Auf das Zeichen für Vielfalt und Toleranz verzichteten die Engländer kurzfristig, dafür setzten sie auf dem Platz ein sportliches Signal der Stärke: Die Three Lions haben die Jagd nach ihrem ersten WM-Titel seit 1966 mit einem souveränen 6:2 (3:0) gegen den überforderten Außenseiter Iran eröffnet.
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Bei der Ehrenrunde trödelte Jude Bellingham ein wenig und genoss den Applaus und die Gesänge der englischen Fans länger als seine Teamkollegen. Mit seinem ersten Länderspieltor hatte der Dortmunder Bundesligaprofi die Jagd der Three Lions nach ihrem ersten WM-Titel seit 1966 eröffnet - in einem Spiel, das nicht nur sportliche Signale setzte.
"Ich habe euch gesagt, dass ich mehr Tore schießen will", erklärte Bellingham nach dem überzeugenden 6:2 (3:0)-Auftaktsieg gegen den überforderten Außenseiter Iran, "es ist ein wirklich guter Tag für uns, sechs Tore in einem WM-Spiel sind beeindruckend, egal gegen wen."
Begeistert zeigte sich auch der ehemalige Nationalstürmer Alan Shearer in der BBC: "Was für eine Vorstellung von diesem jungen Mann."
Vor der Partie hatten sich die Engländer mit ihren europäischen Verbündeten dem erpresserisch empfundenen Druck der FIFA beugen müssen: Zu groß war die Angst vor Sanktionen, falls Kapitän Harry Kane als Erster in Katar die "One Love"-Binde tragen würde. Was ihnen blieb, war neben einem sportlichen Triumph durch die Treffer von Bellingham (35.), Bukayo Saka (43., 62.), Raheem Sterling (45.+1), Marcus Rashford (71.) und Jack Grealish (90.) der mittlerweile etablierte Kniefall vor dem Anpfiff als Zeichen für Rassismus.
Der iranische Nationaltrainer Carlos Queiroz zeigte sich trotz der hohen Niederlage zufrieden mit seinen Spielern. "Die Mannschaft hat Charakter gezeigt, ich bin sehr stolz. Wir haben noch zwei Spiele. Wir werden im nächsten Spiel sehr stark sein und gewinnen", sagte er. Charakterstärke zeigten die Iraner vor allem auch vor dem Anpfiff.
"Team Melli", für das Mehdi Taremi (65., 90.+13/Foulelfmeter) traf, hatte vor Spielbeginn klare Kante gezeigt: Bei der Nationalhymne schwiegen die Spieler. Dies ist als klares Zeichen der Solidarität mit den Regime-Kritikern in der Heimat zu werten. Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini reißen die Massenproteste nicht ab, beim harten Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten sind seitdem zahlreiche Menschen getötet worden.
England - Iran: Iraner singen bei Nationalhymne nicht mit
Auf den Rängen hatten einige iranische Frauen Tränen in den Augen während der Hymne, in einen lauten Aufschrei mischten sich aber auch ein paar Pfiffe im Khalifa International Stadium. Rein sportlich schaltete das Team von Trainer Carlos Queiroz vor offiziell 45.324 Zuschauern zum Auftakt der Gruppe B voll in den Verteidigungsmodus, lauerte mit defensiver Fünferkette und einer Viererkette davor sehr tief in der eigenen Hälfte.
Torhüter Alireza Beiranvand krachte früh bei einer Flanke mit Verteidiger Majid Hosseini zusammen, musste mit dicker, blutender Nase nach gut zehnminütiger Unterbrechung vom Platz getragen werden. Am Ende betrug die gesamte Nachspielzeit 27 Minuten.
Beiravands Nachfolger Hossein Hosseini rückte schnell in den Blickpunkt. Harry Maguire (32.) scheiterte mit seinem Kopfball noch an der Latte, ehe Bellingham eine Flanke von Luke Shaw perfekt zu seinem ersten Länderspieltor ins lange Eck nickte.
Der Iran wirkte ohne den bis zur 77. Minute auf der Bank sitzenden Leverkusener Sardar Azmoun nun völlig überfordert, Saka nach Ecke und Sterling nach Flanke Kane legten noch vor der Pause nach.
Nach einem Dreifachwechsel zur zweiten Halbzeit stabilisierte sich der Außenseiter zunächst etwas, allerdings hauptsächlich weil die Engländer deutlich an Tempo herausnahmen. Der Weltmeister von 1966 kontrollierte jederzeit ohne Risiko die Partie - und wurde dennoch in der letzten halben Stunden noch reihenweise gefährlich.
England - Iran: Die Daten zum Spiel
England: Pickford - Trippier, Stones, Maguire (ab 70. Dier), Shaw - Bellingham, Rice - Saka (ab 70. Rashford), Mount (ab 70. Foden), Sterling - Kane (ab 75. Wilson). - Trainer: Southgate
Iran: Beiranvand (ab 20. Hosseini) - Moharrami, Pouraliganji, Rouzbeh (ab 46. Kanaani), Majid, Mohammadi (ab 63. Torabi) - Ahmad (ab 77. Azmoun), Jahanbakhsh (ab 46. Gholizadeh), Karimi (ab 46. Ezatolahi), Hajisafi - Taremi. - Trainer: Queiroz
Schiedsrichter: Raphael Claus (Brasilien)
Tore: 1:0 Bellingham (35.), 2:0 Saka (43.), 3:0 Sterling (45.+1), 4:0 Saka (62.), 4:1 Taremi (65.), 5:1 Rashford (71.), 6:1 Grealish (90.), 6:2 Taremi (90.+13, Foulelfmeter nach Videobeweis)
Zuschauer: 45.324 (in Ar-Rayyan)