Löwenaktionismus und lernfähige Kiezkicker

Alexander Klucke
21. Oktober 200811:26
SPOXGetty
Werbung
Werbung

In der Tabelle ganz weit hinten, in den Schlagzeilen ganz weit vorn. Die Münchner Löwen hinken ihren eigenen Ansprüchen hinterher, unterhalten aber die gesamte Liga. Dazu noch learning-by-doing im hohen Norden und ein gnadenloses Kopfballungeheuer. Dies und mehr in den Zweitliga-Schlaglichtern des 3. Spieltags.

Die Vorhaben des Mathieu B.: "And the winner is..." - wieder nicht 1860. Dabei waren die Löwen diesmal zumindest nah dran am ersten Punkt. Doch ein rot-weiß gekleideter Stürmer mit dem in München nicht unbekannten Namen Müller stand in der Nachspielzeit goldrichtig und machte alle Bemühungen des zu diesem Zeitpunkt bereits numerisch dezimierten TSV 1860 zunichte.

Rot für Mathieu Beda, der vor kurzem im Interview auf der Löwen-Website noch das Bestreben geäußert hatte, den Blau-Weißen zum Aufstieg verhelfen zu wollen. Damit wird es in der näheren Zukunft erstmal nichts, aber immerhin kann der Ex-Lauterer nun ein anderes angestrebtes Vorhaben verwirklichen: Den Besuch eines Biergartens. Praktisch ist hierbei, dass seine auf drei Spiele festgesetzte Sperre ausgerechnet in die Zeit des Oktoberfestes fällt.

Blau-weißes Krisenmanagement: Dachte der am Profifußball interessierte Zuschauer bisher das Krisenmanagement sportlicher Leitungen verstanden zu haben, präsentiert Löwen-Sportdirektor Stefan Reuter nun eine neue Variante. Bisher war es in der Regel doch so: Ist die Mannschaft über einen gewissen Zeitraum erfolglos, ist der Trainer nach erneuter Niederlage fällig und muss gehen.

Wir haben uns die Phrasen "Trainer" als Sündenbock und "nach erneuter Niederlage" als Zeitpunkt gemerkt und wenden diese Mechanismen stereotyp auf sportliche Talfahrten diverser Klubs an. Bei den Löwen geht Turbo-Reuter nun neue Wege. Er suspendierte nach der Niederlage in Ahlen nicht Trainer Kurz, sondern feuerte stattdessen bereits am Samstag vor dem Spiel Co-Trainer Günter Gorenzel.

Direkt genützt hat es bekanntermaßen nichts, aber immerhin kann Gorenzel nun jede Beteiligung am schlechtesten Saisonstart des TSV 1860 seit 47 Jahren von sich weisen und niemand kann Reuter Tatenlosigkeit vorwerfen.

"Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen." Auf diese bereits 1903 auf der Vorgänger-Trophäe der aktuellen Meisterschale eingravierte Weisheit besannen sich die Spieler des FC St. Pauli und gingen erstmals in der Saison mit ebenso vielen Spielern vom Platz, wie sie ihn betreten hatten.

Musste in den vorangegangenen drei Pflichtspielen jeweils ein Paulianer vorzeitig zum Duschen, scheint der Kiez-Klub aus diesen sieglosen Partien seine Schlüsse gezogen zu haben. Als Lohn für diese Lernfähigkeit gab es prompt drei Punkte gegen Oberhausen. Der Name der von 1903 bis 1944 an den deutschen Meister verliehenen Auszeichnung lautet übrigens Victoria.

Trojanischer Held ohne Muskeln: "Gib mich die Binde!" So hätte der als Morena-Vertreter erstmals ins Kapitänsamt berufene Filip Trojan bereits vor seinem Gala-Auftritt am Millerntor gegen RWO die Spielführerbinde fordern sollen. Wirkte der braun-weiße Wirbelwind durch die Ehre doch wie beflügelt, bereitete ein Tor vor und erzielte einen Treffer selbst.

Auch Trainer Stanislawski kommentierte die Leistungsexplosion seines kreativen Sechsers nach dem Spiel treffend: "Vielleicht hätten wir ihm die Binde früher geben sollen." Allerdings wird der nächste Auftritt des Capitano Trojan auf sich warten lassen müssen, da er sich in der Endphase der Partie das Außenband im linken Sprunggelenk riss.

Zeit für den schmächtigen Techniker, sich weiter für das Amt des Mannschaftsführers zu empfehlen: Da die Binde nämlich scheinbar nicht an den Bizepsumfang des Tschechen angepasst war, rutsche sie ihm wiederholt vom Oberarm. Die Lösung des Problems brachte Coach Stanislawski nordisch-nüchtern auf den Punkt: "Er muss mehr Krafttraining machen."

Spaßverderber im Zwei-Minuten-Takt: Mainz' Neuer Aristide Bance war am Sonntag dafür zuständig, Osnabrücks Trainer Pele Wollitz regelmäßig die Laune zu vermiesen. Ausgleich durch Osnabrück, Führung durch Bance. So lief es am Bruchweg gleich doppelt und beide Male zeigte sich der Hüne aus Burkina Faso äußerst resolut.

Jeweils nur zwei Minuten gönnte der Mainzer Neuzugang den Niedersachsen die Freude über den so eben erzielten Ausgleichstreffer, bevor er seine 05er erneut in Führung brachte. Dass er seine beiden Premieren-Treffer jeweils per Kopf erzielte, legt dem Tabellenführer die künftige Reaktionstaktik bei Ausgleichstreffern quasi in den Schoß: Der Gegner darf sich kurz freuen, dann aber bitte umgehend hohe Bälle auf Bance.

Es Müllert in Liga 2: Bance erzielt also neuerdings Führungstreffer für die Mainzer. Einen Bance hat Aufsteiger Rot Weiss Ahlen zwar nicht, dafür aber auch einen treffsicheren Neuzugang. Sein Name: Rene Müller. Dieser Müller betreibt zurzeit Werbung für den Titel "Bester Joker der Liga".

Bereits am ersten Spieltag gegen den FSV Frankfurt erzielte der 34-Jährige kurz vor Spielende den 2:1-Siegtreffer für Rot-Weiss, und darüber, wer beim Spiel gegen 1860 in der Nachspielzeit zum 2:1 traf, gibt sicher Löwen-Co-Trainer Gorenzel bereitwillig Auskunft. Ach nee, der war da ja schon nicht mehr da.

Dann fragen wir halt Trainer Kurz. Aber damit sollten wir uns beeilen, denn nach dem Spiel ist ja bekanntlich vor dem Spiel und was der Stefan Reuter vor Spielen seiner Löwen so treibt, darüber gibt der Herr Gorenzel bestimmt Auskunft.