Premier-League-Legende Matt Le Tissier: Der treue Traumtorsammler

Nino Duit
04. Juni 202016:20
Matt Le Tissier erzielte in 443 Pflichtspielen für den FC Southampton 161 Tore.imago images
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Nicht Alan Shearer, nicht Thierry Henry, nicht Ryan Giggs, nicht Steven Gerrard: Matt Le Tissier von der kleinen Kanalinsel Guernsey wurde bei einer Fan-Umfrage neulich zum besten Premier-League-Spieler der Geschichte gewählt. Der offensive Mittelfeldspieler verbrachte seine ganze Profikarriere beim FC Southampton und sammelte dort statt Titeln nur Traumtore.

Als der spanische Welt- und Europameister Xavi vor einigen Jahren über seine Kindheitserinnerungen sprach, erzählte er von den Montagabenden. Da lief im katalanischen Fernsehen immer eine halbstündige Sendung mit den besten Toren des zurückliegenden Spieltags der englischen Liga. Damals, Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre.

"Jede Woche kam Matt Le Tissier in der Show vor", sagte Xavi. Und was er von dem offensiven Mittelfeldspieler sah, blieb ihm in Erinnerung. "Er dribbelte einfach an sieben oder acht Gegenspielern vorbei, ohne Geschwindigkeit aufzunehmen. Fast ging er an ihnen vorbei", erzählte Xavi. Und dazu diese Tore, diese unfassbaren Tore. "Unsere ganze Familie war besessen von ihm."

Für Xavi wurde Le Tissier zum Vorbild, für die Fans seines Klubs FC Southampton war er schon damals längst nur: "Le God". Als Eurosport in England neulich eine Fan-Umfrage zum besten Premier-League-Spieler der Geschichte ausrief, gewann Le Tissier. Vor Alan Shearer, vor Thierry Henry, vor Ryan Giggs, vor Steven Gerrard, vor allen. Le God ist der Größte!

Le Tissier: Traumtore statt Tempo und Ausdauer

Die Geschichte des Größten beginnt auf einer kleinen Insel, auf Guernsey im Ärmelkanal zwischen England und Frankreich mit seinen knapp 60.000 Einwohnern. Hier wurde Le Tissier 1968 geboren, hier lernte er das Fußballspielen.

Mit 15 reiste er zu einem Probetraining nach Oxford, genommen wurde er dort jedoch nicht. Ein Jahr später probierte er sich bei Southampton. Diesmal klappte es und das passte ohnehin viel besser: Der Kicker von der Kanalinsel und der Klub aus der südenglischen Hafenstadt. Mit 17 debütierte er für Southamptons Profimannschaft.

Le Tissier war nicht schnell und hatte keine gute Ausdauer, dafür aber eine umso feinere Ballkontrolle und vor allem einen umso präziseren Schuss. Das wusste er natürlich selbst am besten und schoss deshalb aus allen Winkeln und Distanzen. In der Saison 1994/95 erzielte er gegen die Blackburn Rovers per Fernschuss das Tor des Jahres. Einmal lupfte er sich einen Freistoß selbst an und zimmerte ihn dann volley in den Winkel.

"Viele Menschen trauen sich nichts, weil sie denken, blöd auszusehen, wenn es nicht klappt. Ich bin das exakte Gegenteil", sagte Le Tissier mal. "Ich habe es als Spieler geliebt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und die Leute zu begeistern. Am besten ging das, wenn ich den Ball aus 22 Metern im Winkel versenkte." Und deshalb machte er es eben wieder und wieder und wieder - und immer nur für Southampton.

Matt Le Tissier im Jahr 1995.imago images

Le Tissier: "Den Fußball genießen, das Leben genießen"

Hier war Le Tissier Le God, hier stand er stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Auch deswegen hielt er dem Klub seine komplette Profikarriere lang die Treue. "Ich konnte so spielen, wie ich spielen wollte", sagte er. "Bei größeren Vereinen wäre das wahrscheinlich nicht möglich gewesen."

Manchester United wollte ihn verpflichten, auch der FC Chelsea. Kurz vor einem Wechsel stand Le Tissier aber nur ein Mal, als 1990 sein Lieblinsgsklub Tottenham Hotspur interessiert war. "Am Ende bin ich aber doch geblieben, weil es mir hier einfach gefallen hat", sagte er. "Ich hatte eine gute Beziehung zu den Fans und mein Leben war großartig. Ich sah keinen Grund, irgendetwas daran zu ändern. Meine oberste Priorität war immer: Den Fußball genießen, das Leben genießen."

Le Tissier beim FC Southampton: 18 Jahre, 161 Treffer

Zwischen 1986 und seinem Karriereende im Zuge hartnäckiger Verletzungsprobleme 2002 landete er mit Southampton stets zwischen Platz sieben und 18. "16 Jahre lang den Klassenerhalt zu schaffen, hat mir genau so viel Freude bereitet, wie wenn ich woanders Titel gewonnen hätte", sagte Le Tissier.

Unterdessen schoss er Traumtor um Traumtor, in 443 Pflichtspielen gelangen ihm 161 Treffer. Und wenn es mal kein Traumtor war, dann war es meist ein Elfmetertor. Von 48 Versuchen verwandelte er 47, kein Spieler der englischen Fußballgeschichte weist eine bessere Quote auf.

Die entsprechenden nationalen Tragödien durfte er jedoch nicht verhindern: Als die englische Nationalmannschaft bei der WM 1990 und bei der EM 1996 jeweils im Halbfinale im Elfmeterschießen an Deutschland scheiterte, stand Le Tissier nicht im Kader. Obwohl er als einer der besten Spieler seiner Zeit galt, ignorierten ihn die unterschiedlichen englischen Nationaltrainer weitestgehend. Lediglich achtmal kam er zum Einsatz. Warum? Das weiß keiner so recht. Vielleicht, weil er nur beim kleinen Southampton spielte.

Seine beste Zeit hatte er wohl Mitte der 1990er Jahre unter Trainer Alan Ball. "Er war überzeugt davon, nicht zu viel trainieren zu lassen. Das war natürlich perfekt für mich", begründete Le Tissier später. "Solange wir uns Mühe gaben, mussten wir nur eine Stunde pro Tag trainieren. Manchmal stand ich deshalb schon um halb eins auf dem Golfplatz. Großartig!" Dort konnte er aber noch so viel trainieren: So präzise wie er Fußbälle in Torwinkeln versenkte, beförderte er Golfbälle niemals in die entsprechenden Löcher.