab und zu in Köln oder in der Heimat bei meinen Eltern. Die Entfernung ist ja nicht so tragisch. Der Weg zum Flughafen dauert meistens länger, als der eigentliche Flug. Auch den deutschen Fußball verfolge ich genau, vor allem meine ehemaligen Vereine.

SPOX: Da ist ja in dieser Saison alles dabei.

Riether: Das stimmt. Köln wird wohl aufsteigen. Wolfsburg hat sich gemacht, das internationale Geschäft ist drin. Freiburg hat einen Durchhänger, aber es war klar, dass es eine schwere Saison wird.

SPOX: Freiburg hat insgesamt unter Christian Streich eine erstaunliche Entwicklung genommen. Er war auch Ihr Jugendtrainer, was ist er für ein Typ? SPOX

Riether: Er ist sehr bodenständig, typisch für Freiburg, aber ein akribischer Arbeiter. Er arbeitet 24 Stunden, er ist so fokussiert auf den Erfolg und will immer das Beste aus jedem herausholen. Auch die Jugendspieler, die es nicht in den Profifußball geschafft haben, sagen alle, dass er einer der besten Trainer ist, den sie je hatten. Ich habe noch sehr guten Kontakt zu ihm, wir treffen uns auch immer nach der Saison. Und wenn ich in Freiburg bin, gehe ich zum Training und wir trinken danach einen Kaffee zusammen und tauschen uns aus.

SPOX: Haben Sie ihm den Sprung in den Profifußball zugetraut?

Riether: Ich habe ihm das immer zugetraut und war überrascht, dass der SC das nicht früher probiert hat. Er hat riesiges Potential. Die Frage, ob er die Umstellung von Nachwuchs- auf Profifußball packt, hat er bravourös beantwortet. Er kommt mit seiner Art gut an und bleibt sich treu. Das Wichtigste aber ist, dass er eine super Arbeit leistet. Wenn man sieht, wie viele junge Spieler er immer rausbringt, diese Leistung ist angesichts der Möglichkeiten bemerkenswert.

Sascha Riether im Steckbrief