Erkenntnisse des 3. Bundesliga-Spieltags: Viertschlechteste Abwehr der Liga! Wie die Bayern wieder Bayern-like werden können

Stefan Rommel
05. Oktober 202012:37
Bayern stellt momentan die viertschlechteste Abwehr der Liga: Manuel Neuer und Co. nach Jhon Cordobas Gegentor am 3. Spieltag.imago images/Action Pictures
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Der Spielstil des Rekordmeisters passt nicht zu dieser Corona-Saison, sieben Gegentore sind weder Bayern-, noch Flick-like. Ein Dortmunder kommt quasi aus dem Nichts, Werders angekündigter Fußball bleibt dagegen verschollen. Über diese Themen spricht man nach dem 3. Spieltag.

Die Bayern brauchen andere Ideen:

Hansi Flick und seine Mannschaft feiern fünf Titel innerhalb von ein paar Wochen und stecken nach ein paar Spielen der neuen Saison doch in einer kleinen Sinnkrise? Das mag übertrieben wirken, hat aber in einigen Segmenten des Spiels durchaus seine Berechtigung. Die Flick-Bayern definieren sich total über ihr Pressing und Gegenpressing, das war die Grundlage für die überragenden Erfolge der letzten Saison. Aber die Bayern wirken müde. Und müde Spieler machen in ihren (Defensiv-)Abläufen Fehler. Und so wird der Meister zur Schießbude!

Sieben Gegentore nach drei Spielen sind ein eindeutiges Indiz, die Bayern stellen die viertschlechteste Abwehr der Liga. (Video: Alle sieben Gegentore der Saison) Das Defensivverhalten erinnert eher an Kovac-Ball denn an Triple-Abwehr. Die Bayern werden reihenweise ausgehebelt, nur die unterirdischen Schalker konnten bisher kein Tor gegen Manuel Neuer erzielen. Zum Vergleich: In der gesamten Rückrunde der abgelaufenen Saison ließen die Münchner nur zehn Tore in 17 Spielen zu.

Flick wird in den kommenden Wochen das Pressing anpassen müssen und der Mannschaft vielleicht auch beibringen, mehr über Ballbesitz- und Positionsspiel zu kommen, um im eigenen Ballbesitz auch mal Kräfte zu sparen und sich auszuruhen. Nicht zufällig wurden gegen Dortmund und Hertha zuletzt zwei klare Führungen zwischenzeitlich verspielt. Irgendwann geht das dann nicht mehr gut. Und die Saison wird dieses eine Mal ganz besonders lang.

Felix Passlack mit dem besten Cameo-Auftritt:

Im März 2016 feierte Felix Passlack als 17-Jähriger sein Bundesligadebüt für Borussia Dortmund, galt beim BVB damals als Nachfolger des ewigen Lukasz Piszczek als Rechtsverteidiger. Passlack konnte sich aber nicht wirklich durchsetzen und wurde deshalb nach Hoffenheim verliehen. Auch da lief es nicht, die Luftveränderung bei Norwich City geriet zu einer mittelprächtigen Katastrophe, also wurde Passlack ein drittes Mal verliehen: Zu Fortuna Sittard in die Eredivisie. Dort durfte er endlich wieder regelmäßig spielen, bevor er im Sommer wieder nach Dortmund zurückkehrte.

Kaum einer hatte den mittlerweile 22-Jährigen auf dem Zettel, aber jetzt: Ist Passlack eine echte Option für Lucien Favre. Seine Vielseitigkeit - Passlack kann im Dortmunder 3-4- rechts hinten spielen, auf der Sechs oder einer der Achterpositionen - macht ihn derzeit auch in diesem unglaublich starken Kader wertvoll, in der Bundesliga kam er deshalb zwei Mal von der Bank, im Supercup gegen die Bayern spielte Passlack sogar durch.

Auf Einladung von Erling Haaland kam er nun am Wochenende zu seinem ersten Bundesligator (Video: Haaland selbstlos: Passlacks Debüt-Tor in der Bundesliga). Kein schlechter Saisonstart für einen, der eigentlich längst schon wieder verliehen hätte werden sollen. Oder sogar verkauft.

Bellarabis Nasengrabscher und die Folgen:

Karim Bellarabi ist seit zwölf Jahren Profi, hat 309 Spiele auf dem Buckel und damit eigentlich genug Erfahrung, eine Situation wie die am Samstag gegen den VfB anders zu lösen. Das Foul an der Seitenlinie gegen einen vom Tor abgewandten Gegenspieler mag noch passieren können, alles andere danach ist schwer zu erklären. (Video: Unschöne Szene: So kam es zur Tätlichkeit von Bellarabi).

Bellarabi trifft Stuttgarts Roberto Massimo mit dem Knie am Hinterkopf, es kommt zu einem Wortgefecht an dessen Ende Bellarabi Massimo an der Nase packt. Zehn Minuten vor dem Ende, in einem Spiel auf der Kippe, vor den Augen des Schiedsrichters. Sein eigener Trainer und Torhüter verwenden danach Begriffe wie "dämlich", "doof", "Dummheit".

Ein "Scheiß-Freistoß" sei das gewesen, moserte Lukas Hradecky. Und eigentlich hätte es auch eine "Scheiß Rote Karte" sein müssen. Der einzige, der Bellarabi nicht so hart ran nahm wie alle anderen war Schiedsrichter Robert Hartmann. Der zeigte Bellarabi Gelb und dem an sich unbeteiligten Massimo ebenfalls. Warum auch immer.

Werder Bremen: Große Worte - kaum was dahinter:

Kann man einer Mannschaft, die dem sportlichen Tod zuletzt durch mehr Glück als Können von der Schippe gesprungen ist, vorwerfen, dass sie nun nach dem Motto verfährt: Ergebnis first? Wohl kaum. Es sei denn, die Mannschaft hört auf den Namen Werder Bremen und ihr Trainer ist Florian Kohfeldt. Der hat zwar die große Aufgabe, sein Team neu zu sortieren und die negativen Erlebnisse der letzten Saison so langsam aus den Köpfen seiner Spieler zu bekommen.

Da helfen Siege ungemein. Aber Kohfeldt ist auch der Trainer, der Anfang August das sagte: "Es wird auch für die neue Saison ein Grundziel sein, dass der Fußball, für den wir fast zwei Jahre standen, wieder dauerhaft erkennbar ist. Das ist ein mutiger, ein offensiver Fußball, der egal gegen welchen Gegner aktiv sein möchte." (Video: So spektakulär spielte Werder noch vor drei Jahren: Sieben-Tore-Wahnsinn in Dortmund gegen Bremen).

Nach drei Spieltagen steht Werder nun zwar mit sechs Punkten da, aber immer ohne seinen Fußball. Von Mut, Offensive, Aktivität ist da nicht viel zu sehen, ganz im Gegenteil. Werder hat bisher nur 39 Prozent Ballbesitz, die Passquote liegt bei 65 Prozent. Das sind zwar nur Kennzahlen, die sich natürlich auch aus den Spielverläufen wie zuletzt gegen Schalke und Bielefeld ergeben.

Aber dass Werder auch in der neuen Saison kaum Torchancen erspielt und sich wie zuletzt im eigenen Stadion gegen einen (fußballerisch besseren) Aufsteiger eine Halbzeit lang in der eigenen Spielhälfte verschanzt, passt nicht zum propagierten Ziel. Vielleicht kommt der bessere Fußball ja noch, derzeit kann man sich Werder-Spiele aber nur schwer anschauen.

Bundesliga interruptus:

Endlich sind wieder ein paar Fans in den Stadien, die Bundesliga ist auch ganz ordentlich aus den Puschen gekommen, produziert gleich in den ersten drei Wochen allerhand Geschichten und es fühlt sich fast schon wieder gefühlsecht an - da kommt die Länderspielpause daher.

Jetzt sind die Spieler wieder in alle Himmelsrichtungen verstreut, die Trainer jammern oder fluchen, es bleibt keine Zeit, Dinge aufzuarbeiten und am Ende kehrt der eine oder andere auch noch verletzt oder krank zurück oder muss in Quarantäne. Wenn beim einen oder anderen wieder so etwas wie Lust auf die Bundesliga aufgekommen sein könnte, die Testspiele und jene in der Nations League lassen die in den nächsten zwei Wochen wieder ziemlich erkalten.

Die Termine gerade zum Beginn einer Saison waren schon in den letzten Jahren ein Humbug, jetzt verstärkt der verzerrte und völlig vollgepumpte Terminkalender den Effekt nochmals. Und das Schlimmste: In vier Wochen geht der ganze Spaß wieder von vorne los. Dann steht schon die nächste Länderspielpause an.