Nach zwölf Jahren Abwesenheit ist Sheffield United in die Premier League zurückgekehrt - und damit auch die Geburtsstadt des Fußballs sowie das älteste Stadion der Welt. Verantwortlich für den Aufstieg waren zwei Vereinslegenden und "proper football".
Es kursieren im Internet gerade einige durchaus sehenswerte Videos, die den Premier-League-Aufstieg von Sheffield United zum Thema haben. Auf einem der sehenswertesten dieser sehenswerten Videos sieht man die versammelte Mannschaft am Sonntag die letzten Sekunden des Spiels des ärgsten Verfolgers Leeds United gegen Aston Villa verfolgen.
Nach einem eigenen 2:0-Sieg gegen Ipswich Town brauchte Sheffield ein Leeds-Remis für den vorzeitigen Aufstieg. Die Partie endete nach kontroversen Szenen 1:1 und die Sheffield-Spieler, nun ja, drehten vor laufender Kamera mal eben vollkommen durch. Auf anderen Videos hört man die Spieler Sweet Caroline grölen oder Wonderwall. Meistens wird auch Bier getrunken, geschüttet oder durch die Gegend gespritzt.
Trainer Wilder besingt Kapitän Sharp
Das vielleicht sinnbildlichste Video für den aktuellen Zustand des Klubs dauert aber nur fünf Sekunden und kommt ohne Bier und Karaoke-Evergreens aus. Es zeigt den 51-jährigen Trainer Chris Wilder und den 33-jährigen Kapitän Billy Sharp Arm in Arm beim Fernsehinterview, als im Hintergrund der Sharp-Chant ertönt. Wilder unterbricht seine Analysen, springt wie wild los und besingt aus voller Kehle seinen Kapitän.
Beide stammen aus dem Großraum Sheffield, beide feierten einst ihr Profidebüt bei United, beide sind Legenden ihres Vereins und hauptverantwortlich für den erstaunlichen Aufstieg des Klubs von der Drittklassigkeit bis in die Premier League innerhalb von nur drei Jahren.
2007 war Sheffield letztmals aus der Premier League abgestiegen und bald darauf auch aus der zweitklassigen Championship. Nachdem der Klub 2016 mit Platz elf den Tiefpunkt erreicht hatte, übernahm Wilder das Traineramt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen machte er Sharp zum Kapitän.
Fünf Spieler waren schon in der dritten Liga dabei
Sharp war im Jahr zuvor nach Sheffield gewechselt - bereits zum dritten Mal in seiner Karriere. Zweimal war er zwischenzeitlich gegangen, aber lange hielt er es in der Fremde nicht aus. Sharp gehört halt nach Sheffield. Weil er einst etwas zu viel auf den Rippen gehabt haben soll, taufte ihn ein Ex-Trainer "the fat lad from Sheffield". Der Fettsack aus Sheffield.
Vielleicht war Sharp tatsächlich ein Fettsack, aber immerhin einer mit Torgarantie: 227 Tore erzielte er bisher in Englands Profiligen und damit mehr als jeder andere Spieler in diesem Jahrhundert. 2016/17 schoss er seine Mannschaft mit 30 Toren in die Championship und nach einem Übergangsjahr in dieser Saison mit 23 in die Premier League.
Vier Kollegen machten die Reise von der dritten in die erste Liga ebenfalls als Stammspieler mit: die Innenverteidiger Chris Basham und Jack O'Connell sowie die Mittelfeldspieler Mark Duffy und John Fleck. "Wir lieben uns alle und sind wie Brüder", sagt Sharp.
Die Verantwortungsträger des Klubs vertrauten dem Kern der Mannschaft und hielten sich auf dem Transfermarkt zurück. Während beispielsweise Ligarivale Stoke City 63 Millionen Euro für neue Spieler ausgab und einige andere Vereine um die 20 Millionen, investierte Sheffield nur knapp sieben Millionen.
gettySheffield United ist das Gegenstück zu seinen Aufstiegsrivalen
Sheffield United ist gewissermaßen das sympathisch geerdete und urbritsche Gegenstück zu seinen Aufstiegsrivalen. Zu Meister und Co-Aufsteiger Norwich City mit seinem deutschen Trainer Daniel Farke samt deutscher Enklave sowie Spielern aus aller Herren Ländern. Und zum knapp geschlagenen aktuellen Dritten Leeds United mit seinem argentinischen Star-Trainer Marcelo Bielsa.
Bei Sheffield stehen dagegen ausschließlich Briten und ein paar Iren unter Vertrag und als Trainer Wilder mal nach seinem Erfolgsrezept gefragt wurde, sagte er: "Ich bin kein Trainer-Guru und es gibt nichts Schlimmeres, als Dinge zu verkomplizieren." Sollte Bielsa diese Aussage während einer seiner endlosen Videoanalysen im eigens eingerichteten Schlafzimmer im Leeds-Trainingsgelände hören, er wäre wohl empört.
Gerne besingen Sheffields Fans ihren Trainer und in einem Chant heißt es: "He leads us all the way - playing proper football." "Proper" kann vieles heißen, aber in diesem Zusammenhang heißt es wohl bodenständig. Die große Stärke der Mannschaft ist die Defensive, die mit nur 39 Gegentoren die beste der Liga ist. Und vorne macht eben Sharp die Tore.
Großer Außenseiter aus geschichtsträchtiger Stadt
Sharp ist einer von nur drei Spielern des aktuellen Kaders, der schon mal in der Premier League aufgelaufen ist. Am öftesten tat das Bashman, der bisher 21 Erstligaspiele absolvierte.
Finanzielle Möglichkeiten für weitreichende Kaderverstärkungen hat Sheffield nicht. Der Klub wird als einer der größten Außenseiter der englischen Fußballgeschichte in die neue Saison starten - und gleichzeitig die geschichtsträchtigste Fußballstadt des Landes repräsentieren.
Sheffield ist schließlich die Geburtsstadt dieses Sports. Hier wurde mit dem Sheffield FC der erste Fußballverein der Welt gegründet (1857), hier wurde mit den Sheffield Rules das ursprünglichste Fußball-Regelwerk niedergeschrieben (1857), hier wurde das erste geregelte Spiel zwischen zwei verschiedenen Vereinen ausgetragen (1862). Und hier steht das älteste Fußballstadion der Welt: Uniteds Brammall Lane, in der ab der kommenden Saison wieder Premier-League-Fußball gespielt wird.